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»Was ist passiert?«, fragte sie. »Sag’s schon, ich weiß, dass es etwas Schlimmes ist.«

Alec erzählte es ihr.

»Donald ist ganz sicher, dass der Junge entführt wurde, aber das glaube ich nicht.«

Sie saßen zusammen im Bett, dicht beieinander, und versuchten zu ertragen, was eigentlich unerträglich war: Henry befand sich in Gefahr!

»Was genau hat Donald gesagt?«, wollte Marnie wissen.

Sie hörte genau zu, als Alec das Gespräch mit seinem Sohn Wort für Wort wiederholte.

»Eins stimmt auf jeden Fall schon mal nicht«, sagte Marnie. »Niemals hätte Henry den kleinen Hund vergessen.«

»Genau das glaube ich auch«, sagte Alec.

Nach einer Weile gaben sie den Versuch, wieder einzuschlafen, auf und gingen hinunter, um sich einen Tee zu kochen. Sie saßen da, während es allmählich heller wurde, und dachten an den Jungen, den sie so selten sahen und doch so lieb hatten. Und die alte Meg lag mit dem Kopf auf Alecs Füßen und wachte ebenfalls.

12. Kapitel

Die Hundehochzeit

Die Kinder waren nun schon seit Stunden unterwegs und es schien, als würde London niemals enden. Sie waren immer noch nicht an einer Überlandstraße angelangt, auf der Lkws fuhren, die möglicherweise anhalten und sie mitnehmen würden. Henry hatte praktisch nicht geschlafen und nur wenig gegessen, er war am Ende seiner Kräfte und sogar Pippa fragte sich, ob sie nicht besser aufgeben sollten.

Endlich kamen sie an eine große Tankstelle mit angeschlossenem Restaurant. Der Platz davor war komplett zugestellt mit Lastwagen, Anhängern und Wohnmobilen, die anscheinend zusammengehörten.

Vor einem Springbrunnen stand eine Bank. Die Kinder ließen sich erschöpft darauf nieder und die Hunde begannen zu trinken.

Aus den Lkws und Wohnwagen drangen merkwürdige Laute. Das Stampfen von Hufen, das Krächzen eines Papageis, Fetzen von Musik. Auf einem der Wohnwagen war das lachende Gesicht eines Clowns abgebildet, auf anderen bunte Kreise. Darunter standen die Namen von Städten wie Todcaster, Berwick, Aberdeen und darüber in großen Buchstaben: Charlys Zirkus

Zwischen den Wohnwagen liefen fröhlich gekleidete Menschen und Mechaniker in ölverschmierten Overalls herum. Eine Frau mit rotem Umhängetuch trug ein Baby auf dem Arm. Nun ertönte eine Art Brummen und alle verschwanden in ihren Wohnwagen oder Anhängern. Es schien, als mache sich der Zirkus bereit zur Weiterfahrt.

Genau in diesem Augenblick bemerkten die Kinder zu ihrem Entsetzen, dass Francine nicht mehr da war.

Die ganze Zeit über waren die Hunde zusammengeblieben, Pippa und Henry hatten nie nach ihnen suchen müssen. Und nun blieb der Pudel trotz lauten Rufens und Suchens einfach verschwunden.

»Findet sie«, sagte Pippa zu den anderen Hunden. »Komm schon, Otto, du bist ein Rettungshund. Finde Francine.«

Die Hunde senkten die Köpfe. Bei all den unterschiedlichen Gerüchen war es gar nicht so leicht, Francines Spur aufzunehmen, ganz zu schweigen von den Benzinschwaden, die von der Tankstelle herüberwehten.

Plötzlich lief Otto zu einem Wohnwagen am Ende der Wagenreihe und um ihn herum. Die Kinder folgten ihm und blieben wie angewurzelt stehen.

Zuerst hielten sie das, was sie da sahen, für eine optische Täuschung. Denn auf dem mit Gras bewachsenen Randstreifen befanden sich nicht einer, sondern zwei schwarze Pudel. Der zweite war genauso geschoren wie Francine und hätte ihr Zwilling sein können, doch als die Kinder genauer hinschauten, erkannten sie, dass der vermeintliche Doppelgänger größer und ein Männchen war.

Aber das allein war es nicht, das Pippa und Henry mit offenem Mund dastehen ließ, sondern das, was die Hunde taten.

Sie tanzten.

Dabei tappten sie nicht etwa auf den Hinterbeinen herum, wie manche Hunde es tun, nein, sie bewegten sich anmutig zu den Klängen eines Akkordeons, das ein großer Mann im Overall spielte. Sie drehten Pirouetten, schauten einander in die Augen, alles im Takt der Musik. Francine schien wie verwandelt. Ihre Augen glänzten, sie hielt den Kopf geneigt, als ob sie nicht einen Ton versäumen wollte. Man sah deutlich, wie glücklich sie war, ganz bei sich.

Nun stellte der Mann das Akkordeon ab, nahm einen Reifen und hielt ihn hoch. Der Mann war groß, der Reifen sehr weit oben. Das Pudelmännchen sprang zuerst, mühelos flog der Hund durch den Reifen. Francine folgte, ohne zu zögern. Der Wind drückte ihr die Ohren an den Kopf und es sah aus, als ob sie mitten im Sprung vor Vergnügen lachte.

Nun erst entdeckte der Mann Pippa und Henry.

»Hallo, ihr beiden«, sagte er. »Diese Hündin ist ja Spitzenklasse. Sie hat Ruperts Schritte perfekt drauf. Ich musste überhaupt nichts sagen, sie hat einfach losgelegt. Scheint, als ob sie von Elsa trainiert worden ist. Man merkt es den Hunden an, ob es welche von Elsa sind, sie wirken so natürlich.«

Pippa nickte. »Ja, das stimmt«, sagte sie zu Henrys Erstaunen.

»Und wird das hier Elsas neue Nummer?«, fragte der Mann und zeigte auf die anderen Hunde. »Ist ihr zuzutrauen, dass sie einen Bernhardiner trainiert, wo die doch normalerweise den Lärm und die Unruhe im Zirkus nicht abkönnen. Aber Elsa könnte einem Regenwurm noch was beibringen. Reist ihr mit ihr zusammen?«

»Ja, sie ist unsere Tante. Na ja, mehr so eine Art von Tante …«, sagte Pippa, während Henry sie fassungslos anstarrte.

Der Mann grinste. »Art von ist gut, sie dürfte inzwischen den fünften Ehemann haben. Aber was macht sie hier? Ich hab gehört, sie ist die Saison über in Bournemouth.«

»Ich fürchte, das ist ins Wasser gefallen«, sagte Pippa.

»Ach, wirklich? Das ist gut für uns. Wir brauchen dringend eine Hundenummer. Petrocs Pudel haben uns nämlich hängen lassen. Petroc musste ins Krankenhaus. Ich kümmere mich um Rupert, bis er wieder rauskommt.« Der Mann zeigte auf den Pudel, der dicht bei Francine stand. »Aber wo ist Elsas Wagen? Ich hab ihn hier noch nicht gesehen.«

»Er hatte eine Panne«, erzählte Pippa. »Es gab ein hässliches Knirschen und das war’s. Elsa war nicht sehr erfreut.«

»Kann ich mir denken, wette, sie hat geflucht und getobt.«

»Hat sie. Sie meinte, wir sollten schon mal vorgehen und Ihnen Bescheid sagen.«

»Ach, wirklich?«, sagte der Mann, der sich als George vorstellte. »Nun, wir fahren gleich ab. Ihr steigt am besten fürs Erste in den Lkw da vorn. Da ist hinten genug Platz und jede Menge Stroh. Unsere erste Station ist Todcaster. Wenn wir da sind, holen wir euch raus. Ich muss nur kurz Mr Charly Bescheid sagen. Na, der wird Augen machen, wenn er hört, dass ihm Elsas Hunde praktisch in den Schoß fallen.«

Er sprach kurz mit dem Fahrer des Lkw, dann ließ er die Ladeklappe runter. Die Kinder kletterten in den Wagen, die Hunde folgten, bis auf Francine. Die stand da und schaute Rupert an und Rupert sie.

»Komm schon, Francine«, rief Pippa.

Aber die beiden Pudel rührten sich nicht von der Stelle.

»In Ordnung, du darfst bei ihr bleiben«, sagte George und die beiden Hunde sprangen in den Wagen und legten sich Seite an Seite ins Stroh.

»Wie konntest du nur all diese Lügen erzählen?«, fragte Henry, als sie losgefahren waren. »Du musst verrückt sein.«

»Das sind keine Lügen«, sagte Pippa. »Das sind einfach nur Geschichten.«

»Ich weiß nicht, wo da der Unterschied sein soll«, sagte Henry.

»Sei nicht albern! Wenn du ein spannendes Buch liest, dann fragst du dich doch auch nicht, ob die Abenteuer auch alle so passiert sind, sondern freust dich darüber, dass was passiert.«

Henry war nicht überzeugt. Die fluchende Elsa mit ihren fünf Ehemännern machte ihm Angst.

»Ich bin sicher, sie hat eine Peitsche und knackt Walnüsse mit den Zähnen«, sagte er.