»Na, freust du dich?«, fragte seine Mutter, während sie ihm dabei zusah, wie er die Pakete öffnete, und Henry nickte. »Ja, ich freue mich.« Sie sagte, dass am Abend sein Vater zurückkommen und ihm etwas vom Flughafen mitbringen würde.
»Ist etwas von Opa und Oma gekommen?«, fragte Henry, woraufhin Albina seufzte und ihm ein kleines, in braunes Papier gewickeltes Päckchen reichte.
Die Eltern ihres Mannes waren nicht reich, sie lebten im Norden Englands in einem kleinen Häuschen an der Küste. Als Henry noch klein gewesen war, waren sie einmal zu Besuch gekommen. Schon der Koffer war eine Zumutung gewesen, abgeschabt und mit einer Strippe zugebunden, wie peinlich! Sie waren nie mehr wiedergekommen, aber dafür schickten sie Henry zu Weihnachten und zum Geburtstag sehr seltsame Dinge. Wenn man schon kein Geld für ein anständiges Geschenk hatte, war es doch besser, man schickte überhaupt nichts statt einer ordinären Muschel oder einem Stück Felsen, dachte Albina.
Und doch schien sich Henry jedes Mal über die Geschenke seiner Großeltern zu freuen. Nun schaute er verzückt auf ein kleines, braunes, schrumpliges Etwas, das ihm mehr zu bedeuten schien als die anderen Geschenke.
»Das ist ein Seepferdchen«, sagte er und las die beigefügte Karte. »Es ist auf einen der Felsen gespült worden. Die Fischer glauben, dass es Glück bringt.«
Dann nahm Henry seine Geschenke mit nach oben und spielte mit ihnen.
Am Nachmittag erschien dann der Wagen vom Partyservice mit einer Geburtstagstorte, die wie ein Paar Turnschuhe aussah. Alles, was Albina bestellte, musste eine andere Form haben als die natürliche. Eine Torte, die wie eine Torte ausgesehen hätte, wäre schließlich langweilig gewesen. Henrys Freunde kamen, aber eigentlich waren es keine richtigen Freunde, die hatte er an der alten Schule zurücklassen müssen. Sie spielten mit seinen neuen Spielsachen, zerbrachen das ferngesteuerte Auto mit dem Metalldetektor und kippten den Inhalt des Chemiekastens auf den Boden.
Nachdem sie Tee getrunken und Kuchen gegessen und einem Zauberer zugeschaut hatten, kam die Überraschung.
Ein Lieferwagen fuhr vor, die Türglocke schellte, die Tür öffnete sich und ein … ein Wesen … stürzte ins Zimmer. Es war groß, in gelbes Fell gehüllt, hatte schwarze Schlappohren, einen Schwanz und eine rosa Zunge, die ihm seitlich aus dem Maul hing.
Das Wesen stellte sich auf die Hinterbeine, dann ließ es sich wieder auf alle viere fallen und gab seltsame Geräusche von sich, die wie »Wuff! Wuff!« klangen.
Es krabbelte zu Henry, ließ eine Glückwunschkarte vor ihm auf den Boden fallen und begann mit heiserer Stimme zu singen:
»Ich bin dein Geburtstagshündchen,
dein Hündchen für ein Stündchen,
streichel mich, dann werde ich …«
Doch der Gesang brach mit einem gurgelnden Laut ab, denn Henry zerrte am Kopf des vermeintlichen Hundes und schrie: »Aufhören! Raus hier!« Endlich hatte er den Kopf abgerissen und das verschwitzte rote Gesicht des Mannes von der Grußbotschaft-Agentur starrte ihn an.
»Wie können Sie so tun, als wären Sie ein Hund?« Henry trat dem Mann gegen das Schienbein. »Sie sind widerlich. Verschwinden Sie. Gehen Sie weg!«
Doch Alfred Potts, der Mann in dem Hundekostüm, hatte an dieser Vorstellung hart gearbeitet. Er hatte seit einer Stunde keine mehr geraucht und das Bier hatte er sich auch verkneifen müssen, da würde er sich von so einem verzogenen Bengel doch nicht treten lassen!
»Nun halt mal die Luft an«, sagte er und griff nach Henrys Arm. »Deine Mutter wollte dir eine Freude machen und du undankbarer kleiner …«
Aber bevor er den Satz beenden konnte, entwand sich Henry seinem Griff und lief schluchzend aus dem Zimmer.
Und damit war die Party beendet.
Es war bereits sehr spät, als der große Mercedes die Auffahrt hochkam und dann in der Tiefgarage verschwand.
Ein paar Minuten später betrat Donald Fenton das Haus, wo ihn seine Frau bereits erwartete.
»Hast du ein Geschenk für Henry?«, begrüßte sie ihn. »Du hast doch nicht etwa seinen Geburtstag vergessen?«
Donald schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund. Er hatte ihn vergessen. »Ich steckte bis eine Stunde vor Abflug in einem Meeting. Ich hätte fast die Maschine verpasst.«
»Du meine Güte! Er hat die ganze Zeit gefragt, wann du kommst. Dann geh wenigstens hoch und sag ihm Gute Nacht, er ist sehr schlecht drauf.« Und Albina erzählte ihm die Geschichte von dem als Hund verkleideten Mr Potts.
Donald ging langsam die Treppe hinauf. Er hätte Henrys Geburtstag nicht vergessen dürfen, aber er hatte den Tag über nicht eine Minute zum Nachdenken gehabt. Außerdem hatte Albina bestimmt dafür gesorgt, dass der Junge tonnenweise Geschenke bekommen hatte. Als er in Henrys Alter war, war sein einziges Geschenk eine selbst gemachte Angel gewesen.
Henry saß aufrecht in seinem Bett, er hatte die ganze Zeit gewartet. Klein und blass sah er aus, dunkle Schatten lagen unter seinen Augen.
»Ich komme direkt vom Flugplatz«, sagte sein Vater. »Leider hab ich es nicht geschafft, noch ein Geschenk für dich zu besorgen. Aber wir gehen morgen zusammen einkaufen, ich kann früher Schluss machen. Gibt es etwas, das du dir wünschst?«
Henry schüttelte den Kopf. »Das Einzige, das ich mir immer gewünscht habe, ist ein Hund.«
Aber er sagte es völlig teilnahmslos, es war vorbei. Dieser schreckliche Mann, der nach Zigaretten und Bier gestunken hatte, hatte es geschafft, seinen Traum endgültig zu zerstören.
Donald Fenton schaute seinen Sohn nachdenklich an und plötzlich hatte er eine Idee. »In Ordnung, Henry. Wir gehen morgen zusammen los und holen einen. Versprochen.«
Unten hörte Albina Fenton einen Freudenschrei aus Henrys Zimmer.
»Was ist passiert?«, fragte sie ihren Mann, als er die Treppe herunterkam. »Was ist los?«
Donald lächelte, er war sehr zufrieden mit sich.
»Ich hab ihm gesagt, dass wir morgen einen Hund holen.«
»Einen Hund! Du musst verrückt sein, Donald. Ich hab es dir und Henry schon tausendmal gesagt: Ich will nicht, dass mein Haus von einem Tier zerstört wird.«
»Es ist doch nur für das Wochenende, Albina. Länger verleihen sie sie auch nicht.«
»Wer ist ›sie‹? Wovon sprichst du?«
»Die Leute von Rent-a-Dog. Das ist ein Laden, wo man Hunde mieten kann, er ist um die Ecke von meinem Büro. Meine Sekretärin hat mir davon erzählt. Du kannst jeden Hund bekommen, den du willst, für eine Stunde oder einen Tag. Die Leute leihen sie aus, um ihre Freunde damit zu beeindrucken oder um einen Ausflug zu machen. Die Hunde sind sorgfältig ausgewählt, stubenrein und alles.«
»Gut, aber was ist, wenn wir den Hund wieder zurückbringen müssen? Erzählst du Henry, dass es nur für ein Wochenende ist?«
»Lieber Himmel, natürlich nicht! Das ist auch nicht nötig. Wenn der Hund zurückmuss, wird Henry ihn sowieso längst überhaben, du weißt doch, wie schnell Kinder sich mit den Dingen, die man ihnen schenkt, langweilen. Erinnerst du dich an den Space Projektor, den wir ihm zu Weihnachten geschenkt haben? Mit dem hat er auch nur ein paarmal gespielt und das Ding hat uns ein Vermögen gekostet.«
»Hoffentlich hast du recht, ich kann wirklich keinen weiteren Ärger ertragen.«
»Ich habe recht«, sagte Donald bestimmt.
Und selbst wenn nicht, an dem Tag, an dem der Hund zurückgebracht werden musste, würde er schon auf dem Weg nach New York sein.
2. Kapitel