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»Jawohl, Sir, vollkommen. Ich mache mich sofort auf den Weg.«

Sprocket hatte in Todcaster keinen schönen Tag verbracht. Er war die ganze Nacht durchgefahren, und als er schließlich im Zirkus ankam, fand er dort einen sehr wütenden Stallknecht vor.

»Er ist abgehauen«, erzählte er Sprocket. »Muss sich in der Nacht vom Acker gemacht haben, aber er war’s, also will ich auch was von der Belohnung abhaben.«

Danach hatte Sprocket die Leute im Zirkus befragt und alle hatten ihm versichert, der Junge sei zurück zu seiner Tante Elsa gefahren, die ihn hatte holen lassen, weil ihr Schwager im Krankenhaus lag.

Jeder andere an seiner Stelle hätte längst aufgegeben, aber nicht Sprocket. Wie ein Frettchen steckte er seine Nase in alles und erfuhr, dass ein paar Kinder aus einem Waisenhaus im Zirkus gewesen waren und wohl auch mit dem Jungen gesprochen hatten. Also fuhr Sprocket zu Greystoke House und parkte seinen Lieferwagen vor dem Tor.

Er hatte gerade sein Fernglas augepackt und wollte das Heim observieren, als eine Frau an seine Scheibe klopfte und einen Blumenkohl verlangte.

»Bitte einen, der schön knackig ist«, sagte sie. »Aber zu groß sollte er auch nicht sein. Wir sind nur noch zu zweit, jetzt, wo meine Tochter nach London gegangen ist.«

Es war gar nicht einfach, die Frau wieder loszuwerden. Und irgendwie war Sprocket ja auch selbst schuld. Wenn er statt Gemüsehändler als Klempner unterwegs sein würde, wäre das nicht passiert. Aber obwohl er die ganze Nacht gegrübelt hatte, war ihm immer noch kein passender Reim auf Toilette eingefallen.

Doch es sollte noch schlimmer kommen. Als er sich endlich das Fernglas an die Augen hielt und das Heim ins Visier nahm, stürzte eine dicke Frau durchs Tor und fing an, ihn zu beschimpfen.

»Wie können Sie es nur wagen, Sie alter Dreckskerl!«, kreischte sie. »Unschuldige Kinder auszuspionieren! Ich hole gleich die Polizei.«

Sprocket fuhr weg, er war empört! Schließlich war er erst sechsundzwanzig und es schmerzte ihn sehr, als alter Dreckskerl bezeichnet zu werden. Doch dann rief Curzon an und seine Stimmung besserte sich. Er hielt nur kurz an, um seinen Bart zurechtzurücken und eine Straßenkarte zurate zu ziehen, denn die Gebrauchsanweisung für sein neues Navi war dummerweise auf Finnisch. Dann machte er sich auf den Weg nach Hilldale.

Langsam kam Kevin wieder zu Bewusstsein und bemerkte als Erstes, dass seine Hose zerrissen war. Sowohl sein Hinterteil als auch seine Nase schmerzten ganz erbärmlich, aber das Wissen, dass er sehr bald ein reicher Mann sein würde, tröstete ihn ein wenig. Der verfluchte Bengel gab auch endlich Ruhe, aus dem Inneren des Schuppens war jedenfalls nichts mehr zu hören.

In diesem Moment rumpelte ein Lieferwagen auf ihn zu. Kevin rappelte sich verärgert auf. Was dachte sich dieser Trottel von einem Fahrer nur, hier einfach langzufahren? Das war Privatgelände. Aber sein Ärger verflog sofort, als der Fahrer ausstieg und sagte: »Milton Sprocket von Montgomerys Privatdetektei. Sie haben den Jungen?«

»Ich hab den Jungen, aber haben Sie das Geld?«

»Keine Sorge, Sie kriegen Ihr Geld«, sagte Sprocket großzügig. »Sobald ich den Jungen abliefere.«

»Geht klar«, sagte Kevin. »Kommen Sie, er ist in dem Schuppen da drüben. War ein schönes Stück Arbeit, ihn da reinzubekommen.«

»Ist er gewalttätig?«, fragte Sprocket ängstlich. Kinder waren heute viel größer und auch stärker als früher. Das kam von dem ganzen gesunden Essen, das man in sie hineinstopfte.

Kevin warf Sprocket einen verächtlichen Blick zu, schloss auf und öffnete die Tür. Er machte einen Schritt zurück.

Nichts passierte.

»Komm raus, ich weiß, dass du da bist.«

Immer noch kein Laut. Kevin betrat die Hütte – und kam mit hochrotem Kopf wieder heraus. »Er ist abgehauen, der kleine, miese …«

Einige der Schimpfwörter, die Kevin nun benutzte, hatte Sprocket noch nie gehört, obwohl er doch nicht nur Detektiv, sondern auch Dichter war und sich mit Wörtern auskannte.

»Er war da drin«, sagte Kevin, als er endlich aufgehört hatte zu fluchen. »Er war verdammt noch mal da drin!«

»Das glaube ich gern«, sagte Sprocket. »Letzte Nacht hat man ihn in Todcaster gesehen.«

»Ich lass mich doch nicht von so einem Knirps austricksen«, sagte Kevin. »Ich habe einen Kumpel, der wird uns helfen, ihn wieder aufzuspüren. Kommen Sie mit. Sie können Ihren Lieferwagen hierlassen.«

»Wo wollen Sie denn hin?«

»Zu meinem Freund Colin. Er wird Darth und Terminator auf den Jungen ansetzen. Und denen entkommt er nicht, das ist mal sicher.«

Darth und Terminator waren Hunde. Sprocket musste sich das immer wieder vorsagen. Es waren ganz normale Hunde, nicht etwa Monster- oder Höllenhunde aus einem Horrorfilm. Doch als er sah, wie sich die Bestien grollend und geifernd gegen den Drahtzaun ihres Zwingers warfen, mochte er das kaum glauben.

Als Kevin ihm erklärt hatte, dass er sich Colins Spürhunde ausleihen wollte, war Sprocket zwar etwas nervös, aber auch aufgeregt gewesen. Er hatte Bilder von Bluthunden gesehen, sie hatten zerknautschte Gesichter und traurige Augen und konnten jeder menschlichen Spur folgen.

Doch Darth und Terminator hatten weder zerknautschte Gesichter noch traurige Augen. Es waren stämmige Biester mit ausgeprägtem Brustkorb, kurzem grauen Fell, kleinen Ohren und krummen Beinen. Und sie waren bösartig. Sehr bösartig … Man sah deutlich, dass ihre Vorfahren Pitbulls waren, aber es steckte noch anderes, nicht unbedingt friedfertiges Blut in ihnen. Das ganze Tier war perfekt ausgerichtet, alles, was flüchtete, aufzuspüren und zur Strecke zu bringen.

Als Colin die beiden aus ihrem Zwinger holte und sie nach ihren Leinen schnappten, gestattete Sprocket sich eine Frage: »Die Hunde werden dem Jungen doch aber nicht wehtun, oder? Ich glaube nicht, dass die Belohnung bezahlt wird, wenn er irgendwie beschädigt ist.«

»Nee, die sind abgerichtet«, sagte Colin und spuckte auf den Boden. »Sie halten ihn höchstens fest, aber in Stücke reißen tun die ihn erst, wenn ich’s sage.«

Während die furchterregenden Viecher auf einen Pick-up geladen wurden, sagte Kevin zu Sprocket: »Es kennt sich echt keiner besser mit den Hunden aus als Colin.« Sie erreichten Kevins Versteck und die Hunde sprangen vom Wagen. Sprocket gab Colin Henrys Taschentuch und die Hunde schnüffelten um die Hütte herum, dann fingen sie plötzlich aufgeregt an zu bellen und rasten den Hügel hoch.

»Hab’s doch gewusst«, sagte Kevin. »Der ist übers Moor.«

Die nächsten Stunden waren für Sprocket alles andere als angenehm. Er hastete hinter Darth und Terminator her, die wie wild an der Leine zogen. Und während sie das taten, drang gruseliges, halb wahnsinniges Bellen aus ihren Kehlen. Ihm gefror das Blut in den Adern.

»Sind Sie sicher, dass die dem Jungen nichts tun?«, fragte Sprocket von Zeit zu Zeit.

»Wenn sie ihn erst mal haben, sind die lammfromm«, sagte Colin.

Und Sprocket konnte nur wiederholen, dass für einen Jungen, der in Stücke zerteilt zurückkäme, keiner auch nur einen Penny bezahlen würde.

Die Jagd ging weiter. Sie stolperten durch Sumpfgebiete und verwelkten Farn. Das Wetter schlug um, ein scharfer Wind blies vom Meer her, gefolgt von Regentropfen und plötzlich spürte Sprocket die Kälte auch auf seiner Oberlippe und stellte entsetzt fest, dass er unterwegs seinen geliebten Schnauzbart verloren hatte.

Die schrecklichen Bestien ließen sich weder von Wind noch Wetter abhalten, sie stürmten weiter vorwärts.

Und gerade als Sprocket glaubte, er könne keinen einzigen Schritt mehr tun, hielten die Hunde inne, schnüffelten, kreisten … und jagten mit wildem Gekläffe plötzlich in eine andere Richtung davon.

»Sie haben Witterung aufgenommen«, rief Colin über seine Schulter. »Ich lass sie besser laufen.«