Nach kurzem Zögern antwortete sie hastig: »Ich bin mir nicht sicher, was die Syndiks machen werden, aber wenn wir nicht antworten, besteht die Gefahr, dass einige unserer Schiffe von sich aus reagieren. Und wenn erst einmal die Ersten kapitulieren…«
»Verdammt.« Nach allem, was er im Konferenzraum miterlebt hatte, wusste er, dass sie recht hatte. Er konnte nicht schweigen und riskieren, dass einzelne Captains eigenmächtig handelten. »Ich will mit dem Syndik-Commander reden.«
»Privater Kanal, Sir?«
»Nein, ich will, dass jeder das sieht und hört.«
»Wir werden das Syndik-Flaggschiff rufen. Es ist nur ein paar Lichtminuten entfernt.« Desjani gab der Kommunikationsstation ein Zeichen und übermittelte mit einer Geste ihren Befehl. Der angesprochene Matrose nickte und begann an seinem Pult zu arbeiten.
Mehrere Minuten vergingen, dann deutete der Mann nach vorn, wo ein neues Display auftauchte. In dessen Mitte befand sich das vertraute Gesicht des Syndik-CEO, der den Mord an Admiral Bloch und dessen Senioroffizieren angekündigt hatte. » Dauntless? «, fragte er. »Sie waren doch Blochs Flaggschiff, nicht wahr? Können Sie für die gesamte Flotte die Kapitulation erklären?«
Geary setzte sich aufrechter hin und versuchte, sein Temperament zu zügeln, er machte sich aber nicht die Mühe, auch seine Gefühlsregungen zu kaschieren. »Sie reden nicht mit dem Captain der Dauntless, sondern mit dem Befehlshaber der Flotte.«
Das Syndik-Flaggschiff befand sich kurz hinter den führenden Einheiten der feindlichen Flotte, womit der Abstand zur Dauntless fast drei Lichtminuten betrug. Geary fasste seine Antwort so knapp, wie er es vertreten konnte, dann wartete er darauf, dass sie das andere Schiff erreichte. Die unvermeidliche Zeitverzögerung bedeutete, dass seine Flotte umso mehr Zeit gewann, je mehr er diese Unterhaltung in die Länge ziehen konnte.
Drei Minuten von der Dauntless zum feindlichen Flaggschiff, drei Minuten von dort zurück. Knapp sechs Minuten nach Gearys Antwort sah er schließlich, wie der Syndik-CEO die Augen wütend zu-sammenkniff. »Mir ist gleich, wie Sie sich bezeichnen. Ich war aus humanitärer Sorge um das Wohlergehen der Besatzungen sehr großzügig, aber jetzt ist Ihre Zeit abgelaufen. Kapitulieren Sie auf der Stelle, fahren Sie die Schilde herunter und deaktivieren Sie alle offensiven und defensiven Waffensysteme, sonst werden sie vernichtet.«
Geary schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Nein.«
Sechs Minuten später sah er, wie der Syndik-CEO auf die wortkar-ge Erwiderung mit Erstaunen reagierte. »Also gut. Dann wird die Dauntless zerstört. Wenn Sie nichts dagegen einzuwenden haben, werde ich mich an die übrigen Schiffe wenden, von denen sicherlich einige kapitulieren möchten.«
»Die Schiffe dieser Flotte unterstehen meinem Kommando, nicht Ihrem, und sie werden auch unter meinem Kommando kämpfen«, erklärte Geary und versuchte, all die Kälte in seine Stimme zu legen, die ihn noch vor Kurzem erfüllt hatte. Er wusste, dass man seine Erwiderung auf den Schiffen der eigenen Flotte deutlich früher hören würde, als auf dem weiter entfernten feindlichen Flaggschiff, und er konnte nur beten, dass er seine Kommandanten auf diese Weise davon abhalten konnte, eigenmächtig zu kapitulieren und ihr Schicksal in die Hände der Syndiks zu legen. »Die Flotte der Allianz ist nicht geschlagen und sie wird sich nicht ergeben.« Er hoffte, dass in seinen Worten eine Zuversicht mitschwang, die er eigentlich gar nicht verspürte. Solange er zumindest nach außen hin zuversichtlich wirkte, würden weder seine eigenen Leute noch die Syndiks wissen, was in ihm wirklich vorging.
Die Unterhaltung erstreckte sich über nahezu zwanzig Minuten, als Geary bemerkte, wie der Syndik-CEO zur Seite schaute, um offenbar seine eigenen Anzeigen zu überprüfen. »Wie es scheint, werde ich meine Geheimdienstmitarbeiter zur Nachschulung schicken müssen. In meiner Datenbank finde ich keinen Allianz-Offizier, zu dem Sie passen.«
»Sie suchen an der falschen Stelle«, gab Geary zurück und lächelte ihn humorlos an. »Suchen Sie mal unter den verstorbenen Offizieren. Und zwar in den ältesten Akten, die Sie finden können.«
Wieder sechs Minuten später. »Dann sind Sie also tot?« Der CEO schüttelte den Kopf. »Ein alberner Trick und reine Zeitverschwen-dung. Sie werden nirgendwo geführt. Eine Durchsuchung der gesamten Datenbank einschließlich aller Allianz-Offiziere, die je in diesem Krieg gedient haben, ergibt keine Übereinstimmung, weder vollständig noch…« Der Syndik-CEO verstummte. Sein Blick war auf das Display an seiner Seite gerichtet.
Abermals musste Geary lächeln, und diesmal kamen sogar seine Zähne zum Vorschein. »Ich darf annehmen, dass Sie mich gefunden haben. Vor gut einem Jahrhundert.«
Als die Antwort des CEO einging, war dessen Gesicht vor Wut ge-rötet. »Ein simpler, alberner Trick. Wenn Sie meinen, ich sei so dumm, Ihnen das zu glauben, dann täuschen Sie sich. Sie wollen lediglich Zeit schinden. Ich werde keine weitere Verzögerung dulden.«
»Mir ist egal, was Sie glauben.« Danach sprach Geary betont langsam weiter, da er sich nur zu deutlich der Tatsache bewusst war, dass seine eigene Flotte jedes Wort mitbekam. »Ich bin Captain John Geary. Ich habe jetzt das Kommando über die Allianz-Flotte. Wenn Sie etwas wollen, dann reden Sie mit mir, und zwar ausschließlich mit mir. Sie werden mit keinem meiner Schiffe Kontakt aufnehmen.«
Der CEO kochte vor Wut, als seine nächste Antwort eintraf.
»Selbst wenn Sie diese Person wären, könnten Sie nichts mehr unternehmen. Sie sind zahlenmäßig ebenso unterlegen wie im Hinblick auf Ihre Feuerkraft, außerdem ist Ihnen der Rückweg versperrt. Sie haben keine andere Wahl, als sich zu ergeben. Ich wiederhole, ich werde keine weitere Verzögerung dulden. Meine Geduld ist am Ende.«
Geary versuchte, so unbeeindruckt wie möglich dreinzuschauen.
»Ich habe die Syndiks schon einmal geschlagen, und ich kann es wiederholen.« Er wusste genau, was er sagen musste. Seine Worte waren ebenso sehr an seine eigenen Schiffe wie an den Syndik-CEO gerichtet. Vielleicht würde er die Syndiks ins Grübeln bringen, und hoffentlich konnte er gleichzeitig das Selbstbewusstsein seiner Flotte stärken. Zu seinem Erstaunen musste er feststellen, dass ihm die momentane Situation durchaus gefiel. Für die Matrosen der Allianz für den Black Jack Geary gehalten zu werden, war nervenaufreibend gewesen, doch dass er seine eigene Legende nun benutzen konnte, um die Syndiks in Unruhe zu versetzen, das bereitete ihm sogar Vergnügen. »Ein guter Kommandant hat immer noch andere Möglichkeiten in der Hinterhand. Ich wiederhole: Diese Flotte ist nicht geschlagen. Und wenn Sie dumm genug sind, einen Angriff zu unternehmen, dann werden Sie feststellen, wie bereit wir sind, Ihnen kräftig genug in den Hintern zu treten, damit Sie sich im nächsten Sternensystem wiederfinden.« Ihm war nur zu bewusst, dass das nicht stimmte, aber mit einem halbherzigen Bluff würde er erst recht nichts erreichen.
Nach weiteren sechs Minuten war dem Syndik-CEO eine leichte Unsicherheit deutlich anzusehen, auch wenn er sich noch so sehr be-mühte, Arroganz und Selbstsicherheit auszustrahlen. »Das ist Unsinn, und das wissen Sie so gut wie ich. Ihre Situation ist hoffnungslos. Wenn Sie nicht sofort kapitulieren, werden Sie sterben. Diese Unterhaltung ist damit beendet. Ich gehe davon aus, dass Sie mir mit Ihrer Antwort Ihre Kapitulation mitteilen werden.«
Geary ging über das jüngste Ultimatum hinweg. »Tut mir leid, wenn ich Sie enttäuschen muss. Die Syndik-Flotte dachte schon einmal, sie hätte mich umgebracht. Wie kommen Sie darauf, Sie könnten beim zweiten Anlauf mehr Glück haben? Sie dagegen sind noch nie gestorben. Und nachdem ich gesehen habe, was Sie mit Admiral Bloch gemacht haben, wäre es mir ein Vergnügen, Sie zu Ihren Ahnen zu schicken.«