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Geary studierte seine Hände, da er ihr nicht ins Gesicht sehen wollte. »Sagen Sie mir die Wahrheit. Stehen die Syndiks kurz vor dem Sieg?«

»Nein!« Ihre Antwort kam so prompt, dass er es eher für Desjanis Glauben hielt, weniger für eine nüchterne Analyse der Situation.

»Wir allerdings auch nicht«, räumte sie sogleich ein. »Dafür ist das Ganze viel zu kompliziert. Die Entfernungen, die Fähigkeiten jeder Seite, sich von den Verlusten zu erholen und neue Streitkräfte aufzustellen, das Gleichgewicht der Feuerkraft.« Sie seufzte. »Wir befinden uns seit Langem in einer Pattsituation.«

Das ergab einen Sinn, wenn er die von Desjani angeführten Grün-de berücksichtigte. Sowohl die Allianz als auch die Syndikatwelten waren so groß, dass schon ein Jahrhunderte währender Krieg erforderlich war, um überhaupt eine der Seiten schlagen zu können.

»Warum haben die Syndikatwelten eigentlich einen Krieg begonnen, den sie gar nicht gewinnen können?«

Desjani zuckte mit den Schultern. »Sie wissen, wie die sind. Ein Körperschaftsstaat, geführt von Diktatoren, die sich als Diener des Volkes bezeichnen, das sie höchstpersönlich versklaven. Die freien Welten der Allianz waren eine ständige Bedrohung für die Diktatoren der Syndikatwelten, weil sie Beispiele dafür sind, dass eine Volksvertretung und Bürgerrechte mit größerer Sicherheit und mehr Wohlstand einhergehen können, als sich die Syndiks jemals träumen lassen könnten. Darum haben sich die Rift-Föderation und die Callas-Republik in diesem Krieg letztlich auch der Allianz angeschlossen. Würde es den Syndiks gelingen, die Allianz zu zerschlagen, dann wären alle verbliebenen freien Welten als Nächste an der Reihe.«

Geary nickte verstehend. »Die Syndik-Führungsebene war schon immer besorgt, auf einigen der eigenen Welten könnte es zu einer Revolte kommen. Und nur deshalb haben sie uns angegriffen? Weil sie ihre eigene Bevölkerung nur in Schach halten konnten, indem die Allianz statt einer attraktiven Alternative eine Kriegsgefahr darstellte?«

Diesmal legte Desjani die Stirn in Falten, zuckte dann aber wieder mit den Schultern. »Vermutlich ja, Sir. Um ehrlich zu sein, der Krieg begann vor sehr langer Zeit, und ich habe mich mit den genauen Umständen nie eingehend befasst. Was für mich und jeden anderen in der Allianz zählt, ist die Tatsache, dass die Syndiks ohne Provo-kation von unserer Seite einen Angriff auf uns gestartet haben. Genauer gesagt: auf unsere Vorfahren. Wir können nicht zulassen, dass sie daraus einen Nutzen ziehen.«

»Ist ihnen das gelungen?«, fragte er.

»Nicht dass ich wüsste.« Desjani antwortete mit einem triumphie-renden Grinsen, dann wurde sie wieder ernst. »Es erübrigt sich wohl, zu sagen, dass wir auch keinen Nutzen daraus ziehen konnten.«

»Niemand profitiert davon, niemand kann siegen. Warum setzen wir diesem Krieg nicht ein Ende? Warum handeln wir nicht einen Friedensvertrag aus?«

Sie riss den Kopf herum und starrte ihn ungläubig an. »Das können wir nicht machen!«

»Aber wenn keine von beiden Seiten gewinnen kann…«

»Wir können ihnen nicht vertrauen! Die werden sich an keine Vereinbarung halten! Gerade Sie wissen das. Der Angriff, gegen den Sie sich damals so vehement zur Wehr gesetzt haben, war ein Überra-schungsangriff! Ein grundloser Hinterhalt! Nein.« Wutentbrannt schüttelte sie den Kopf. »Verhandlungen mit Kreaturen wie den Vertretern der Syndikatwelten sind unmöglich. Sie müssen besiegt werden, damit sich dieses Übel nicht weiter ausbreiten kann und damit nicht noch mehr Unschuldige ermordet werden. Ganz gleich, wie hoch der Preis ist.«

Wieder schaute er zur Seite und überlegte, was ein Jahrhundert Krieg nicht nur mit der Wirtschaft, sondern auch mit dem Verstand anstellen konnte. Vermutlich hat Desjani recht, dass die genauen Gründe für den Angriff der Syndiks vor einem Jahrhundert heute nicht mehr wichtig sind. Aber ich muss daran denken, das irgendwann einmal nachzule-sen, anstatt den Angriff einfach auf die unmoralische Grundeinstellung der Syndik-Führer zu schieben. Es ist natürlich nicht so, als hätten die Syndiks noch nie unter Beweis gestellt, zu welchen Grausamkeiten sie fähig sind. Admiral Bloch könnte davon ein Lied singen. Aber wenn keine Seite gewinnen kann und auch nicht verhandeln will, dann verdammt das alle – die Guten wie die Schlechten – zu einem ewigen Krieg. Geary sah Desjani an, die ihn mit gelassener Überzeugung musterte. Sie ist sich sicher, dass ich ihre Meinung teile, schließlich bin ich ja der legendäre Black Jack Geary, nicht wahr?

Als hätte sie seine Gedanken gelesen, nickte Captain Desjani in diesem Moment. »Sie sehen also, wie wichtig es ist, dass wir nach Hause zurückkehren. Der Schlag gegen ihr Heimatsystem hätte der entscheidende Moment sein können, um das Pendel zu unserer Seite ausschlagen zu lassen. Es war zwar ein Fehlschlag, aber wenn wir den Hypernet-Schlüssel heimbringen und nachbauen können, dann wird das die Syndiks vor eine ausweglose Situation stellen. Entweder müssen sie das Hypernet abschalten oder damit rechnen, dass wir jederzeit überall auftauchen können.«

Geary reagierte mit einem Nicken. »Und wenn sie ihr Hypernet abschalten, dann kann die Allianz ihre Kräfte viel schneller verlegen, als es den Syndiks möglich wäre. Wir könnten sie Schiff für Schiff zusammenschießen, während sie hinter uns herlaufen und versuchen würden, uns aufzuhalten. Allein in dieser Hinsicht wäre das ein immenser Vorteil. Ich kann mir kaum ausmalen, welchen wirtschaftlichen Nutzen die Allianz daraus ziehen könnte. Warum sind sie das Risiko eingegangen, uns einen ihrer Schlüssel zu geben?«

Desjani verzog das Gesicht. »Aus deren Sicht muss der Plan wohl narrensicher gewesen sein. Sie ködern uns mit einem Schlag gegen ihr Heimatsystem, sie überlassen uns durch einen angeblichen Verräter den Schlüssel, und dann stellen sie uns eine Falle, aus der es kein Entkommen gibt.« Sie begann zu grinsen. »Aber sie wussten nicht, dass wir Sie haben.«

Oh, bei den lebenden Sternen. Aber solange sie diejenige ist, die das Thema anspricht… »Wie haben Sie mich nach so langer Zeit eigentlich gefunden? Warum ist nicht früher jemand auf mich aufmerksam geworden?« Die Fragen waren ihm schon zuvor durch den Kopf gegangen, aber er hatte sich nie um die Antworten bemüht, da er sich nicht mit Ereignissen befassen wollte, die ihn von seiner eigenen Zeit getrennt und mitten zwischen diese vertrauten Fremden geschleudert hatten.

Desjani tippte auf den kleinen Tisch zwischen ihnen und eine Anzeige verschiedener Sternensysteme erwachte zum Leben. »Wussten Sie, dass das geht? Ihre letzte Schlacht… verzeihen Sie, das was wir für Ihre letzte Schlacht gehalten hatten, fand hier statt.« Sie zeigte auf einen unbedeutenden Stern. »Grendel.«

Von einem kurzen Nicken begleitet zog er mit seinem Finger eine Linie, die verschiedene Sterne miteinander verband. »Das war Teil einer Standard-Transitroute. Darum war mein Konvoi dort unterwegs.«

»Ja, aber das System liegt auch in der Nähe des Syndik-Territoriums, weshalb der Konvoi von einer Eskorte begleitet wurde. Richtig?« Geary bejahte ihre Frage, während Desjani auf die Sterne jenseits des Systems zeigte. »Die Syndiks konnten mühelos in das System springen, was sie auch taten, als die Attacke auf Sie erfolgte.«

Einen Moment lang saß sie da und sagte nichts. »Anschließend…

nun, so wie ich das verstanden habe, wurde das System geräumt, aber die Syndiks unternahmen immer wieder Sprünge dorthin, weil sie hofften, noch mehr Schiffe der Allianz zu erwischen. Alles lief dort unter Gefechtsbedingungen ab, und die ständigen Auseinan-dersetzungen hinterließen immer mehr Wracks und Trümmerteile, die im System umhertrieben. Schließlich wurde Grendel komplett aufgegeben, ausgenommen eine Hand voll automatischer Früh-warnsysteme, die uns darüber informierten, ob die Syndiks wieder im Anflug waren. Es war sinnvoller, in Sicherheit durch Beowulf, Caderock und Rescat zu springen, anstatt sich durch Grendel zu wagen.« Abermals zuckte sie mit den Schultern. »Und nachdem das Hypernet eingerichtet worden war, hatte sich sogar das erledigt.«