Sie zuckte mit den Schultern. »Einige haben ihre Ressourcen eingesetzt, um ein Hypernet-Portal zu bekommen, aber gelungen ist das nur wenigen. Einige haben versucht, mit etwas Besonderem aufzu-warten, damit andere sich für ein Portal einsetzten. Auch da sind nur wenige erfolgreich gewesen. Die meisten waren von vornherein nicht wohlhabend genug, und seit der Handel an ihnen vorüber-zieht, geht es weiter bergab mit ihnen. Sie verlieren den Anschluss an die technologische und kulturelle Entwicklung, die über das Hypernet Verbreitung findet. Die intelligentesten Leute aus diesen Systemen streben natürlich danach, in Systeme auszuwandern, die ans Hypernet angeschlossen sind.«
»Ich verstehe.« Ein bisschen so wie ich. Isoliert und hoffnungslos veraltet. Überholt vom Hypernet und von der Geschichte. Ich frage mich, wie einige von diesen Syndik-Systemen reagieren werden, wenn ich mit der Allianz-Flotte hindurchfliegen will. Wenigstens werden sie so wieder Teil der Geschichte sein.
In einer Woche erreichen wir Corvus und werden feststellen, wie es dem System ergangen ist, seit es durch das Hypernet überflüssig geworden ist.
Ich sollte an meiner Ansprache an die Kommandanten arbeiten und weiter beten, dass die Syndiks sich keinen so tückischen Plan ausgedacht haben, der eine Falle für Allianz-Schiffe beinhaltet, denen der Sprung nach Corvus gelingt.
Vier
Die Sonne, die die Menschheit unter dem Namen Corvus kannte, leuchtete vor dem sternenübersäten Schwarz des Normalraums wie ein kleine, helle Münze, als die Allianz-Flotte aus dem Sprung kam.
Geary versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie angespannt er war. Er warf einen Blick auf die Kontrollen in seiner Armlehne und sah dabei, dass seine Hand die Lehne so verkrampft umfasste, dass die Knöchel weiß hervortraten. Geary atmete tief durch und starrte das Display an, als könne sein bloßer Blick die benötigten Informationen hervorrufen.
»Keine Minen«, meldete Captain Desjani.
Als Erwiderung nickte Geary nur knapp. Wäre am Ausgang des Sprungpunkts ein Minenfeld gelegt worden, dann hätten sie es längst auf die harte Tour herausgefunden. Doch er hatte im Gefühl gehabt, dass sie nicht auf Minen stoßen würden. Selbst zu der Zeit, als der Sprung von System zu System die einzige Methode dargestellt hatte, um zu den Sternen zu reisen, wurden nur wenige Sprungpunkte durch Minenfelder gesichert, weil sie für eigene Schiffe genauso gefährlich waren wie für feindliche. Und so wie die Allianz würden auch die Syndiks keine Ressourcen tief innerhalb des eigenen Territoriums vergeuden.
Das war allerdings auch das einzig Positive, das Geary der Tatsache abgewinnen konnte, dass sie sich so tief im Syndik-Gebiet aufhielten.
»Erste Scans können keinen Schiffsverkehr in der näheren Umgebung feststellen«, ließ ihn ein Wachhabender wissen.
Wieder nickte Geary. Diese Meldung hatte nicht viel zu bedeuten.
Sie hatten gut eine Milliarde Kilometer von Corvus entfernt den Sprungpunkt verlassen, aber Geary rechnete schon lange nicht mehr in Kilometern, wenn es um die Navigation im All ging. Vielmehr achtete er auf die Anzeige der Lichtentfernung, die eine Strecke von achteinhalb Lichtstunden zum Stern nannte. Wenn die sehr alten Aufzeichnungen zutrafen, auf die sie sich verlassen mussten, dann kreiste eine bewohnte Welt in einer Entfernung von 1,2 Lichtstunden um den Stern namens Corvus. Das wiederum bedeutete, dass alles, was sie jetzt sehen und analysieren konnten, bereits vor über sieben Stunden geschehen war.
Von der bewohnten Welt abgesehen besaß Corvus drei weitere Trabanten, die den Namen Planet verdienten. Einer davon war ein zerklüfteter Felsblock, der in einer Entfernung von etwas weniger als einer Lichtstunde in einem leicht exzentrischen Orbit um den Stern kreiste. Der zweite war ein rund sechs Lichtstunden entfernter Gasriese. Der äußerste Planet war ein Eisklumpen in einem Orbit, der nur eine halbe Stunde vom Sprungpunkt entfernt seine Bahnen zog.
»Captain Desjani.« Sie drehte sich zu ihm um. »Es gehörte zur Routine, dass die Syndiks Verteidigungsbasen in der Nähe von Sprungpunkten unterhielten, so wie wir auch. Wenn ich das richtig verstanden habe, sind etliche dieser Syndik-Basen immer noch im Dienst.«
Desjani machte eine nachdenkliche Miene. »Wir gehen immer davon aus, dass die alten Basen weiter aktiv bleiben. Wenn ein Hypernet-Portal gebaut wird, dann richtet man auch eine neue Verteidigungsanlage ein. Aber bei Sternen ohne Anschluss ans Hypernet ist die Allianz der Ansicht, wenn eine Verteidigungsbasis im System bleiben soll, dann rechnet es sich nicht, sie zu verlagern. Die Syndiks scheinen nach dem gleichen Prinzip vorzugehen.«
»Das erscheint sinnvoll. Warum sollte man auch Geld zum Fenster rauswerfen? Die Frage ist nur, ob sie sich die Mühe gemacht haben, so tief in ihrem eigenen Territorium eine Basis beizubehalten.« Er rieb sich die Stirn und betrachtete das Display, wo eine sich langsam ausdehnende Sphäre den Bereich rund um die Flotte kennzeichnete, der ein Echtzeitbild erlaubte. Die Sphäre wirkte immer noch lach-haft winzig, wenn man sie mit der Größe des Systems verglich, in das sie eingefallen waren. Zum Glück würde sie aber schon bald den Orbit der Eiswelt erfassen. »Wenn sie noch eine Basis haben, dann wird sie sich dort befinden«, sprach er seinen Gedanken laut aus.
Captain Desjani nickte. »Das werden wir bald wissen. Erste optische und Spektralscans zeigen Anlagen an, die Wärme abgeben, also ist da immer noch etwas aktiv. Aber wir haben noch zu wenig Daten. Sicher ist nur, dass sich keine große Streitmacht in unserer Nähe befindet. Selbst bei der Zeitverzögerung, mit der die Informationen eingehen, hätten wir da längst irgendwelche Anzeichen entdecken müssen.«
Dank sei den Vorfahren für die nicht ganz so kleinen Segnungen, dachte Geary respektlos. Im System schienen nur wenige Schiffe unterwegs zu sein. Beim Sprungende hatte Geary unwillkürlich damit gerechnet, auf den üblichen Sprungverkehr zu stoßen, stattdessen jedoch konnte er keine interstellaren Schiffe entdecken, die auf dem Weg zu einem der Sprungpunkte waren. Der wenige Schiffsverkehr spielte sich zwischen dem bewohnten Planeten und mutmaßlichen Minen und Produktionsanlagen auf dem inneren Planeten ab. Wo zum Teufel sind sie alle? , fragte sich Geary, obwohl er wusste, dass »sie alle«
dank des Hypernets nicht mehr durch dieses System fliegen mussten.
Er tippte zielsicher auf die Kommunikationstaste, nachdem er sich während des Sprungs nach Corvus gründlich mit den Funktions-weisen seiner Kontrollen beschäftigt hatte. »Captain Duellos, Captain Tulev, hier spricht Captain Geary. Sie werden mit dem Zweiten und Vierten Schlachtkreuzergeschwader eine Position einnehmen, um den Sprungpunkt zu sichern. Wenn Syndik-Streitkräfte auftauchen, die uns verfolgen, müssen sie vernichtet werden, bevor sie Sie passieren können.«
Geary konnte aus dem schlichten »Roger«, mit dem die beiden den Befehl bestätigten, die Vorfreude auf ein einseitiges Gemetzel heraushören. Auf seinem Scanner beobachtete Geary, wie die beiden Geschwader beidrehten und zum Sprungpunkt zurückkehrten. Die Schlachtkreuzer konnten für ihre Größe recht gut beschleunigen, doch da man bei ihnen mehr Wert auf ein leistungsfähiges Antriebssystem gelegt hatte, waren die Schutzschilde dieser Schiffe deutlich schwächer als bei anderen Fahrzeugen. Er würde sie lange genug auf dieser Position halten, um alle Syndik-Schiffe zu zerstören, die der Allianz-Flotte auf den Fersen waren, aber sie sollten nicht dort zurückgelassen werden, während der Rest der Flotte weiterflog. Es war nur eine Frage des Timings, und sieben große Kriegsschiffe und deren Besatzungen bauten alle darauf, dass Geary in der Lage war, dieses Timing genau richtig abzustimmen.
Minen! Warum habe ich nicht früher daran gedacht? Mir ist doch gleich, wie sehr der Schiffsverkehr der Syndiks dadurch beeinträchtigt wird.