Möchte wissen, was unsere Verfolger von dem kleinen Schauspiel halten.
Geary überprüfte deren Position. Sie werden es erst in zwei Stunden sehen, also dauert es noch mal mindestens acht Stunden, bis wir ihre Reaktion erleben werden. Allerdings werden sie sowieso nicht viel mehr unternehmen können, als uns Beleidigungen an den Kopf zu werfen.
»Warum hat man uns bloß nicht noch mal zur Kapitulation aufgefordert?«, wunderte sich Desjani, als hätte sie Gearys letzten Gedanken lesen können. »Die Syndik-Flotte hatte genug Zeit, uns noch einmal zur Aufgabe aufzufordern.«
»Gute Frage. Es würde schließlich nicht schaden, die Forderung zu wiederholen. Aber vielleicht wollen sie uns keine Gelegenheit mehr geben zu kapitulieren.«
Desjani lächelte schief. »Bei allem Respekt, Sir, glaube ich, die Syndiks haben niemals ernsthaft die Absicht verfolgt, uns tatsächlich die Möglichkeit einer Kapitulation zuzugestehen. Ganz gleich, welche Bedingungen sie genannt und was wir davon akzeptiert hätten, es wäre so oder so bedeutungslos gewesen.«
»Nach dem zu urteilen, wie sie mit Admiral Bloch und seinen Be-gleitern im Heimatsystem der Syndiks umgegangen sind, muss ich Ihnen in dem Punkt zustimmen.«
»Ich dachte auch an das, was sich in diesem System abgespielt hat.«
»Ein weiteres gutes Beispiel, Captain. Sie haben völlig recht.« Geary kratzte sich hinter dem Ohr. »Aber wenn sie niemals vorhatten, sich an irgendwelche Kapitulationsbedingungen zu halten, was hätten sie dann schon zu verlieren, wenn sie Angebote machen oder Forderungen stellen?«
Die Antwort auf diese Frage bekam er von Co-Präsidentin Rione.
»Sie wollen keine Schwäche erkennen lassen, indem sie Forderungen stellen, die sie nicht durchsetzen können.«
Geary schaute über die Schulter zu Rione, die sich auf den Beobachterplatz gesetzt hatte. »Es tut mir leid, Madam Co-Präsidentin, aber ich wusste nicht, dass Sie auf die Brücke gekommen waren.«
»Ich kam her, als die Handelsschiffe den bewohnten Planeten erreichten, Captain Geary.« Ein düsterer Ausdruck huschte über ihr Gesicht. »Wie ich hörte, wurde gegen die von mir ausgehandelte Vereinbarung verstoßen.«
»Das könnte man so sagen«, erwiderte Desjani tonlos.
»Aber es ist nicht Ihre Schuld«, ergänzte Geary und warf Desjani einen Seitenblick zu.
»Dennoch möchte ich mich entschuldigen.« Rione deutete mit einem Nicken auf die Displays vor den Plätzen von Geary und Desjani. »Wie ich bereits sagte, können die Befehlshaber der Syndikatwelten nicht weiter unsere Kapitulation verlangen. Es ist eine politische Frage und eine Frage des Images. Diese Flotte ist einer Falle entkommen, die ihr im Heimatsystem des Syndikats gestellt wurde, sie durchquert das Corvus-System, ohne sich von ihrem Weg abbringen zu lassen, und räumt alle Hindernisse aus dem Weg. Es wächst der Eindruck, dass die Befehlshaber des Syndikats uns nicht aufhalten können. Unter diesen Umständen müssen sie uns entweder vernichten oder uns zur Kapitulation zwingen, weil sie nur so ihre Macht unter Beweis stellen können.«
Geary rieb sich über die Wangen und dachte über Riones Worte nach. »Das klingt sehr plausibel.« Er sah zu Desjani, die widerstrebend nickte. »Es könnte noch einen anderen Grund geben. Ich möchte wetten, der Befehlshaber der Verfolgerflotte weiß, dass bei Yuon ein großes Empfangskomitee auf uns wartet. Er geht davon aus, dass er uns in den Rücken fallen und uns erledigen kann, wenn wir Yuon erreichen und versuchen, uns den Weg freizukämpfen. Er will uns also keine Möglichkeit bieten, dass wir uns ergeben, weil er sich bereits als der große Held von Yuon sieht.«
»Das ist ebenfalls durchaus denkbar«, stimmte Rione ihm zu.
Wieder betrachtete er das Display und veränderte die Darstellung so, dass fast das gesamte Sternensystem angezeigt wurde. Die Allianz-Flotte und die Verfolger waren auf winzige Punkte reduziert worden, die von einem Sprungpunkt zum nächsten krochen. Die Schiffe der Allianz hatten das System inzwischen fast durchquert und waren noch einen Tag von ihrem Sprung in die erhoffte Sicherheit des Kaliban-Systems entfernt. Da fällt mir ein, ich habe noch was zu erledigen. »Ich bin in meiner Kabine.«
Geary eilte an Rione vorbei, die das Misstrauen in ihrem Blick nur mit Mühe überspielen konnte. Nachdem er in seiner Kabine war, rief er die Liste mit den Namen auf, die ihm Captain Duellos gegeben hatte, und suchte nach einem neuen Commander für die Arrogant. Er hatte geschworen, dass Captain Vebos nicht länger dieses Schiff befehligen würde, wenn sie Corvus verließen, und das wollte er auch einhalten.
In der gesamten Flotte gab es mehr als genug Kandidaten für den Posten, aber Duellos hatte sich sogar die Mühe gemacht, einzelne Namen hervorzuheben. Geary ging sie durch, verglich sie mit ihrer Dienstakte und seiner Erinnerung an sie – sofern er sich überhaupt an sie erinnern konnte –, und dabei erkannte er, dass es sich um Frauen und Männer handelte, die ihre Arbeit gut machten, die jedoch nicht zu den Verehrern von Black Jack Geary gehörten.
Einer fiel ihm besonders ins Auge: Commander Hatherian, gegenwärtig Waffenoffizier der Orion. Einer von Numos’ Offizieren, was ihn in Gearys Augen sofort verdächtig gemacht hätte, denn aus seiner Erfahrung wusste er, dass sich Männer wie Numos gern mit solche Untergebenen umgaben, die zumindest bereit waren so zu tun, als sei ihr Boss der strahlendste Stern am Firmament. Aber Duellos war der Ansicht, Hatherian sei es wert, in Erwägung gezogen zu werden. Hatherians letzter Tauglichkeitsbericht von Numos war gut, jedoch nicht überragend ausgefallen. Er war offensichtlich keiner von Numos’ Lieblingen.
Hmmm, Hatherian ist ein Commander, Vebos ebenfalls. Ich hatte überlegt, was ich mit Vebos machen sollte.
Geary verfasste mit großer Sorgfalt einige Nachrichten, machte sie versandfertig und kehrte auf die Brücke zurück. Rione saß noch auf ihrem Platz, aber sie und Desjani schienen sich gegenseitig zu ignorieren. »Ich schicke Befehle an die Arrogant und die Orion«, teilte er Desjani mit.
»Ja, Sir.« Es war nicht zu übersehen, dass sie sich fragte, warum er sie das wissen ließ, dennoch las sie die Mitteilungen vor ihrem Versand und bemühte sich, eine neutrale Miene zu wahren. »Rechnen Sie mit Schwierigkeiten bei der Ausführung dieser Befehle?«
»Nicht vonseiten der Orion.« Wenn er Numos richtig einschätzte, dann hielt sich der Mann für eine Führungspersönlichkeit, die auf ihre Untergebenen inspirierend wirkte. Selbst wenn Captain Numos keine allzu hohe Meinung von Commander Hatherian hatte, würde er wohl davon ausgehen, dass Hatherians Loyalität in erster Linie Numos galt, nicht Geary. Da Geary aber unter Leuten von Numos’Schlag gedient hatte, wusste er, das war oftmals nicht der Fall. Vielmehr wurde es mit großer Erleichterung zur Kenntnis genommen, einem solchen Vorgesetzten zu entrinnen, und die Loyalität ihm gegenüber hielt sich in sehr engen Grenzen, sofern sie überhaupt existierte.
Geary setzte sich auf seinen Platz und wartete.
Keine Stunde später verließ ein Shuttle die Orion und flog in Richtung Arrogant. Desjani nahm einige Berechnungen vor. »Das Shuttle wird ungefähr zwei Stunden bis zur Arrogant benötigen.«
»Ich bin bald zurück«, erklärte Geary, verließ abermals die Brücke und zwang sich, erneut die Messe aufzusuchen, um scheinbar eine weitere Mahlzeit zu genießen und so zu tun, als sei die Rückkehr ins Allianz-Territorium eine sichere Sache. Anschließend versuchte er vergeblich, sich eine Weile auszuruhen, ehe er auf die Brücke zu-rückkehrte.