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Ihm entging der verwirrte Ausdruck in ihren Augen nicht.

»Warum also, Sir? Diese Leute hatten vor, viele unserer Matrosen zu töten und einige unserer Schiffe zu zerstören oder wenigstens unbrauchbar zu machen, indem sie sich als Zivilisten getarnt an uns heranschlichen. Warum ließen Sie Gnade walten?«

»Eine berechtigte Frage.« Er seufzte und deutete auf die Sternenlandschaft, die immer noch an einem Schott zu sehen war. »Ich könnte erwidern, dass es manchmal gut für die Seele ist, wenn man Gnade walten lässt, auch wenn die nicht erforderlich ist oder nicht erwartet wird. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber meine Seele braucht alle Hilfe, die sie bekommen kann.« Desjani sah ihn einen Moment lang irritiert an, dann jedoch begann sie zu lächeln, als sei sie zu dem Schluss gekommen, er müsse wohl scherzen. »Ich hatte einige sehr praktische Gründe, diese Leute am Leben zu lassen.«

»Praktische Gründe?« Sie sah von Geary zur Sternenlandschaft.

»Ja.« Geary beugte sich vor und zeigte auf die dargestellten Sterne.

»Was hier passiert ist, darüber wird man früher oder später in jedem anderen Syndik-System reden. Oh, natürlich wird es eine offizielle Version geben, in der man behauptet, dass die Allianz-Flotte vorhatte, jede Stadt im Corvus-System in Schutt und Asche zu legen, und dass nur die tapferen Syndiks uns davon abhalten konnten. Irgendein Unsinn in dieser Art wird auf jeden Fall behauptet, ganz egal was wir machen.

Aber nicht mal die Syndiks können verhindern, dass sich inoffizielle Meldungen herumsprechen. Was ist, wenn man auf Syndik-Welten in anderen Systemen Gerüchte zu hören bekommt? Dass wir überhaupt keine Stadt bombardiert haben? Natürlich könnten sie denken, dass wir keine Zeit dafür hatten. Aber sie werden auch erfahren, dass wir gut mit ihren Leuten umgegangen sind, als wir sie zu unseren Gefangenen machten. Obwohl wir die Macht hatten, alles zu tun, was uns in den Sinn kam, behandelten wir jeden Syndik in unserer Gewalt mit Respekt.«

Desjani machte keinen Hehl aus ihren Zweifeln. »Das wird die Syndiks nicht kümmern. Die werden es vermutlich als ein Zeichen von Schwäche auslegen.«

»Werden sie das machen?« Geary zuckte mit den Schultern. »Es wäre möglich. Und genauso kann es sein, dass jede unserer Handlungen als ein Zeichen von Schwäche ausgelegt wird. Ich erinnere mich, dass man mir sagte, die Misshandlung von Gefangenen erwecke den Eindruck, wir seien nicht stark genug, um uns an die Spiel-regeln zu halten. Wir hätten Angst, einen möglichen Vorteil auszu-nutzen.«

»Tatsächlich?« Desjani sah ihn überrascht an.

»O ja.« Seine Gedanken begannen durch Raum und Zeit zu schweifen, zurück an einen Ort und eine Strafpredigt. »Damals brachte man mir bei, wenn man sich an die Regeln hält, vermittelt das ein Gefühl von Stärke und Zuversicht. Ich nehme an, darüber lässt sich streiten. Mit Blick auf die gegenwärtige Situation heißt das, dass als Folge davon vielleicht irgendjemand irgendwo einen Gefangenen der Allianz besser behandeln wird. Und was unmittelbar für uns noch viel wichtiger ist: Jemand, mit dem wir uns ein Gefecht liefern, wird daraufhin keine Angst haben, sich zu ergeben, anstatt bis zum Tod zu kämpfen. Man wird hören, dass wir Kämpfer gut behandelt haben, die kapitulierten, dass wir es vermieden haben, Zivilisten Schaden zuzufügen, und dass wir im Corvus-System keine Spur der Verwüstung hinterlassen haben, obwohl man uns provo-ziert hat. Wir haben uns nur unmittelbar gegen die zur Wehr gesetzt, die uns in einen Hinterhalt locken wollten. Irgendwann und irgendwo wird sich vielleicht jemand, von dem wir etwas benötigen, an diese Dinge erinnern.«

Wieder schaute Desjani ihn zweifelnd an. »Ich kann nachvollziehen, inwieweit uns das weiterhelfen könnte, wenn wir das nächste Mal ein Syndik-System durchfliegen und wiederum Vorräte benötigen. Aber wir haben es auch dann wieder mit den Syndiks zu tun, Captain Geary, und die werden ihre Vorgehensweise nicht verändern, nur weil wir uns anders verhalten.«

»Meinen Sie? Ich vermute, ihre Führer werden sich nicht ändern.

Unter uns gesagt, ich verabscheue die Syndik-Führer, die ich bislang kennengelernt habe.« Desjani grinste ihn an, da Gearys Äußerung sie zweifellos in ihrem Glauben bestärkte. »Aber ich bin mir sicher, niemand, der von dieser Flotte hört oder sie sieht, wird sie für schwach halten. Man wird wissen, dass wir gewisse Dinge nicht getan haben, obwohl wir dazu in der Lage gewesen wären.« Geary betrachtete die Sterne und spürte wieder die Kälte, als er daran dachte, dass die Zeit und die Ereignisse von einem Jahrhundert zwischen ihm und Desjani lagen. »Die Vorfahren mögen mir beistehen, Tanya, aber die Syndik-Bevölkerung setzt sich auch aus Menschen zusammen. Die müssen ebenfalls den Druck spüren, den dieser Krieg auf sie ausübt. Sie werden gleichermaßen genug davon haben, ihre Söh-ne und Töchter, ihre Ehemänner und Ehefrauen in einen anschei-nend unendlichen Krieg zu schicken.« Er sah Desjani an. »Seien wir doch ehrlich. Wir haben nicht viel zu verlieren, wenn wir den durchschnittlichen Syndik wissen lassen, dass wir ihn gut behandeln werden.«

»Und was ist mit den Fanatikern, die für ihre Sache zu sterben bereit sind? Ganz bestimmt werden die einen neuen Versuch unternehmen.«

»Das mag sein«, stimmte Geary ihr zu. »Aber sie sind losgezogen und haben einen glorreichen Tod erwartet. Stattdessen kehrten sie bewusstlos nach Hause zurück, und ihre Schiffe zerstörten ihre eigenen Orbitalbasen. Das hat nichts Glorreiches. Einigen von ihnen hat es sogar den Tod aus den eigenen Reihen eingebracht. Vielleicht bewirkt das, dass die nächste Runde an Selbstmordkandidaten nicht mehr so enthusiastisch ans Werk geht. Wenn jemand zum Sterben bereit ist, dann hilft es ihren Absichten, wenn man sie tötet. Ich werde ihnen den Wunsch erfüllen, wenn es unbedingt sein muss, doch dann geschieht es zu meinen Bedingungen. Ich möchte nicht, dass sich irgendwer von ihrem Tod inspiriert fühlt.«

Desjani lächelte flüchtig. »Sie haben den Plan der Syndiks vereitelt, einen Schlag gegen unsere Flotte zu führen, und Sie haben einigen Fanatikern einen Strich durch die Rechnung gemacht, die bereit waren, für ihre Sache zu sterben. Keiner von ihnen hat sein Ziel erreicht.«

»Richtig.« Abermals schaute Geary die Sterne an und fragte sich, wo sich der Großteil der Syndik-Streitkräfte derzeit befand und wohin er unterwegs war, um die Allianz-Flotte ausfindig zu machen und zu vernichten. »Wenn sie unbedingt von uns getötet werden wollen, dann müssen sie auf die nächste günstige Gelegenheit warten. Und wenn es so weit ist, werden wir ihnen den Wunsch erfüllen. Zu unseren Bedingungen.«

Acht

Nichts.

Sie verließen den Sprungraum in höchster Alarmbereitschaft und waren auf das Schlimmste gefasst. Sie rechneten mit einem Minen-gürtel, hinter dem eine feuerbereite Syndik-Flotte auf sie wartete.

Eine Flotte, durch die sie sich einen Weg würden freischießen müssen, wenn sie den nächsten Tag erleben wollten. Aber die nervösen Suchaktionen der Zielerfassungssysteme fanden nur leeren Raum.

Selbst die besten Instrumente der Allianz-Schiffe konnten im Kaliban-System kein Leben registrieren. Nichts Lebendiges, das sie hätten sehen können, kein Raumschiff, nicht einmal einen Funken Wär-me, der von einem einzelnen Ausrüstungsgegenstand im Stand-by-Betrieb abgegeben wurde. Früher hatte es hier einmal eine Bevölkerung gegeben, doch jetzt war das ganze System kalt und totenstill.

»Keine Minen, die Vorfahren seien gelobt«, rief Captain Desjani.

»Das heißt, mit unserer Ankunft hat hier niemand gerechnet. Sie haben sie überlistet, Captain Geary.«

»Das würde ich auch sagen.« Jetzt keine falsche Bescheidenheit. Wir sind hergekommen, weil ich das entschieden habe. Und zwar ausschließlich, weil ich das entschieden habe. »Kaliban hat aber nicht allzu viel zu bieten, nicht wahr?«