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Zum ersten Mal meldete sich Commander Cresida von der Furious zu Wort. »Das ist richtig, doch ich glaube, wir haben jetzt jemanden in unserer Mitte, der weiß, wie das geht. Der das vor langer Zeit gelernt hat.« Mit einem finsteren Lächeln auf den Lippen sah sie zu Geary.

Er konnte mitverfolgen, wie es nach und nach allen Anwesenden dämmerte. Sogar Numos und Faresa schienen nicht zu wissen, wie sie darauf kontern sollten. Die Gelegenheit muss ich nutzen. »Wir können das hinbekommen. Es wird einiges an Arbeit bedeuten. Wir werden Simulationen durchspielen und Übungen durchführen, solange wir in diesem System sind. Wir werden üben, wie Flotten aufeinandertreffen. Ja, ich kenne da ein paar Tricks, die offenbar nicht bis heute überlebt haben. Ich kann sie Ihnen zeigen und vermitteln, und damit werden wir die Syndiks völlig unvorbereitet treffen.«

Obwohl einige Anwesende skeptisch dreinblickten, schien der größte Teil der Befehlshaber erleichtert und interessiert zu sein.

»Wir werden Formationen, Gefechtssituationen und Manöver üben.« Beim Begriff »Gefechtssituationen« wurden noch mehr Offiziere hellhörig, als würde Gearys Interesse an der Vorbereitung auf mögliche Gefechte ihnen einige ihrer Sorgen nehmen. »Ich werde einen Zeitplan aufstellen«, fuhr er fort. »Es wird anstrengend werden, weil ich nicht weiß, wie viel Zeit uns zum Üben bleibt. Irgendwelche Fragen?«

»Wohin werden wir von hier aus weiterfliegen?«, wollte Captain Tulev wissen.

»Das ist noch nicht entschieden. Wie Sie wissen, stehen verschiedene Möglichkeiten zur Auswahl.«

»Dann sind Sie nicht darauf aus, Kaliban möglichst schnell zu verlassen?« Tulevs Blick verriet, dass er genau wusste, wie Geary darauf antworten würde.

Geary reagierte mit einem flüchtigen Lächeln und dankbar, dass Tulev ihm die Gelegenheit für eine klare Antwort gegeben hatte.

»Wir werden Kaliban verlassen, wenn wir uns dazu bereit fühlen, Captain.«

Verhaltener Jubel machte sich breit, als die meisten Commander seinen Überlegungen zustimmten. Geary saß weiter lächelnd da, während er immense Erleichterung verspürte, weil er diesen Männern und Frauen klargemacht hatte, dass sie noch eine Menge lernen mussten, ohne dabei zugleich ihren Stolz auf sich selbst und ihre Fähigkeiten zu verletzen. »Das wäre dann alles. Ich werde einen Trai-ningsplan ausarbeiten und ihn an alle Schiffe übermitteln, sobald er fertig ist.«

Captain Desjani stand auf, nickte Geary zu und verließ hastig den Raum, wobei sie auf ihrem Datenpad nachsah, welche Entscheidungen zu treffen und welche Befehle zu erteilen waren. Die Darstellun-gen der anderen Commander lösten sich rasch auf, da sie zu ihren Untergebenen wollten, um ihnen das Ergebnis der Besprechung mitzuteilen. Geary konzentrierte sich auf einen Offizier und hob die Hand, um ihn aufzuhalten. »Captain Duellos, ich würde gern mit Ihnen unter vier Augen reden.«

Duellos nickte bestätigend, dann »kam« sein Bild auf Geary zu, während die anderen Offiziere sich wie ein Schwarm Seifenblasen auflösten und der Raum wieder seine wirkliche Größe annahm. »Ja, Captain Geary?«

Geary rieb sich das Genick und überlegte, wie er seine Frage am besten stellen sollte. »Ich würde gern Ihre Meinung zu etwas wissen.

Während der Besprechung ging es um Stolz und um unsere Weigerung, bei Corvus die Syndiks anzugreifen. Wie denken Sie darüber?«

Duellos legte den Kopf schräg und musterte Geary. »Sie legen Wert auf meine persönliche Meinung? Ich kann nicht für mich in Anspruch nehmen, dass ich die Meinung jedes Captains der Flotte repräsentiere.«

»Das weiß ich. Ich möchte gern wissen, was Sie denken und was Ihrer Meinung nach die anderen denken.«

»Wie Sie wünschen.« Duellos zog einen Mundwinkel hoch.

»Ich habe verstanden, was Sie über das Thema Stolz gesagt haben.

Aber Sie sollten auch wissen, dass Stolz einer der Grundpfeiler der Flotte ist.«

»Ich habe nie gesagt, sie sollten keinen Stolz empfinden!« Geary erhob aufgebracht beide Arme.

Diesmal zuckten beide Mundwinkel nach oben, als versuche Duellos, der Situation etwas Amüsantes abzugewinnen. »Nein, aber die Bedeutung, die Stolz für uns hat, kann nicht außer Acht gelassen werden. Es gab Zeiten, Captain Geary, da war unser Stolz das Einzige, was uns weitermachen ließ.«

Mit einem Kopfschütteln sah Geary zur Seite. »Ich habe viel zu großen Respekt vor Ihnen und möchte nicht glauben, dass leerer Stolz das Einzige ist, was Sie motivieren kann. Ich glaube, was Sie als Stolz bezeichnen, ist mehr als nur das. Vielleicht der Glaube an Sie selbst. Oder Beharrlichkeit im Angesicht einer drohenden Niederlage. Das sind Dinge, auf die man stolz sein kann. Aber das ist nicht das Gleiche wie stolz zu sein.«

Duellos seufzte. »Ich fürchte, uns ist die Fähigkeit abhandenge-kommen, solche Dinge zu unterscheiden. Irgendwo auf dem Weg von Ihrer Zeit zu unserer haben wir das wohl verloren. Der Krieg verzerrt die Dinge, und der menschliche Geist ist nur eines der Dinge, die er verzerrt und verdreht.«

»Dann sind Sie auch der Meinung, wir hätten bei Corvus die Syndiks angreifen sollen?«

»Nein, auf gar keinen Fall. Das wäre aus den von Ihnen dargeleg-ten Gründen eine Dummheit gewesen. Aber…« Er zögerte. »Darf ich ganz offen sprechen?«

»Natürlich. Ich habe mich an Sie gewandt, weil ich darauf baue, dass Sie mir die Wahrheit sagen.«

Wieder ließ Duellos ein sehr kurzes, knappes Lächeln erkennen.

»Ich kann nicht behaupten, dass ich immer weiß, was die Wahrheit ist. Ich kann Ihnen nur sagen, was ich für die Wahrheit halte. Sie müssen wissen, dass zwar die meisten befehlshabenden Offiziere mit Leib und Seele an Black Jack Geary glauben, dass sich jedoch viele fragen, ob Sie immer noch dieser Mann sind. Einen Augenblick«, fügte er rasch hinzu, da Geary zu einer Erwiderung ansetzen wollte. »Mir ist klar, dass Sie nie dieser Mann waren. Aber diese Leute suchen in Ihren Entscheidungen nach den Eigenschaften von Black Jack Geary.«

Geary dachte einen Moment lang darüber nach. »Und wenn sie nichts von dem finden, was sie für Black Jacks Eigenschaften halten?«

»Dann werden sie Ihre Befähigung infrage stellen, weiterhin diese Flotte zu befehligen«, antwortete Duellos geradeheraus. »Seit Sie das Kommando übernommen haben, werden Gerüchte verbreitet, Sie seien eine leere Hülle, ein Mann, der von der langen Zeit im künstlichen Tiefschlaf Schaden davongetragen hat, ein leeres, verbrauchtes Überbleibsel eines großen Helden. Wenn der Eindruck entsteht, Ihnen fehle es an dem Willen, sich dem Feind zu stellen, dann gibt das nur den Gerüchten zusätzliche Nahrung, dass Ihre Seele Ihren Körper verlassen hat.«

»Zum Teufel.« Mit beiden Händen rieb sich Geary übers Gesicht.

So sehr er es auch hasste, für eine Legende gehalten zu werden, schien es keine Spur besser zu sein, wenn man ihn als seelenlosen Zom-bie bezeichnete. Zumal ein solches Etikett seiner Kommandofähigkeit ernsthaften Schaden zufügen konnte. »Widerspricht jemand diesen Gerüchten?«

»Selbstverständlich, Sir. Aber Widerworte von jemandem wie mir bewirken nichts bei den Leuten, die an Ihnen zweifeln. Diejenigen, die in der Lage sind, ihre Meinung zu ändern, warten auf Taten von Ihnen.«

Wieder hob er aufgebracht die Hände hoch. »Ich kann das nicht prinzipiell abtun, nicht wahr? Ich werde Sie nicht fragen, wer diese Gerüchte verbreitet, weil Sie es mir bestimmt nicht sagen werden.

Captain Duellos, ich habe dieses Kommando übernommen, um die Flotte nach Hause zu bringen. Wenn mir das gelingt, ohne mich in schwere Raumschlachten verstricken zu lassen, dann wird das bedeuten, dass ich es geschafft habe, ohne ein weiteres Schiff zu verlieren.«

Sekundenlang betrachtete Duellos ihn. »Captain Geary, die Flotte nach Hause zu bringen, kann nicht der Selbstzweck sein. Ich will nicht abstreiten, dass es von großer Wichtigkeit ist, doch diese Flotte existiert, um zu kämpfen. Die Syndiks müssen geschlagen werden, wenn dieser Krieg ein Ende nehmen soll. Jeder Verlust, den wir ihnen auf unserem Heimweg zufügen können, wird für die Allianz von Nutzen sein. Und früher oder später wird sich diese Flotte wieder den Syndiks stellen müssen.«

Geary stand da, den Kopf voll finsterer Gedanken, und schließlich nickte er bedächtig. »Ich verstehe.«

»Es ist ja nicht so, als wollten wir unbedingt fern der Heimat sterben, müssen Sie wissen«, ergänzte Duellos mit einem ironischen Lächeln.

»Ja, ich weiß.« Geary tippte an seine linke Brust, wo nur ein paar Bänder seine Uniform schmückten, ganz im Gegensatz zu den un-zähligen Reihen voller Auszeichnungen, mit denen Duellos für seinen Einsatz belohnt worden war. Das unverkennbare Hellblau der Ehrenmedaille der Allianz hob sich vom Rest ab, der Lohn für sein »letztes Gefecht«. Geary glaubte nicht, dass er diese Auszeichnungen wirklich verdient hatte, doch die Vorschriften verlangten von ihm, dass er sie trug. »Sie sind damit aufgewachsen. Kämpfen und Sterben ist für Sie etwas, das zu einem ganz normalen Leben dazu-gehört. Meine Gedankenwelt ist noch die gleiche wie vor hundert Jahren, als der Frieden noch die Norm und Krieg nichts weiter als eine Möglichkeit war. Für mich waren Gefechte ein theoretisches Spiel, bei dem Schiedsrichter am Ende Punkte zusammenzählten, um festzustellen, wer gewonnen und wer verloren hatte. Anschließend gingen wir alle zusammen einen trinken und machten uns gegenseitig etwas vor, wie brillant die Taktik der anderen gewesen war. Jetzt ist das alles real. Bei Grendel lief alles so schnell ab, da blieb mir gar keine Zeit, um darüber nachzudenken, dass ich mich in einem Krieg befand.« Er verzog das Gesicht. »Ihre Flotte ist weitaus größer als die zu meiner Zeit. In einer Schlacht könnte ich heute mehr Matrosen verlieren, als es damals überhaupt in der gesamten Flotte gab. Ich muss mich immer noch daran gewöhnen, dass ich mitten in einem sehr langwierigen Krieg gelandet bin.«

Ein Schatten huschte über Duellos’ Gesicht. »Ich beneide Sie, Sir«, erklärte er leise.

Geary nickte und reagierte mit einem schmallippigen Lächeln. »Ja.