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Am nächsten Abend musste Geary einsehen, dass er sich um einen ganzen Tag verkalkuliert hatte. Die meisten Commander, die mit ihren routinemäßigen Aufgaben bereits ausgelastet waren, hatten längst genug davon, Stunden damit zuzubringen, immer und immer wieder Manöver-und Gefechtssimulationen durchzuspielen, die zudem mit jedem Mal komplexer und schwieriger wurden. »Hören Sie mir zu«, ermahnte Geary seine Leute nach der letzten Übung an diesem Tag. »Wir wissen nicht, wie viel Zeit uns bleibt, bis die Syndiks hier aufkreuzen. Wir müssen auf sie vorbereitet sein, und das heißt, wir müssen innerhalb kürzester Zeit so viel Arbeit wie möglich erledigen. Wir sehen uns morgen wieder.«

Er sank in seinen Sessel und fühlte sich geschafft von den ständigen Anstrengungen, nicht nur alle Schiffe auf den richtigen Weg zu dirigieren, sondern auch ihren Befehlshabern gut zuzureden. »Wir haben einen aktuellen Statusbericht von der Witch erhalten«, ließ Desjani ihn wissen. »Die Förderanlage auf Ishiki’s Rock soll morgen in Betrieb genommen werden, und man geht davon aus, dass man morgen Nachmittag das erste geförderte Erz an die Hilfsschiffe schicken kann.«

»Großartig.« Geary warf einen Blick auf die Mitteilung. »Ishiki’s Rock? Ach, der da. Dieser Asteroid. So haben ihn die Syndiks genannt?«

»Nein. Es gab keinen Grund herauszufinden, welche Bezeichnun-gen die Syndiks benutzt haben. Ishiki ist der Name des Unteroffiziers, der die Förderanlage entdeckt und das Vorkommen bewertet hat.«

»Dann ist es ein passender Name«, meinte Geary und rief die Witch. »Captain Tyrosian? Wenn die Zeit es zulässt, würde ich Sie bitten, dass Ihre Werkstatt eine kleine Plakette herstellt, die den Asteroiden mitsamt seiner Förderanlage als Ishiki’s Rock ausweist. Wir werden die irgendwo da unten anbringen.«

Tyrosian sah ihn einen Moment lang verdutzt an, dann lächelte sie. »Das wird Chief Ishiki sicher freuen, Sir. Wünschen Sie eine Ze-remonie, wenn wir die Plakette anbringen?«

»Wenn Sie etwas improvisieren möchten, dürfen Sie das gern machen. Jeder in dieser Flotte arbeitet sich krumm, da können wir jeden Vorwand für ein wenig Ablenkung gut gebrauchen.«

»Ja, Sir. In diesem Asteroid steckt gutes Metall. Wie viel Zeit bleibt uns, um es zu fördern?«

Geary überlegte kurz. »Das kann ich im Augenblick noch nicht sagen. Gehen Sie grundsätzlich davon aus, schnell arbeiten zu müssen, aber nach Möglichkeit möchte ich, dass die Vorratslager bis oben hin gefüllt sind, wenn wir uns wieder auf den Weg machen.«

»Das ist eine Menge, Captain Geary«, gab sie zurück. »Bei dem Tempo, mit dem wir die Rohstoffe abbauen und an Bord bringen, würde das Wochen dauern.«

»Ob wir Wochen hier zubringen werden, kann ich nicht garantie-ren, trotzdem nehmen wir jeden Tag mit, der uns das ermöglicht.«

»Ich muss Sie darauf hinweisen, dass die zusätzliche Masse sich nachteilig auf die Manövrierfähigkeit meiner Schiffe auswirken wird. Das gilt vor allem für die Titan, die das größte Schiff ist. Aber auch die Witch, die Jinn und die Goblin werden beladen deutlich träger sein.«

Geary verspürte wieder diesen zunehmend vertrauten Schmerz hinter den Augen. »Wie sehr wird die Beschleunigungsfähigkeit der Titan beeinträchtigt, wenn sie randvoll mit Rohstoffen ist?«

Tyrosian sah zur Seite und arbeitete offenbar an irgendwelchen Kontrollen. »Das sind die Werte für eine maximal beladene Titan, Captain Geary.«

Als er die von Captain Tyrosian gesendeten Daten betrachtete, musste er lautstark ausatmen. »Dann wäre sie ja ein fliegendes Schwein.«

»Üblicherweise benutzen wir den Begriff fliegender Elefant. Ein fliegendes Schwein wäre wesentlich leichter zu manövrieren als die beladene Titan

»Danke für die Vorwarnung.«

Tyrosian sah ihn fragend an. »Wollen Sie immer noch, dass die Titan randvoll beladen wird, Sir?«

Geary rieb über die Stelle zwischen den Augenbrauen, um das Pulsieren zurückzudrängen. »Ja. Wenn wir nicht das herstellen können, was wir auf lange Sicht brauchen, dann ist egal, wie schnell wir uns auf kurze Sicht von der Stelle bewegen können. Wenn ich mich schon entscheiden muss, dann möchte ich auf lange Sicht vorbereitet sein.«

»Jawohl, Sir. Sie sagen es, wir bauen es.«

Das alte Motto der Flotteningenieure, an dem sich seit Gearys Zeiten nichts geändert hatte, entlockte ihm ein Lächeln. »Danke, Captain Tyrosian. Ich weiß, auf Sie und Ihre Schiffe kann ich immer zählen.« Seine Worte brachten wiederum Tyrosian zum Lächeln.

Geary kehrte zu seiner Kabine zurück und war dank der erfreuli-chen Unterhaltung mit Tyrosian guter Laune. Dennoch freute er sich auf ein wenig Ruhe und die Möglichkeit, wenigstens für ein paar Stunden so zu tun, als sei er nicht für das Kommando über diese Flotte zuständig. Doch vor der Luke zu seiner Kabine wartete bereits jemand auf ihn. »Madam Co-Präsidentin.« Er hoffte, seine Müdigkeit und seine momentane Abneigung gegen jegliche Unterhaltung würden nicht zu offensichtlich sein. »Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuchs?«

Sie nickte ihm zu, um den Gruß zu erwidern. »Ich möchte mit Ihnen unter vier Augen reden, Captain Geary.«

»Ich möchte nicht unhöflich erscheinen, aber könnten wir das auf einen späteren Zeitpunkt verschieben? Ich hatte in der letzten Zeit eine Menge um die Ohren.«

»Das ist mir nicht entgangen.« Rione warf ihm einen verwunder-ten Blick zu. »Sie waren so beschäftigt, dass mich meine vergebli-chen Versuche, mit Ihnen zu reden, ziemlich frustriert haben. Ich würde mich wirklich gerne jetzt mit Ihnen unterhalten.«

Es gelang ihm, nicht zu laut zu seufzen. »Okay. Treten Sie bitte ein.« Er ließ sie vorgehen, deutete auf einen freien Platz und sank dann unzeremoniös in seinen Sessel.

Abermals reagierte Rione erstaunt. »Sie entsprechen heute gar nicht dem Bild vom legendären Helden mit dem stählernen Willen.«

»Der legendäre Held mit stählernem Willen ist heute auch verdammt müde, Ma’am. Was kann ich für Sie tun?«

Mit so einer direkten Antwort hatte sie offenbar nicht gerechnet, doch letztlich setzte sie sich auf den angebotenen Platz. »Meine Frage ist ganz einfach: Wie sieht Ihr Plan aus, Captain?«

Er zuckte mit den Schultern. »So wie jedes Mal, wenn man mir diese Frage stellt, kann ich nur sagen, dass mein Plan darin besteht, diese Flotte nach Hause zu bringen.«

»Und warum legen wir dann einen Zwischenstopp im Kaliban-System ein?«

Diese Frau hat eine Begabung, lästige Fragen zu stellen. Er dachte einen Moment lang nach, ehe er antwortete. »Wir benötigen etwas Zeit. Wir sitzen hier nicht untätig herum. Wie Sie sicherlich mitbekommen haben, schaffen wir Rohstoffe auf die Schiffe, die damit etwas anfangen können. Und die Titan und ihre Schwesterschiffe produzieren neue Brennstoffzellen, daneben Ersatz für beschädigte oder zerstörte Ausrüstung sowie die Waffen, die wir verbraucht haben. Außerdem erledigen wir größere Außenreparaturen, die im Sprungraum nicht durchgeführt werden konnten. Und wir durchsuchen die zurückgelassenen Anlagen nach allem, was wir irgendwie gebrauchen können. Das Wichtigste von allem ist, dass wir trainieren können.«

»Trainieren.« Rione kniff die Augen zusammen. »Zu welchem Zweck.«

»Ich bin mir sicher, Madam Co-Präsidentin, Ihnen ist bekannt, dass wir Gefechtssituationen trainieren. Wenn wir das nächste Mal auf eine große Syndik-Streitmacht treffen, dann möchte ich, dass diese Flotte wie eine militärische Einheit agiert, aber nicht wie ein unvorbereiteter Haufen Krieger, der es zwar gut meint, der jedoch nicht weiß, wohin mit seinen Aggressionen.« Verdammt, er musste aufpassen, dass er Rione gegenüber nicht zu offen seine Meinung äußerte. Schließlich würde niemand etwas davon haben, wenn ein solcher Satz die Runde machen sollte.