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»Captain Geary, als wir uns zum ersten Mal trafen, da sagte ich zu Ihnen, diese Flotte sei spröde. Sie waren zu der Zeit der gleichen Meinung. Wie können Sie jetzt davon reden, sich einer großen feindlichen Streitmacht stellen zu wollen?«

Riones Tonfall war mit jedem Satz noch etwas kühler und härter geworden.

Geary wünschte, er könnte einen Schutzschild um sich errichten, der ihn gegen die Wucht von Riones Worten abschirmte. »Damals war ich Ihrer Meinung«, bestätigte er. »Aber sprödes Metall kann neu geschmiedet werden, Madam Co-Präsidentin.«

»Zu welchem Zweck?«

Okay, wenn es um solche Dinge geht, vertraut sie mir wohl kein bisschen. Meinetwegen. Aber ob sie mir nun vertraut oder nicht, von mir wird sie nur die Wahrheit zu hören bekommen. »Um nach Hause zu gelangen. Das ist mein Ernst. Sehen Sie.« Geary beugte sich weit genug vor, um einen Befehl einzugeben, den er inzwischen auswendig kannte. Dann zeigte er auf die Sterne, die über dem Tisch zwischen ihnen dargestellt wurden. »Wir haben noch viele Sprünge vor uns, ehe wir zu Hause ankommen werden. Ich kann weiter Vermutun-gen darüber anstellen, was die Syndiks unternehmen werden, und vorausschauend genug planen, um ihnen nach Möglichkeit aus dem Weg zu gehen. Aber ich kann nicht darauf zählen, dass sie sich immer irren und uns niemals erwischen. Das heißt, ich kann nicht ausschließen, dass wir irgendwann einer Syndik-Streitmacht gegenüberstehen werden, die uns schmerzliche Verluste zufügen könnte.

Was wird dann geschehen? Wenn diese Flotte dann noch die gleiche ist, die ich aus dem Heimatsystem der Syndiks gebracht habe, wird sie Gefahr laufen, zerschlagen und vernichtet zu werden. Doch wenn ich diesen Matrosen vermitteln kann, nicht nur mutig, sondern auch intelligent zu kämpfen, dann werden wir in der Lage sein, dieser Syndik-Streitmacht etwas entgegenzusetzen.«

Lange Zeit musterte sie ihn schweigend. Was ihr durch den Kopf ging, konnte Geary nicht einmal erahnen. Schließlich sagte sie nicht mehr ganz so schroff: »Sie glauben, das können Sie schaffen?«

»Ich hoffe, ich kann es.« Er beugte sich vor und versuchte, ihr sein Gefühl zu vermitteln. »Das sind gute Matrosen. Gute Offiziere. Gute Captains. Letzteres jedenfalls zum größten Teil. Sicher wissen Sie, dass es da ein paar Ausnahmen gibt, aber das war schon immer so, und das wird auch immer so bleiben. Diese Leute brauchen nur jemanden, an den sie glauben können, dem sie zuhören und der ihnen zeigt, wie man siegen kann.«

»Weil sie Ihnen vertrauen.«

»Verdammt, ja! Was zum Teufel soll denn das? Ich habe bislang nichts getan, was ihr Vertrauen in mich gefährden könnte, und ich werde das auch nicht tun.«

»Ist das ein Eid, Captain Geary?« Ihre Stimme war sehr sanft und auch sehr klar geworden. »Schwören Sie das bei der Ehre Ihrer Vorfahren?«

Geary fragte sich, ob Rione von seinen gelegentlichen Besuchen in der Gedenkstätte für die Vorfahren wusste. Wahrscheinlich hatte sie darüber so viele Informationen zusammengetragen, wie sich finden ließen. »Natürlich tue ich das.«

»Und die Allianz selbst? Die gewählten Führer der Völker in der Allianz?«

Er sah sie ratlos an. »Was soll mit ihnen sein?«

Rione warf ihm einen wütenden Blick zu, und ihre aufgebrachte Miene bot eine untypische Zurschaustellung ihrer Gefühle. »Wenn ich nur wüsste, ob Sie wirklich so naiv sind oder ob Sie nur so tun!

Captain Geary, Sie sind eine lebende Legende. Was glauben Sie, welche Macht in Ihren Händen liegt, wenn Sie mit dieser Flotte zur Allianz zurückkehren? Black Jack Geary, das strahlende Ideal für jeden Allianz-Offizier, der Held der Vergangenheit, der Mann, den jeder junge Mensch in der Allianz anbeten und verehren soll, kehrt von den Toten zurück und präsentiert eine immense Flotte, die er im Alleingang vor der völligen Auslöschung bewahrt hat! Eine Flotte, die nach Ihren Worten besser geschult sein wird als jede andere Streitmacht der Allianz. Was wird dann aus der Allianz werden, Captain? Diese Allianz wird Ihnen aus der Hand fressen, und Sie können mit ihr machen, was Sie wollen. Sie wissen, dass es so ist!

Also was werden Sie machen?«

»Ich…« Geary schaute zur Seite, da ihre Worte und die damit verbundenen, intensiven Empfindungen ihm Unbehagen bereiteten.

»Ich habe… Ich weiß nicht. So weit habe ich noch gar nicht voraus-gedacht… Aber… nein. Nein! Solche Macht will ich nicht haben.

Ich will nicht den gewählten Führern der Allianz vorschreiben, was sie tun und lassen sollen. Ich will…« Heimkehren? Seine Heimat war tot und vergessen. Was würde ihm noch zu tun bleiben, wenn diese Mission abgeschlossen war? Auf welches Leben konnte er hoffen? »Ich will…«

»Was, Captain Geary? Was wollen Sie? Was wollen Sie mehr als alles andere?«

Geary fühlte sich geistig und körperlich durch die Anstrengungen der letzten Tage wie ausgebrannt, und in diesem Moment spülte eine eisige Welle über ihn hinweg. »Mehr als einmal, Madam Co-Präsidentin, wollte ich nichts lieber, als vor hundert Jahren auf meinem Schiff gestorben zu sein.« Kaum hatte er das ausgesprochen, bereute er bereits, dass er Worte und Gedanken nicht für sich behalten hatte, die außer ihm niemanden etwas angingen. Aber Müdigkeit und Stress hatten seine Abwehr geschwächt und ihn unaufmerksam werden lassen.

Sekundenlang schien er Rione aus der Fassung gebracht zu haben.

Eine Weile betrachtete sie Geary schweigend, dann fragte sie:

»Könnten Sie der Macht den Rücken kehren, Captain Geary? Wenn wir heimkehren, werden Sie dann der Macht den Rücken kehren, über das Schicksal der Allianz zu entscheiden?«

Er atmete tief durch und ließ sich mit seiner Antwort Zeit. »Um ehrlich zu sein, ich glaube, diese Macht besitze ich längst. Wenn ich diese Flotte mit dem Objekt zurückbringen kann, von dem Sie wissen, dass es sich an Bord der Dauntless befindet, dann stehen die Chancen gut, dass die Allianz die Syndiks zu Verhandlungen zwingen kann, um diesen Krieg ernsthaft zu beenden. Doch wenn mir das nicht gelingt und wir hier draußen untergehen, dann ergibt sich für die Syndiks ein sehr großer militärischer Vorteil. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie diesen Vorteil nicht nutzen werden.

Auf die eine oder andere Art entscheidet das, was ich hier zustande bringe, in einem erheblichen Maß über das Schicksal der Allianz.«

Geary sah Rione tief in die Augen. »Sie können mir glauben: Wenn ich könnte, würde ich dem Ganzen sofort den Rücken kehren. Aber das kann ich nicht, und ich glaube, das wissen Sie. Niemand sonst hat eine Chance, die Flotte nach Hause zu bringen. Ich habe mir ein-zureden versucht, dass ich nicht unersetzlich bin, dass es andere Offiziere gibt, die diese Flotte genauso gut heimbringen können. Allerdings weiß ich, das stimmt so nicht.«

Riones Miene war unnachgiebig. »Demokratien und Republiken können nicht mit unverzichtbaren Männern und Frauen existieren, Captain.«

»Das gilt nur so lange, bis ich diese Flotte nach Hause gebracht habe! Sobald wir zurück in der Allianz sind, Madam Co-Präsidentin, werde ich das Kommando an den ersten Admiral übergeben, der mir über den Weg läuft, und dann werde ich mir einen hübschen, ruhigen Planeten suchen, auf dem ich mich für den Rest meines Lebens verstecken kann.« Er stand auf und ging trotz seiner Müdigkeit im Raum auf und ab. »Mehr kann niemand von mir verlangen.

Mehr kann auch die Ehre meiner Vorfahren unmöglich von mir verlangen. Ich werde das Kommando abgeben, und dann ziehe ich mich zurück nach… nach…«

»Wohin ziehen Sie sich zurück, Captain Geary?« Mit einem Mal hörte sich auch Rione erschöpft an, obwohl er sich keinen Grund da-für vorstellen konnte. »Was glauben Sie, welche Welt Ihnen eine solche Zuflucht gewähren wird? Ihnen, dem Mann, dem der alte Ruhm des Black Jack Geary anhängt und der heute verehrt und angebetet wird, weil er die Allianz-Flotte und womöglich die gesamte Allianz gerettet hat.«