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Der Mann verzog das Gesicht. »Der Vogel wird sich nicht von der Stelle rühren, solange keine komplette Wartungscrew den Schaden begutachtet hat. Wie viel Zeit nötig ist, um ihn wieder starten zu lassen, hängt davon ab, wie viele Untersysteme durchgeschmort sind.

Aber ich würde von mindestens vier Stunden ausgehen, gerechnet ab dem Zeitpunkt, da die Crew eingetroffen ist. Und vorausgesetzt, sie haben alle notwendigen Ersatzteile dabei.«

»So etwas hatte ich bereits befürchtet.« Geary betrachtete sein Display und überlegte, wie sie vorgehen sollten. Ishiki’s Rock lag zu den Syndiks dreißig Lichtminuten näher als zum Pulk der Allianz-Flotte. Die Titan war vor eineinhalb Tagen fertig beladen worden und zur Flotte zurückgekehrt, doch die Witch hielt sich immer noch in der Nähe von Ishiki’s Rock auf.

Fünf Stunden Transitzeit bei 0,1 Licht, und auch wenn die Witch weniger Masse hatte als die Titan, war ihr Antrieb schwächer, sodass sie kaum besser beschleunigen konnte. Er konnte die Witch an-weisen, mit einem anderen Shuttle die gestrandete Crew von Ishiki’s Rock abzuholen und das defekte Shuttle aufzugeben. Oder er konnte ein Wartungsteam hinbeordern, um den Vogel zu reparieren. Die Witch war nahe genug an Ishiki’s Rock, um ein Team loszuschicken, die Reparaturen auszuführen und das Shuttle noch schnell genug zur Witch zurückzubringen, damit die Flotte noch rechtzeitig vor dem Eintreffen der Syndiks das System verlassen konnte. Das wür-de allerdings knapp werden, weshalb die sicherste Lösung die war, den Vogel einfach zurückzulassen.

Aber wäre das nicht nur noch mehr Wasser auf die Mühlen derjenigen, denen es nicht gefiel, dass die Allianz-Flotte vor den Syndiks »davonlief«?

Doch wenn sie lange genug blieben, um das Shuttle zu bergen oder zu reparieren, und dabei ging dann etwas schief, liefen sie Gefahr, dass Syndik-Jäger die Witch einholten. Er konnte ein paar Schiffe entsenden, damit die die Witch verteidigten, doch wie viele wären dafür erforderlich? Wenn die Syndiks auf maximale Beschleunigung gingen und nach der halben Strecke mit den Bremsmanövern begannen, würden sie die Witch deutlich früher erreichen.

Und was würde mit den Gestrandeten auf Ishiki’s Rock geschehen, wenn die Syndiks schneller waren als erwartet? Je näher sie kamen, umso weniger Zeit blieb Geary zum Reagieren.

Einunddreißig Leute. Ein Frachtshuttle. Ich kann diese Leute rausholen, das ist gar kein Problem. Es sei denn, etwas anderes geht schief.

Was natürlich passieren könnte, und dann haben wir den Ärger. Und wenn ich versuche, mein Gesicht zu wahren, indem wir das Shuttle zu bergen versuchen, setze ich damit noch mehr Menschenleben aufs Spiel. Wenn wir das System schnell verlassen müssen…

Verlassen müssen, Geary? Sag lieber: wenn wir davonlaufen müssen.

Das ist es nämlich, was du machst, auch wenn du es noch so schön zu um-schreiben versuchst. Du weißt das, und jeder andere weiß das auch. Und es gefällt dir genauso wenig wie allen anderen.

Die Flotte hat mir bis hierher vertraut, da wird es Zeit, dass ich ihr auch vertraue. Wenn ich in der Lage sein will, diese Leute zu führen, dann muss ich ihnen vertrauen.

Und führen kann ich sie nur, wenn sie weiter an mich glauben.

Aber sie werden nicht weiter an mich glauben, wenn ich ihnen nicht zeige, dass sie siegen können, wenn sie auf mich hören.

Captain Desjani sah ihn an. Bezüglich der sich bietenden Alternativen war sie zweifellos zu den gleichen Schlussfolgerungen gelangt, und sicherlich fragte sie sich nun, wie er entscheiden würde.

Geary atmete tief durch, dann öffnete er einen Kanal zur ganzen Flotte. »An die Allianz-Flotte, hier spricht Captain Geary. An alle Einheiten: Nehmen Sie Gefechtsformation Alpha ein. Ich wiederhole, nehmen Sie Gefechtsformation Alpha ein. Führen Sie diesen Befehl sofort nach Erhalt aus. Nehmen Sie Position relativ zum Flaggschiff Dauntless ein, richten Sie die Formationsachse an der Längsachse der Dauntless aus. Alle Schiffe in Gefechtsbereitschaft gehen. Geschätzte Zeit bis zum Gefecht beträgt…«, er überschlug, wie schnell die beiden Streitkräfte aufeinandertreffen würden, wenn die Allianz-Flotte den Syndiks geradewegs entgegenflog, »…acht Stunden.« Er sah zu Desjani. »Captain Desjani, lassen Sie Ihren Komm-Wachhabenden bitte dem Personal auf Ishiki’s Rock mitteilen, dass die Flotte kommt, um sie abzuholen. Und dann lassen Sie die Dauntless bitte so drehen, dass der Bug auf den Rendezvouspunkt zeigt, an dem wir mit der Syndik-Flotte zusammentreffen, wenn diese weiter dem Kurs folgt, auf dem sie ins System gekommen ist.«

»Aye, aye, Sir!« So wie jeder andere, den er von seinem Platz aus auf der Brücke sehen konnte, machte Desjani einen aufgeregten Eindruck.

»Captain Geary!« Ihm war nicht aufgefallen, dass Co-Präsidentin Rione ebenfalls auf die Brücke gekommen war. Als er sich zu ihr umdrehte, bemerkte er ihre entrüstete Miene. »Haben Sie etwa vor, eine ausgewachsene Raumschlacht vom Zaun zu brechen, um die Kontrolle über dieses System zu erlangen?«

»Ja, genau das habe ich vor. Auf einem der Asteroiden in diesem System sitzen einunddreißig von unseren Leuten und ein Shuttle fest.«

»Und Sie glauben, Ihnen bleibt keine andere Wahl als ein Kampf mit den Syndik-Schiffen, die noch über einen halben Tag entfernt sind?«

Geary lächelte sie kurz und humorlos an. »Ich glaube, es ist aus einer Vielzahl von Gründen meine beste Wahl.«

»Sie können nicht Hunderte oder Tausende von Matrosen und wer weiß wie viele Schiffe aufs Spiel setzen, nur um einunddreißig Leute zu retten, die auch so ohne Probleme gerettet werden könnten. Und das Shuttle könnte ohne Weiteres auf diesem Asteroiden zurückblei-ben!«

»Keine der Alternativen bietet hundertprozentige Gewissheit, Madam Co-Präsidentin. Wir wissen nicht, was die Syndiks in genau dieser Minute tun. Selbst eine simple Rettungsmission, die durch unvorhersehbare Ereignisse verzögert wird, könnte die Witch und andere Schiffe in Gefahr bringen. Ja, ich riskiere die gesamte Flotte, um diese Leute, das Shuttle und alle Schiffe zu schützen, die versuchen, das Personal von dem Asteroiden zu holen. Es ist eine Frage der Verantwortung und des Vertrauens. Die Allianz-Flotte lässt niemanden im Stich.«

Plötzlicher Jubel ließ ihn und Rione hochschrecken. Als er sich umschaute, sah er, wie die Brückencrew die Fäuste reckte und zustimmend johlte.

Er wandte sich zu Captain Desjani um und bekam gerade noch mit, wie sie etwas in ihr Kommunikationssystem sagte. »Verzeihen Sie, Captain Geary. Ich hatte nur soeben Ihre Aussage flottenweit übertragen.« Obwohl er nun schon einige Monate an ihrer Seite verbracht hatte, war es für Geary immer noch ein Schock, den Ausdruck grenzenloser Bewunderung in ihren Augen zu sehen.

Aber er wusste auch, dass sie das Richtige gemacht hatte. So un-gern er das auch zugeben wollte – seine Worte würden der Flotte im bevorstehenden Gefecht den Rücken stärken. Und zweifellos würde man seine Bemerkung den inspirierenden Worten des großen Black Jack Geary hinzufügen. Er konnte nur zu jedem seiner Vorfahren beten, dass er niemals mitbekommen musste, wie jemand ihm seinen eigenen Spruch zitierte.

Rione machte den Eindruck, als würde sie auch beten. Allerdings vermutete Geary, dass sie eher dafür betete, der gesunde Menschenverstand möge doch noch die Oberhand gewinnen. »Captain Geary, wie kann ich Sie davon überzeugen, dass das Überleben dieser Flotte Vorrang vor allem anderen hat?«