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Der Götterdiener gab den Schlüssel Nekaun zurück, dann half er den anderen, ihr mehr Wasser einzuflößen und sie mit Brot zu füttern. Als sie fertig waren, lehnte Auraya sich an den Thron, erschöpft, aber zum ersten Mal seit Wochen frei von Hunger und Durst. Mit halb geschlossenen Augen sah sie zu, wie Nekaun und die Götterdiener fortgingen.

Lasst mich aus dem Leeren Raum, dachte sie in ihre Richtung. Alles, was ich brauche, um wieder gesund zu werden, ist Magie. Sie schloss die Augen. Oder ich muss ein Gott werden.

Dann runzelte sie die Stirn. Wie kann ich ein Gott werden, wenn ich in einem Leeren Raum bin? Götter sind Wesen aus Magie. Sie können in einem Leeren Raum nicht existieren. Sobald ich ein Gott bin, werde ich aufhören zu existieren.

Sie schüttelte den Kopf. Chaia musste die Absicht haben, sie zuvor freizulassen. Aber das war es nicht, was er gesagt hatte. Er hatte gesagt, sie könne es selbst tun, während er fort sei.

Plötzlich überlief sie ein kalter Schauder, kälter als das Wasser, das man ihr zuvor über den Körper gegossen hatte.

Es sei denn, dies wäre ein Trick.

Hatte Chaia versucht, sie loszuwerden?

Aber er liebt mich.

Es gab keine Möglichkeit für sie, ein Gott zu werden und zu überleben.

Ein leises Zirpen lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Thron. Unfug starrte zum Eingang hinüber.

»Böser Mann«, sagte er leise.

»Ja«, pflichtete sie ihm bei. »Jetzt weg.«

Langsam gingen ihr verschiedene Möglichkeiten durch den Kopf. Wenn sie tatsächlich die Fähigkeit besaß, ein Gott zu werden, könnte er versuchen, es zu verhindern, indem er sie ermutigte, die Verwandlung an dem einen Ort vorzunehmen, an dem ein solches Tun sie töten würde, statt das Risiko einzugehen, dass es an einem anderen Ort geschehen würde.

Wenn er ihren Tod wünschte, dann war etwas geschehen, das ihn veranlasst hatte, seine Meinung über sie zu ändern. Huan behauptete, sie sei gefährlich. War etwas passiert, das Chaia überzeugt hatte?

Plötzlich erinnerte sie sich an etwas, das Mirar gesagt hatte. Er hatte ihr erzählt, dass die anderen Wilden wichtige Geheimnisse herausgefunden hätten. Geheimnisse, die er ihr nicht anvertrauen wollte. Sie dachte an seine Frage: »Gibt es einen Gott, den du gern töten würdest?« Sie hatte vermutet, dass dies lediglich eine schnippische Bemerkung gewesen sei, aber was, wenn es ihm ernst gewesen war? Was, wenn die Wilden tatsächlich einen Gott töten konnten?

Dann ist er die Gefahr, nicht ich. Chaia sollte wissen, dass ich niemals… Aber andererseits, ich würde es tun, wenn es auf die Frage hinausliefe, ob ich sterbe oder Huan…

Sie verzog das Gesicht. Offensichtlich empfand er nicht genauso. Oder er konnte nicht darauf vertrauen, dass sie nicht auch die restlichen Götter töten würde. Er konnte nicht länger in ihren Geist sehen, und sie war, wie er gesagt hatte, mächtiger und stärker geworden als ein Unsterblicher.

Er vertraute ihr nicht. Er hatte versucht, sie zu töten. Lange Zeit starrte sie ins Leere und verspürte nur ein schreckliches Gefühl des Verlusts, das Gefühl, verraten worden zu sein. Sie war zu müde für Zorn, zu müde, um nach Entschuldigungen für ihn zu suchen. Ihr blieb nur noch genug Energie, um sich in ihr Schicksal zu fügen. Sie holte tief Luft und stieß sie langsam wieder aus, und mit diesem einen Atemzug ließ sie den letzten Rest ihrer Ergebenheit gegenüber den Göttern entweichen.

45

Danjin.

Die Stimme klang träumerisch und traurig. Danjin wurde sich langsam bewusst, dass er nicht länger schlief, doch auch noch nicht hellwach war.

Daaaanjinnnnn.

Er kannte die Stimme. Als er sie zuordnen konnte, verspürte er eine gelinde Überraschung.

Auraya?

Ja, ich bin es. Wie geht es dir?

Ich schlafe.

Nicht ganz. Wir sind wieder in einer Traumvernetzung.

Ach ja? Er erschrak, und seine Gedanken schärften sich. Wo bist du?

Immer noch eingesperrt. Ich fühle mich besser. Ich war krank. Um ein Haar wäre ich gestorben, glaube ich. Offensichtlich ist das kein Teil von Nekauns Plänen. Er hat mir Kleidung und besseres Essen bringen lassen.

Kleidung? Ein Stich des Entsetzens und der Sorge durchzuckte Danjin, als ihm klar wurde, was das bedeutete.

Ich wette, du hast nicht erwartet, dass du schon so bald wieder in einen weiteren Krieg ziehen würdest, sagte sie.

Ein warnendes Kribbeln überlief ihn. Woher wusste sie von dem Krieg? Hatten die Stimmen es ihr erzählt? Natürlich hatten sie das getan.

Nein, sagte er wachsam.

Ich habe die Armee beobachtet, erklärte sie. Ich habe beobachtet, wie ihr alle durch die Wüste marschiert seid, und ich habe beobachtet, wie die Pentadrianer sich auf die Begegnung mit euch vorbereitet haben. Ich wünschte, ich hätte dir etwas zu erzählen.

Mir zu erzählen…?

Ein Geheimnis, das die Pentadrianer betrifft. Etwas Wichtiges, das euch helfen würde, die Schlacht zu gewinnen. Aber die Spione und Ratgeber der Weißen wissen bereits alles.

Wie hast du…?

Ich habe Gedanken abgeschöpft, Danjin. Es gibt nicht viel anderes, was ich tun könnte - außer mit Unfug reden, und du weißt ja, was für ein wunderbarer Gesprächspartner er ist. Ich wünschte, ich könnte häufiger mit dir reden. Wir alle wissen, dass die Stimmen mich töten werden, bevor sie in die Schlacht gegen die Weißen ziehen. Es wäre schön, während meiner letzten Tage jemanden zum Reden zu haben, der nicht ständig gekrault werden will oder mich mit Bröckchen von allem überschüttet, was er fangen und fressen konnte.

Danjin fühlte sich, als würde er ersticken. Wie konnte sie so beiläufig von ihrem Tod sprechen? Vielleicht lag das daran, dass sie das alles nur erfand?

Nein, dachte er. Da ist noch irgendetwas anderes. Sie tut so, als nähme sie das alles auf die leichte Schulter, aber in Wirklichkeit ist sie verzweifelt. Trauer und Mitleid überwältigten ihn. Sie ist allein. Sie weiß, dass sie dazu verdammt ist zu sterben. Wie kann die erstaunlichste Frau, die ich kenne, so enden? Wahrscheinlich besteht die einzige Alternative darin, in irgendeiner aufsehenerregenden magischen Schlacht zu sterben.

Danjin?

Ich bin hier.

Für den Fall, dass du dies für einen Traum hältst, will ich dir Folgendes erzählen. In Kürze wird ein Bote des sennonischen Kaisers in eurem Lager eintreffen.

Dann verschwand sie aus seinem Bewusstsein. Danjin öffnete die Augen, richtete sich auf und sah sich um. Er griff nach seiner Decke, um sich gegen die kalte Nachtluft der Wüste zu schützen, und verließ sein Zelt.

Die Vorstellung, dass Auraya sie beobachtete, war gleichzeitig beunruhigend und tröstend. Er musste wissen, ob ihre Worte der Wahrheit entsprachen, und zu diesem Zweck ging er am besten in das Zelt der Weißen hinüber und stellte fest, ob tatsächlich ein Bote des Kaisers eingetroffen war.

Im Licht des Mondes wirkten die Zelte des zirklischen Lagers wie eine gewaltige, mystische Geisterarmee. Sie breiteten sich in alle Richtungen aus, beleuchtet von Lampen im Innern oder Feuern von außen. Die Armee war nicht größer als diejenige, die einige Jahre zuvor die Pentadrianer besiegt hatte - tatsächlich war sie sogar kleiner -, aber von dort, wo er stand, schien sie unendlich zu sein.