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Danke, sagte er zu dem Geschöpf. Wir werden gemeinsam nach Süden schwimmen, wo das Wasser warm ist und voller Fische.

Ja, antwortete der Roale. Nahrung.

Die Möwe streckte die Arme aus, sprang von dem Felsen und tauchte ins Meer ein.

Wann immer die Stimmen sich in Abwesenheit Nekauns trafen, war Reivan unbehaglich zumute, doch auch in seiner Anwesenheit fühlte sie sich nicht länger wohl.

Die anderen Stimmen hatten sich nicht gegen ihn verschworen, doch in seiner Abwesenheit waren sie eher geneigt, ihre Meinung zum Ausdruck zu bringen. Es machte die Dinge nicht besser, dass sie häufig über Möglichkeiten sprachen, wie sie die Konsequenzen seiner Fehler eindämmen könnten, oder kurz davor standen, sich offen über seine Methoden zu beklagen.

Heute sprachen sie über den letzten verbliebenen Ehrengast des Sanktuariums, den Traumweber Mirar. Obwohl Reivan ihn inzwischen mehrmals gesehen hatte, fiel es ihr schwer zu glauben, dass dieser Mann über tausend Jahre alt war. Es lag nicht daran, dass er keinen Tag älter wirkte als dreißig - Imenja war ebenfalls weit älter, als sie erschien, aber sie hatte eine Ausstrahlung, die auf das Selbstbewusstsein und die Weisheit einer älteren Frau schließen ließ. Mirar gebrach es an der Aura der Macht, die Reivan erwartet hatte. Er wirkte zu bescheiden, um ein großer Zauberer der Legende und der Begründer eines so alten Kultes zu sein, wie die Traumweber es waren.

Die Stimmen machten sich wegen wichtigerer Dinge Sorgen.

»Also, kann Mirar nun Gedanken lesen oder kann er es nicht?«, fragte Shar.

»Er kann es nicht«, antwortete Genza.

»Aber deine Prüfung hat funktioniert. Er hat reagiert.«

»Er hat eine Gefahr für sich selbst gespürt, aber nicht das Wesen dieser Gefahr«, erklärte Genza. »Wenn er gewusst hätte, worin die Gefahr bestand, wäre er niemals in den Alkoven getreten. Das lässt darauf schließen, dass er die Fähigkeit hat, die Stimmung der Menschen um ihn herum zu spüren, nicht aber, ihre Gedanken zu lesen.«

»Wenn ich tausend Jahre oder länger Menschen beobachtet hätte, wäre ich auch in der Lage, ihre Stimmungen zu spüren«, bemerkte Vervel. »Ist das eine magische Fähigkeit oder lediglich eine gute Beobachtungsgabe?«

»Der gedungene Mörder war außer Sicht«, rief Genza ihm ins Gedächtnis. »Es war keine Beobachtung, sondern Frucht einer Befähigung.«

»Es gibt eine letzte Prüfung, der ich ihn gern noch unterziehen würde«, sagte Imenja. Die anderen wandten sich zu ihr um. »Eine Prüfung, bei der er seine Fähigkeit gewiss verraten würde.«

»Und die wäre?«

»Gewähren wir unseren Gefährten Einblick in das wahre Wesen der Beziehung zwischen Mirar und Auraya.«

Die drei anderen Stimmen tauschten einen Blick.

»Wenn er Gedanken lesen kann, wird er wissen, was wir wissen«, warf Vervel ein.

»Ja. Aber er wird auch wissen, dass wir ihm im Gegenzug für seine Hilfe in der Schlacht etwas zu bieten haben. Solange er weiß, dass wir bereit sind, ihm dieses Angebot zu machen, können wir uns seiner Unterstützung gewiss sein.«

»Die wir aber verlieren könnten, falls Auraya stirbt«, ergänzte Genza.

»Höchstwahrscheinlich«, pflichtete Imenja ihr bei. Die Stimmen tauschten abermals einen eindringlichen Blick, dann nickte sie. Als sie zu sprechen begann, sah sie einen Gefährten nach dem anderen an.

»Die Götter haben uns mitgeteilt, dass Mirar und Auraya früher einmal Liebende waren. Es ist eher wahrscheinlich, dass er den Wunsch hat, sie zu retten, als sie zu töten.«

Liebende? Reivan richtete sich überrascht auf. Gewiss nicht!

»Sie huldigt den Göttern, die seinen Tod wollen!«, protestierte Vervels Gefährte, Karkel.

Reivan erinnerte sich noch an etwas anderes. »Mirar sagte, Auraya habe versucht, ihn zu töten. War das eine Lüge?«

»Wahrscheinlich«, antwortete Shar.

»Bedeutet das, dass er ein Spion der Weißen ist?«, fragte Vilvan, Genzas Gefährte.

»Das haben die Götter nicht gesagt.« Imenja breitete die Hände aus. »Sie haben lediglich davor gewarnt, dass er versuchen würde, sie zu retten.«

»Indem er fragt, ob er Auraya die Nachricht von der Niederlage der Weißen überbringen dürfe, sorgt er dafür, dass sie noch ein Weilchen länger lebt«, sagte Genza.

»Und indem wir andeuten, dass wir ihm Auraya geben werden, stellen wir sicher, dass er uns während der Schlacht hilft«, bemerkte Shar.

Genza runzelte die Stirn. »Wir werden ihm doch Auraya als Gegenleistung für seine Hilfe nicht wirklich geben, oder?«

Imenja seufzte. »Wenn wir unsere guten Beziehungen zu Mirar erhalten wollen, müssen wir das in Erwägung ziehen. Mir gefällt die Idee nicht, aber sobald die Weißen fort sind, dürfte Auraya kaum noch eine Bedrohung für uns sein. Nekaun ist nicht damit einverstanden. Er will Auraya nur so lange am Leben erhalten, wie Mirar uns von Nutzen ist.«

Vervel kicherte. »Mir tut Mirar ein wenig leid. Er scheint ein guter Mann zu sein.«

»Wenn Mirar ein guter Mann ist, wird er seine Anhänger durch seine Taten nicht gefährden wollen«, fügte Shar düster hinzu.

Vervel verzog das Gesicht. »Wenn er Auraya immer noch liebt, so unglaublich das vielleicht wäre, steht ihm eine schwere Entscheidung bevor. Er wird sich vielleicht zwischen seiner Geliebten und seinen Anhängern entscheiden müssen. Jetzt tut er mir erst recht leid.«

Shar schnaubte. »Mir tut niemand leid, der einen solch schlechten Geschmack in Bezug auf Frauen hat«, murmelte er.

Imenjas Lippen formten ein Lächeln, dann wurde ihre Miene wieder ernst. »Ich glaube nicht, dass wir Mirar eine solche Entscheidung aufzwingen sollten. Die Traumweber sind sehr nützliche Leute, die für uns nur eine kleine Bedrohung darstellen. Wir sollten nicht das Risiko eingehen, wegen einer persönlichen Abneigung gegen Auraya oder unseres Verlangens nach Rache unsere Freundschaft mit ihm zu gefährden. Dann wären wir nicht besser als die Zirkler.«

»Ich gebe dir recht«, sagte Vervel. »Dies könnte der Grund sein, warum die Götter sie am Leben erhalten wollen.«

»Fürs Erste. Sollte Auraya sich als Ärgernis erweisen, können wir uns später ihrer entledigen. Und schließlich ist sie nur eine Sterbliche«, bemerkte Shar.

»Aber was ist mit Nekaun?«, fragte Genza. »Wir alle wissen, wie gern er sie töten würde.«

Imenja hielt inne, dann hob sie den Kopf und sah die anderen der Reihe nach an. »Wenn wir in diesem Punkt übereinstimmen, können wir ihn vielleicht vom Gegenteil überzeugen.«

Schweigen senkte sich über den Raum. Reivans Herz raste. Imenja schlug vor, dass sie sich gegen Nekaun zusammentaten. Bis jetzt waren die anderen niemals bereit gewesen, der Ersten Stimme die Stirn zu bieten.

»Ich werde es zumindest versuchen«, sagte Vervel.

»Und ich auch«, fügte Genza hinzu.

Shar zuckte die Achseln. »Er würde den Göttern nicht trotzen, aber wenn er es versucht, habt ihr meine Unterstützung.«

Stille folgte. Imenja senkte den Kopf.

»Danke.« Sie sog scharf die Luft ein, dann stand sie auf. »Reivan und ich werden jetzt prüfen, ob Mirar Gedanken lesen kann. Wenn nicht, sollte ich trotzdem in der Lage sein, dafür zu sorgen, dass Mirar nicht versucht, Auraya zu retten und unsere Pläne zu durchkreuzen.«

»Wie willst du das zuwege bringen?«, fragte Genza.

Imenja lächelte. »Ich werde ihn lediglich wissen lassen, dass wir ihm als Gegenleistung, wenn er uns hilft, diesen Krieg zu gewinnen, anschließend Auraya übergeben werden, und dass er dann mit ihr verfahren kann, wie er wünscht«

Shar kicherte. »Er wird denken, dass wir ihm direkt in die Hände spielen. Es sei denn natürlich, er kann Gedanken lesen.«

»Ich schätze, das werden wir bald herausfinden«, erklärte Genza.

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