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»König Ais hat bemerkenswert gut Avvensch gelernt«, sagte Imenja. Reivan nickte. Die Zweite Stimme sah sich im Raum um, dann sprach sie Vervel an. »Wo ist Mirar?«, fragte sie leise.

Vervel zuckte die Achseln. »Er hat sich in sein Zelt zurückgezogen.«

»Die Reise hat ihn erschöpft?«, fragte Shar lächelnd. »Oder war es Genza? Er hat eine lange Zeit mit ihr verbracht.«

Genza musterte die Fünfte Stimme mit verächtlich hochgezogenen Augenbrauen. »In einer Sänfte. In voller Sicht der Armee.«

»Was für ein Glück für ihn.«

»Kann ein Unsterblicher ermüden?«, fragte Vervel nachdenklich. Niemand antwortete.

»Vielleicht hat er sich ins Sanktuarium zurückgeschlichen«, sagte Genza. Als Nekaun sich wieder zu ihnen gesellte, sah sie den Anführer fragend an. »Ist Auraya sicher eingesperrt?«

Die Erste Stimme lächelte unangenehm. »Das ist sie. Keine Sorge. Mirar wird beobachtet. Und ihre Wachen haben Anweisung, sie zu töten, sollte irgendjemand versuchen, sich einzumischen.« Imenja sah ihn scharf an. Er erwiderte ihren Blick, und sein Lächeln wurde breiter. »Ich fühle mich versucht, ihnen auch ohne Anlass den Befehl dazu zu geben und ihren Leichnam dann herbringen zu lassen, um ihn den Weißen zu präsentieren. Das könnte ihnen zu denken geben.«

Die anderen Stimmen tauschten einen Blick, schwiegen jedoch.

»Aber du wirst es nicht tun«, sagte Imenja leise. »Weil sie der Grund ist, warum er uns hilft.«

Nekaun zuckte die Achseln. »Mirar wird es nicht riskieren, die freundlichen Beziehungen mit uns zu trüben.«

»Und wir sollten es ebenfalls nicht tun.«

Die Erste Stimme schnalzte verächtlich mit der Zunge. »Wir brauchen die Traumweber nicht.«

Im Raum war Stille eingekehrt. Alle lauschten und beobachteten die beiden Stimmen mit großer Aufmerksamkeit. Reivan stellte fest, dass ihr Herz hämmerte. Imenja hatte Nekaun noch nie öffentlich herausgefordert.

Imenja schürzte nachdenklich die Lippen. »Vielleicht sollten wir unser Volk befragen, bevor wir eine so weitreichende Entscheidung für die Menschen treffen. Ich möchte nicht, dass wir unnötige Meinungsverschiedenheiten unter ihnen verursachen oder ihnen den Zugang zu den überlegenen Heilkünsten der Traumweber verwehren. Vielleicht könnten wir über die Frage abstimmen.«

Sie sah die anderen Stimmen an. Sie nickten und wandten sich dann mit erwartungsvoller Miene zu Nekaun um.

Er zog die Brauen zusammen, und einen Moment lang glaubte Reivan, er werde eine finstere Miene aufsetzen. Aber er lächelte plötzlich und breitete die Hände aus. »Natürlich werden wir das tun. Nach dem Krieg. Für den Augenblick sollten wir uns auf die gegenwärtige Situation konzentrieren. Kommt und lasst euch Ais vorstellen, den König der Elai.«

Während die Stimmen ihm folgten, blieb Reivan, wo sie war. Sie beobachtete Nekaun. Irgendetwas nagte an ihr.

Dann begriff sie. Nach dem Krieg würde es keinen Sinn mehr haben, das Volk wegen der Traumweber zu befragen. Nekaun würde Auraya bereits getötet haben, oder Mirar würde versucht haben, sie zu retten, wodurch Nekaun gezwungen wäre, seine Drohung wahrzumachen.

Die Zweite Stimme sah Reivan durch den Raum hinweg an und nickte. Es war offenkundig, dass ihre Herrin ihre Gedanken gelesen hatte oder dass sie unabhängig von ihr zu derselben Schlussfolgerung gelangt war. Nekaun wusste von Imenjas Versprechen Mirar gegenüber, dass man ihm Auraya nach dem Krieg übergeben würde. Wollte Nekaun die anderen Stimmen mit seinem Gerede, Auraya zu töten, nur reizen? Oder würde er sie töten, um dem einzigen Versuch der anderen Stimmen, sich in seine Herrschaft einzumischen, zu trotzen?

Reivan schauderte. Sie konnte nicht sagen, was wahrscheinlicher war.

Die endlosen Tage im Plattan hatten Danjins körperliche Verfassung nicht gerade verbessert. Schweiß lief ihm übers Gesicht und durchnässte seine Tunika. Als er die Riemen umfasste, schnitten sich ihm die Ringe an den Fingern ins Fleisch. Seine Schultern schmerzten, und er sehnte sich danach, sich einfach niederzulegen und das Bewusstsein zu verlieren.

»Lass dir Zeit«, hatte Ella gesagt und ihm auf die Schulter geklopft. »Nimm dir die ganze Nacht, wenn es nötig ist. Sorge nur dafür, dass du bis zum Sonnenaufgang weit genug entfernt bist.«

Dann hatte sie ihn und das Boot so weit sie konnte aufs Meer hinausgestoßen. Nach dem Funkeln der Lichter zu beiden Seiten schätzte er, dass sie ihn über die halbe Strecke des Golfs getrieben hatte. Sobald das Boot seine Fahrt verlangsamt hatte, hatte er zu rudern begonnen.

Etwa alle hundert Ruderschläge hielt er inne, um Atem zu schöpfen. Als er das nächste Mal den hundertsten Ruderschlag erreichte - er hatte schon vor langer Zeit den Überblick verloren, wie viele hundert es inzwischen waren -, drehte er sich um und blickte hinter sich. Zu seiner Erleichterung war es ihm gelungen, in die richtige Richtung weiterzurudern. Die Lichter des pentadrianischen Lagers befanden sich zu seiner Linken. Zu seiner Rechten herrschte Dunkelheit. Hinter sich konnte er gerade noch eine dünne, bleiche Linie erkennen: den Strand.

Und während er dorthin schaute, flammte ein winziges, blaues Licht auf und erlosch sofort wieder.

Endlich! Das Signal! Er drehte sich wieder um und legte sich, angespornt von einer zweifelnden Erregung, abermals in die Riemen. Er verspürte sogar eine gewisse Befriedigung darüber, dass er für eine Aufgabe auserwählt worden war, die eigentlich eher einen jüngeren, abenteuerlustigeren Mann erfordert hätte.

»Warum ich?«, hatte er Ella gefragt.

»Du kennst Auraya gut genug, um ihr zu widerstehen, sollte sie sich durch den Ring mit dir in Verbindung setzen und versuchen, dich auf ihre Seite zu ziehen. Außerdem bist du klug genug, um Heldentaten zu vermeiden.«

»Wie dem Versuch, sie zu retten?«

Sie hatte gelächelt. »Ja. Selbst wenn dein Geist abgeschirmt ist, würdest du niemals in das Sanktuarium hineinkommen oder ihre Wachen überwältigen können.«

Natürlich hatte er diese Möglichkeit erwogen. Wenn er die Chance bekommen hätte, Auraya zu befreien, hätte er es getan. Nicht nur aus Sorge und aus Treue ihr gegenüber, sondern auch um der Zirkler willen. Sie brauchten ihre Stärke, um die Waagschale wieder zu ihren Gunsten zu senken.

Aber die Weißen hatten Danjin nicht ausgeschickt, um Auraya zu befreien. Sie hatten ihn fortgeschickt, um sich mit dem zweiten Grund zu treffen, der das Gleichgewicht der Macht störte.

Der Boden des Bootes knirschte über Sand. Danjin zog die Riemen ein und wappnete sich gerade gegen die Schwierigkeit, aufstehen zu müssen, als er um ein Haar von seinem Sitz gefallen wäre, als das Boot von einer unsichtbaren Kraft ans Ufer gezogen wurde. Er hielt sich fest und drehte sich um, wobei er erwartete, jemanden zu sehen, der am Bug zog.

Aber da war nichts. Er bewegte sich auf einen Schatten zu, der die Gestalt eines Mannes hatte. Wohl ein Dutzend Schritte davor blieb das Boot stehen. Danjin erhob sich und stieg aus. Kaltes Wasser umspülte seine Füße und Knöchel. Er blickte stirnrunzelnd hinab, aber nicht wegen seiner durchnässten Hosen und Stiefel.

Ich sollte mich besser gut mit ihm stellen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich dieses Boot allein zurück in tieferes Wasser ziehen könnte.

Er blickte zu der Gestalt auf, holte tief Luft und watete darauf zu. Dass er verraten worden und dies ein Götterdiener war, war die schlimmste Möglichkeit, aber nicht die einzige Quelle seiner Furcht. Selbst wenn es der richtige Mann war, und obwohl Danjin schon früher mit ihm gearbeitet hatte, gab es so vieles an ihm, was man fürchten und missbilligen konnte.

Als Danjin sich einige weitere Schritte genähert hatte, blickte er der Gestalt in das immer noch kaum erkennbare Gesicht.

»Willkommen in Südithania, Danjin Speer«, sagte Mirar trocken.

Ein Frösteln überlief Danjin. Die Stimme war allzu vertraut, aber der Tonfall hatte etwas an sich, das er noch nie zuvor bei diesem Mann gehört hatte. Leiard war stets wortkarg und würdevoll gewesen. Wenn er etwas gesagt hatte, dann stets auf eine ruhige, beinahe entschuldigende Weise.