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Er floh.

Lächelnd richtete sie sich auf, zog abermals Magie in sich hinein und sandte sie in ihren Körper, um ihn zu heilen. Aber noch während sie das tat, spürte sie, dass die Quelle verebbte. Als sie sich weiter von dem Thron entfernte, stellte sie zu ihrer Verwirrung fest, dass sie sich abermals an einer Stelle befand, an der es keine Magie gab.

Dann fiel ihr wieder ein, dass der Leere Raum in der Höhle in Si ebenfalls in seinem Zentrum Magie enthalten hatte. Ein Ring der Leere umgab einen magischen Kern. Hier war es genauso - oder zumindest war es so gewesen, bis sie die letzte Magie verbraucht hatte.

Je schneller sie den Leeren Raum verließ, desto besser. Sie ging um den Thron herum bis zum Rand des Podests und stieg dann herunter. Sie war wieder von Magie umgeben. Sie zog sie in sich hinein und spürte, wie der Schmerz zurückwich, während sie sich heilte.

»Auraya.«

Ihr Herz erstarrte, als sie die Stimme erkannte. Sie drehte sich um, und ihr Mund wurde trocken.

Eine leuchtende Gestalt stand in der Nähe, und in ihren Augen loderten Zorn und Hass.

Huan.

Auraya verstärkte hastig die Barriere um sich herum.

»Tut mir leid, dass ich dir deinen Fluchtversuch verderbe«, sagte die Göttin.

»Nein, es tut dir nicht leid«, stieß Auraya hervor. Das Entsetzen war einer eigenartigen Mischung aus Trotz und Resignation gewichen. »Du hast nach einem Vorwand gesucht, mich zu töten, und jetzt hast du ihn gefunden.«

»Ich will dich nicht töten«, erklärte Huan. »Aber ich werde es tun, wenn es sein muss.« Sie machte einen Schritt auf Auraya zu. »Ich werde einen Handel mit dir schließen.«

»Einen Handel?«

»Ja. Ich bitte nur um eine Kleinigkeit: dass du deinen Geist für mich öffnest. Dafür werde ich dich am Leben lassen.«

Auraya betrachtete die leuchtende Gestalt. Hinter den Zügen der Göttin konnte sie gerade noch den leeren Gesichtsausdruck des Götterdieners erkennen, der ihr seinen Willen überlassen hatte. Es war der Ergebene Götterdiener, der solchen Missmut darüber empfunden hatte, dass er sie bewachen musste. Der mächtigste Ergebene Götterdiener in Glymma. Die Göttin würde seine Kräfte verstärkt haben, aber in welchem Maß? Gewiss würde er nicht so stark sein wie die Stimmen.

Gleichzeitig erwog sie Huans Bitte. Was würde es schaden, wenn ich ihr meinen Geist offenbarte? Huan würde wissen, dass Auraya eine Unsterbliche geworden war, aber das vermutete sie wahrscheinlich ohnehin. Sie würde wissen, dass Auraya von Jade - Emerahl - gelernt hatte. Sie würde erfahren, dass es noch andere Wilde gab, die wussten, wie man einen Gott tötete.

Ich weiß ebenfalls, wie man einen Gott tötet. Wenn sie das sieht, wird sie mich auf jeden Fall töten.

Außerdem würde sie erfahren, dass Auraya stark genug war, um eine Göttin zu werden, aber wenn Chaia das wusste, argwöhnte Huan es vermutlich ebenfalls.

Wenn es so ist, dann muss ich stärker sein als dieser Ergebene Götterdiener.

Bei diesem Gedanken trat ein Lächeln in Aurayas Züge. »Ich glaube nicht, dass du mich daran hindern kannst fortzugehen.«

Huans Augen blitzten auf. »Du irrst dich. Aber wenn es einer Bestätigung bedarf…«

Die leuchtende Gestalt öffnete eine Hand. Weißes Licht flammte auf und prallte gegen Aurayas Barriere. Auraya taumelte rückwärts und zog weitere Magie in sich hinein, um sich zu verteidigen, dann erwiderte sie den Angriff der Göttin.

Sofort entbrannte ein tödlicher Kampf zwischen ihnen, bei dem es um Stärke und Schnelligkeit ging. Sie spürte, wie die Magie um sie herum schwächer wurde, da sie beide danach griffen. Die Luft zwischen ihnen vibrierte. Auraya wehrte Hitze, Blitze und gewaltige, unbarmherzige Stöße ab.

Sie zieht Schlag um Schlag mit mir gleich. Diese Erkenntnis war schlimmer als die ungeheure Wucht von Huans Angriff. Der Ergebene Götterdiener muss mächtiger sein, als ich gedacht habe. Wenn die Pentadrianer ihre Stimmen wählen, ist es wahrscheinlich möglich, dass es Ergebene Götterdiener gibt, die ebenso mächtig oder mächtiger sind, als die Stimmen es waren, bevor die Götter ihre Kräfte verstärkt haben.

Huan kam näher, versperrte ihr den Fluchtweg und drängte sie auf eine Seite der Halle hinüber. Auraya kam nicht an ihr vorbei. Langsam verebbte die Magie, die sie erreichen konnte, und sie musste zurückweichen, um mehr Magie in sich hineinziehen zu können. Huan beobachtete sie lächelnd.

Ich habe verloren. Es ist nur noch eine Frage der Zeit.

Aber Auraya kämpfte weiter und weigerte sich aufzugeben. Sie benutzte die Säulen der Halle, um sich zu beschirmen. Huan sprengte große Steinbrocken aus den Säulen, und eine nach der anderen brach zusammen, bis Auraya befürchtete, dass das Dach einstürzen würde. Als die Magie in der Halle so dünn geworden war, dass Auraya ihren Angriff nicht länger aufrechterhalten konnte, verlor sie an Boden. Huan drosch auf ihre Barriere ein, die schließlich nachgab.

Eine eigenartige Macht umschlang Auraya. Sie zog sie nach vorn, bis sie nur noch wenige Schritte von der leuchtenden Gestalt entfernt war.

»Jetzt«, höhnte Huan, »öffnen wir deinen Geist.«

Halsstarriger Trotz flammte in Auraya auf. Sie wird mich ohnehin töten, ganz gleich, ob ich es tue oder nicht.

»Nein«, entgegnete sie.

Huan kniff die Augen zusammen. »Du denkst anscheinend, du hättest eine Wahl. Ich werde dich vom Gegenteil überzeugen.«

Magie entströmte der Göttin und umschlang Aurayas Körper. Drang in ihren Körper ein. Ein bohrender Schmerz pulsierte in ihren Gliedmaßen und riss an ihrem Innern. Alles um sie herum war in grelles Weiß getaucht, und ihre Augen brannten. Die ganze Welt bestand nur aus Qual.

Dann hörte es auf. Ihre Sehkraft kehrte zurück, und sie stellte fest, dass sie auf dem Boden lag, obwohl sie sich nicht daran erinnern konnte, gefallen zu sein. Sie fühlte sich am ganzen Körper zerschunden und rang nach Luft; wahrscheinlich hatte sie während Huans Angriff zu atmen aufgehört. Unwillkürlich zog sie Magie aus der fast verebbten Quelle in sich hinein und begann, sich zu heilen.

So ist das, dachte sie. Dann soll es also Folter sein. Ihre Entschlossenheit geriet ins Wanken, bis ihr plötzlich Mirar und Jade einfielen. Ich darf sie nicht verraten. Irgendwo in den Tiefen ihres Wesens fand sie die Kraft, Stillschweigen zu bewahren.

»Siehst du?«, sagte Huan. »Es braucht nicht allzu viel Magie. Ich kann jahrelang so weitermachen, wenn ich will. Und ich kann dir viel, viel Schlimmeres antun. Ich kann dich an Schmerzen sterben lassen. Langsam. Sehr langsam.«

Erneut fragte sich Auraya, was in ihrem Geist war, das die Göttin sehen wollte. Jades Identität kam ihr in den Sinn. Die Geheimnisse, die Mirar ihr anvertraut hatte. Die Erkenntnis, dass die Wilden irgendetwas im Schilde führten. Sie wussten, wie man Götter tötete. Wollten sie es selbst versuchen?

Ich könnte Huan das alles sehen lassen und schnell sterben. Wenn ich mich ihr widersetze, wird mir das nur Schmerz eintragen.

Aber wenn ich sie in meinen Geist einlasse, werden die Wilden jedwede Chance verlieren, die Götter zu töten.

Und die Götter verdienen es zu sterben.

Sie dachte an die Geschichten, die Jade ihr erzählt hatte, an die Lügen der Götter, an Huans Intrigen und an die zum Scheitern verurteilte Mission der Siyee. Plötzlich brodelte Zorn in ihr auf. Ich kann das ertragen. Es wird nicht leicht sein… und ich hoffe inständig, dass die Wilden Erfolg haben werden. Sie funkelte Huan an. Ich möchte nicht in dem Wissen sterben, dass ich ihnen die Chance genommen habe, dieses Miststück zu töten.