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Als Huan Aurayas Blick auffing, straffte sie sich, und abermals entströmte ihr Magie. Für eine lange Zeit nahm Auraya nichts wahr als die Qual, die durch ihren Körper kroch, und die Erkenntnis, dass Schmerz ein Brennen sein konnte, eine unerträgliche Kälte, eine Vielzahl schrecklicher Gefühle.

Als es aufhörte, lag sie mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden. Ihre Nase blutete, und ihre Stirn pulsierte, als hätte ihr jemand mehrfach gegen den Kopf getreten. Sie versuchte sich zu bewegen, versuchte es mit aller Kraft. Endlich gehorchte ihr Körper ihrem Wunsch, und sie rollte sich auf den Rücken. Tausend verschiedene Schmerzen machten sich bemerkbar, und sie konnte kaum atmen.

Huan, die einige Schritte entfernt stand, sah auf sie herab.

»Du stirbst«, stellte sie fest.

Ihr Götter, wie sehr ich mir wünschte, ich könnte ihr diesen selbstgefälligen Ausdruck aus dem Gesicht schlagen - oder ihr die Augen auskratzen! Aber… Huan kann mich nur durch die Augen eines Sterblichen sehen, ging es Auraya plötzlich durch den Kopf. Wenn ich sie aus diesem Götterdiener herauslocken kann, wird sie mich zumindest nicht sterben sehen. Ha! Wenn ich sie aus dem Götterdiener herausbekäme, könnte sie mir überhaupt nichts mehr antun!

»Wirklich Pech«, stieß Auraya mit zusammengebissenen Zähnen hervor. »Selbst wenn Chaia meine Seele nimmt, werde ich dir nicht verraten, was ich weiß.«

Huan lachte. »Chaia ist nicht hier. Und ich will deine Seele nicht. Du wirst aufhören zu existieren.«

Auraya lachte. »Wenn die Götter an dem Ort sein müssten, an dem ein Mensch stirbt, um seine Seele zu nehmen, könnten sie unmöglich alle Seelen aufnehmen. Sie müssten an zu vielen Orten gleichzeitig sein…« Sie hielt inne, um Atem zu schöpfen. »Aber ihr nehmt keine Seelen, nicht wahr? Es ist alles eine Lüge.«

Huans leuchtende Augenbrauen hoben sich. »Tatsächlich? Was macht dich da so sicher?«

»Chaia hat es mir erzählt«, log Auraya.

»Ach ja?« Huans Augen wurden schmal. »Ich glaube nicht, dass er dich so sehr mag, wie er behauptet. Er liefert mir immer neue Gründe, dich zu töten.«

»Dann töte mich.«

Huan schüttelte den Kopf. »Glaubst du wirklich, ich würde dich sterben lassen, ohne vorher in deinen Geist zu blicken? Ich muss wissen, was er sonst noch preisgegeben hat.«

Auraya hatte nur einen Augenblick Zeit, um den bitteren Triumph über die Entdeckung auszukosten, dass Mirars »Geheimnis« der Wahrheit entsprach, bevor der Schmerz von neuem einsetzte. Diesmal war es noch schlimmer, und als der Angriff endete, blieb der Schmerz bestehen. Sie spürte warme Feuchtigkeit hinter dem Kopf, und als sie sich bewegte, knirschte ihr Schädel auf beunruhigende Weise. Ein Stechen in einem ihrer Arme sagte ihr, dass ein Knochen gebrochen war. Ihre Fersen schienen in Flammen zu stehen. Ihr ganzer Körper war zerschunden. Ihr Kiefer tat weh, und sie hatte das Gefühl, dass ihre Zähne sich gelockert hatten.

Huan sah lächelnd auf sie herab. »Öffne mir deinen Geist, Auraya.«

Wenn ich das tue, wird sie den Götterdiener verlassen müssen, dachte Auraya. Das ist mein Köder. Wenn sie zu mir kommt, werde ich meinen Geist wieder verschließen. Aber ich kann sie nicht daran hindern, in den Götterdiener zurückzukehren…

Sie stöhnte. Der Schmerz in ihrem Kopf verschlimmerte sich. Sie zog Magie in sich hinein und begann, den Schaden zu heilen, und der Schmerz verebbte ein wenig. Es ist ein Glück, dass ich nicht in dem Leeren Raum bin.

Der Leere Raum! Wenn sie Huan dazu bringen konnte, ihn zu betreten… Nein, darauf würde die Göttin niemals hereinfallen.

»Öffne deinen Geist, und der Schmerz wird enden«, gurrte Huan und beugte sich über sie.

Ich brauche einen Leeren Raum. Sie erinnerte sich an ihre Vermutung darüber, wie sie entstanden sein mussten. Ich muss an einem bestimmten Ort alle Magie abziehen. Wenn Huan es spürt, wird sie sich davon entfernen. Und dann werde ich keine Magie mehr haben, um mich zu heilen. Abgesehen von allem, was ich vorher in mich hineingezogen habe…

»Lass mich einfach in deinen Geist sehen, und es wird alles vorüber sein.«

Sie fortlocken… einen Leeren Raum schaffen… sie daran hindern, in den Götterdiener zurückzukehren. Plötzlich fügte sich alles zusammen. Auraya schlug die Augen auf und starrte Huan an.

»Also schön«, krächzte sie. »Schau hinein. Schau hinein und sieh, wie sehr ich dich hasse.«

In Huans Augen blitzte Triumph auf. Ihre leuchtenden Züge verschwanden, und das Gesicht des Ergebenen Götterdieners erschien. Er blinzelte überrascht.

Auraya streckte ihren unversehrten Arm aus und packte den Mann am Knöchel. Gleichzeitig zog sie alle Magie in sich hinein, die sie spüren konnte. Macht durchströmte sie. Ihre Sinne ganz und gar auf die Magie der Welt eingestellt, spürte sie, wie eine Präsenz fortgezwungen wurde und dann floh. Sie spürte, wie die Magie um sie herum sich teilte wie ein zerrissener Stoff und eine Sphäre des Nichts zurückließ.

Es war ein Riss in der Welt, etwas Schreckliches. Sie schrie entsetzt auf. Eine andere Stimme erklang, und sie spürte Hände um ihren Arm. Als der Ergebene Götterdiener ihre Hand von seinem Knöchel zog, riss der Schmerz sie zurück in die Welt.

Er wird andere herrufen, falls Huan das nicht bereits getan hat, dachte sie, und Panik stieg in ihr auf. Magie entströmte ihr. Da der Mann sich noch immer in dem Leeren Raum befand, hatte er keine Chance, sich zu beschirmen. Sie hörte seine Knochen bersten, als der Angriff ihn traf. Er flog rückwärts durch den Raum und fiel mit zuckenden Gliedern zu Boden.

Sie verwandte nur einen flüchtigen Augenblick des Mitleids auf ihn, dann schrie ihr Körper wieder nach ihrer Aufmerksamkeit. Sie benutzte alle Magie, die sie in sich hineingezogen hatte, und heilte möglichst viel von dem Schaden in ihrem Körper, bevor sie aus dem Leeren Raum kroch und abermals nach Magie griff. Gebrochene Knochen fügten sich langsam zusammen, Schwellungen gingen zurück, und blaue Flecken verblassten. Schließlich erhob sie sich. Abermals wurde sie von stechenden Schmerzen bestürmt, als die Nerven, die unter Huans Folter bis zum Bersten gespannt worden waren, protestierten.

Sie ging zum Tor, wo stärkere Magie sie umgab. Sie brauchte nur wenig davon, um das Schloss aufzubrechen. Dann drehte sie sich um und ließ den Blick durch die Halle wandern. Ihr kam der Gedanke, dass sie sie mühelos zerstören könnte. Aber dann fiel ihr ein, dass sich noch jemand darin befand, dem sie auf keinen Fall Schaden zufügen wollte.

»Unfug«, rief sie leise. »Unfug!«

Eine kleine, pelzige Gestalt sprang vom Thron und kam auf sie zugehüpft. Der Veez schnellte an ihrer blutverschmierten Kleidung empor, hinauf auf ihre Schultern. Auraya kraulte ihn zwischen den Ohren und trat aus der Halle in den Tunnel.

Und fand sich einer Handvoll Götterdienern gegenüber. Sie standen in einer Reihe und blockierten den Durchgang. Einen Moment später spürte sie, wie Huan sich ihnen anschloss.

Bei den Göttern, verflucht soll sie sein!, schoss es ihr durch den Kopf. Dann wurde ihr die Ironie dieses Gedankens bewusst, und sie stieß ein halb ersticktes, irre klingendes Lachen aus.

Sie kann mich nur angreifen, wenn sie von einem Götterdiener Besitz ergriffen hat, aber diese Männer sind wahrscheinlich nicht so stark wie der letzte. Die Starken sind in die Schlacht gezogen.

Als die Götterdiener sie attackierten, stellte Auraya zu ihrer Erleichterung fest, dass sie recht gehabt hatte. Aber weitere würden sich dieser Gruppe anschließen, während sie versuchte, sich einen Weg aus dem Gebäude zu kämpfen.

Muss ich das überhaupt tun?

Abermals verspürte sie den Drang, diesen Ort zu zerstören. Sie wusste, dass sich über der Halle eine dicke Felsschicht befand, auf der die Gebäude des Unteren Sanktuariums standen. Sie entfernte sich einige Schritte von den Götterdienern und zog sich auf die Seite der Halle zurück, in der es noch Magie gab. Die Männer folgten ihr. Als sie direkt innerhalb des Tores stand, wandte sie sich zu dem Raum um, zog Magie in sich hinein und richtete sie gegen die Decke.