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Jetzt trat einer der Fremden, ein blonder Mann mit tadellos geschnittenem Haar, einen Schritt vor.

»Du hast recht«, sagte er. »Du wirst uns ganz gewiss nicht noch einmal belästigen.«

Dann wurde die Gasse plötzlich von Magie verzerrt. Ranaan hörte Fareeh rufen, dass er innerhalb seines Schildes bleiben solle. Während von allen Seiten Angriffe kamen, kauerte er sich dicht an seinen Lehrer.

Die Angriffe kommen von allen Männern. Sie alle besitzen Gaben. Wie kann das sein? Kaufen die Reichen magische Ausbildung für jene unter ihren Söhnen, die nicht Priester werden?

Fareeh stieß ein leises, verärgertes Brummen aus. Dann griff er hinter sich und packte Ranaan am Arm. Er zog seinen Schüler herum und beugte sich zu ihm vor.

»Ich werde sie aufhalten«, murmelte er. »Du gehst. Geh ins Hospital. Hol Hilfe.«

Ranaan taumelte, als Fareeh ihn wegstieß. Er sah, wie die Fremden sich umdrehten, um ihn anzugreifen, und nackte Angst stieg in ihm auf. Seine Beine fanden ihre Kraft wieder, und er floh. Nichts hielt ihn auf. Niemand trat aus der Dunkelheit, um ihm den Weg zu versperren. Am Ende der Straße stürzte er um die Ecke und rannte los.

Einige Straßen später wurde ihm klar, dass niemand ihm folgte, und die Panik verebbte langsam. Als sein Verstand wieder einsetzte, blieb er stehen und machte sich zwei Dinge klar: Fareeh hätte Ranaan nicht um Hilfe geschickt, wenn er geglaubt hätte, dass er sich allein befreien könnte.

Natürlich. Sie waren zu acht!

Das Hospital war noch einige Straßen entfernt. Fareeh konnte unmöglich acht Zauberer so lange aufhalten, dass Ranaan mit Hilfe zurückkehren konnte.

Ich sollte zurückgehen und ihm helfen, dachte er.

Sei nicht dumm. Was kannst du schon ausrichten? Willst du ihnen Kräuterkuren hersagen?

Die Unentschlossenheit lähmte ihn. Plötzlich konnte er Stimmen hinter sich hören. Gelächter. Hämisches Gekicher. Er erkannte die hohe Stimme des fetten Mannes und schauderte.

Als ihm bewusst wurde, dass er mitten im Lichtschein einer Lampe stand, wirbelte er herum und suchte nach einem Versteck. Das nächstgelegene war die nicht übermäßig tiefe Nische eines Hauseingangs. Er sprang hinein und drückte sich zitternd an den Türrahmen.

Die Stimmen wurden lauter. Worte wie »einfach«, »jämmerlich« und »gute Arbeit« drangen an sein Ohr. Dann befahl einer der Männer den anderen, den Mund zu halten.

Sie wurden still. Ein eindringliches Gespräch folgte, dann erklangen Schritte. Als die Männer sich seinem Versteck näherten, hielt Ranaan den Atem an.

»Beeilt euch!«

Die Schritte wurden schneller. Zwei Männer liefen an Ranaan vorbei und verschwanden am Ende der Straße. Andere Schritte verklangen, während die Männer sich aufteilten und in verschiedene Richtungen gingen.

Dann lauschte Ranaan den Geräuschen der Straße: dem leisen Rascheln, das, wie er hoffte, von Tieren stammte, den schwachen Stimmen eines Streits irgendwo in dem Haus, in dessen Eingang er stand, dem Plätschern von Wasser oder einer Kanalisation irgendwo unter ihm.

Vorsicht und Furcht kämpften gegen das Verlangen zu entdecken, was Fareeh zugestoßen war. Zu guter Letzt, überzeugt davon, dass die Angreifer fort waren, trat er von der Tür weg, schlich an der Mauer entlang bis zur Ecke und spähte in die Gasse. Es gab dort zu viele dunkle Stellen, als dass er hätte sicher sein können, dass niemand auf ihn wartete. Mit hämmerndem Herzen zwang er sich, in die Gasse zu treten.

Sein Atem kam ihm unnatürlich laut vor. Er erreichte das vorspringende Gebäude und blickte darum herum. Die Gasse lag im Dunkeln, aber als er zu Boden sah, erkannte er eine Gestalt mit menschlichen Umrissen.

Fareeh …

Er schluckte heftig, dann ging er langsam auf die Gestalt zu. Es war eindeutig ein Mann, und das Wams war das eines Traumwebers. Ranaans Stiefel machten leise, glucksende Geräusche, als er sich der Gestalt näherte. Er blickte hinab und sah, dass der Boden schwach glänzte. Dann erkannte er den durchdringenden Geruch in der Luft. Blut.

Das Risiko, dass die Angreifer zurückkehren könnten, spielte plötzlich keine Rolle mehr. Er konzentrierte sich und brachte einen Lichtfunken zustande. Der Anblick von Fareehs leeren, weit aufgerissenen Augen und der großen, roten Blutpfütze, die sich hinter dem Kopf des Mannes ausbreitete, erschreckte Ranaan so sehr, dass sein Licht erlosch. Er konnte nicht richtig atmen und hörte sich einige Worte hervorstoßen, während er auf das Gesicht seines toten Lehrers hinabstarrte.

»Nein. Nicht Fareeh. Das kann nicht sein.«

Dann berührte ihn jemand sacht an der Schulter. Ranaan zuckte zusammen und fuhr herum; die Angst war plötzlich wieder da. Ein Mann trat einen Schritt zurück. Ranaan hatte den Fremden nicht näher kommen hören, hatte nicht einmal das Licht von dem Funken bemerkt, der über dem Kopf des Fremden schwebte.

Aber das Gesicht des Mannes gehörte nicht zu einem der Angreifer. Es war ein fremdes Gesicht, doch der Ausdruck darauf war voller Mitgefühl. Der Mann blickte über seine Schulter.

»Da kommt jemand. Du begleitest mich am besten.«

Ranaan zögerte und wandte sich wieder zu Fareeh um.

»Nichts kann ihm jetzt noch helfen. Lass ihn liegen, oder du wirst genauso enden wie er.«

Ranaans Beine gehorchten ihm widerstrebend. Der Fremde umfasste seinen Arm und zog ihn zu einer Tür. Gemeinsam gingen sie einen langen Flur hinunter und gelangten in eine andere Gasse.

Ein Labyrinth von Gassen und Durchgängen folgte. Die Zeit verstrich. Ranaan nahm nur am Rande wahr, wohin der Fremde ihn führte. Irgendwann gelang es ihm, sich hinreichend zu fassen, um nach dem Namen seines Retters zu fragen.

»Amli.«

»Dann kommst du also aus Sennon?«

»Aus dem Süden.«

»Warum hilfst du mir?«

»Weil du Hilfe brauchst. Wo ich herkomme, liefern die Menschen ihre Mitsterblichen nicht an Räuber oder Mörder aus - nicht, wenn sie es verhindern können.«

Ranaan zuckte zusammen. »Er hat mir aufgetragen, wegzulaufen und Hilfe zu holen.«

»Ah. Tut mir leid. Ich habe nicht von dir gesprochen, sondern von mir. Du konntest deinen Freund nicht retten. Ich konnte es allerdings auch nicht, muss ich zugeben. Es waren zu viele.«

»Er wusste es. Er wusste, dass ich nicht rechtzeitig würde zurückkehren können.«

»Das ist wahrscheinlich. Es ist auch wahrscheinlich, dass er dich fortgeschickt hat, um dein Leben zu retten.«

Ranaan schüttelte den Kopf. »Ich sollte ins Hospital zurückkehren und den anderen sagen, was geschehen ist.«

Amli blieb stehen und legte ihm eine Hand auf den Arm. »Diese Banditen werden dort auf dich warten. Es würde mich nicht überraschen, wenn sie auch vor deinem Quartier, wo immer das sein mag, warten würden, wenn du nicht mehr im Hospital auftauchst. Du bist ein Zeuge. Hast du sie richtig sehen können?«

»Ja.«

»Dann darfst du nicht zurückkehren. Sie werden das Risiko nicht eingehen, dass du sie identifizieren kannst.«

Ranaan schauderte. »Glaubst du, der Patient, nach dem wir sehen sollten, war nicht echt? Glaubst du, es war ein Hinterhalt?«

»Wolltet ihr einen Krankenbesuch machen?«

»Ja. Wir hatten eine genaue Wegbeschreibung.«

Amli blickte grimmig drein. »Dann war es wahrscheinlich eine Falle. Je eher ich dich von den Straßen bekomme, umso besser.«

Sie gingen weiter. Ranaan konnte den Gedanken an Fareehs Leiche, die verlassen in der Gasse lag, nicht abschütteln. Er konnte an nichts anderes denken als an dieses Bild. Als Amli stehen blieb und eine Tür öffnete, ließ Ranaan sich widerstandslos in den hell erleuchteten Raum dahinter führen.