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Auraya liebt dich nicht, Mirar. Sie hat Leiard geliebt. Obwohl sie weiß, dass er ein Teil von dir ist, ist das nicht genug. Du bist ein Fremder für sie, und sie vertraut dir nicht. Ich kann ihr keinen Vorwurf daraus machen. Ich würde genauso empfinden.

Er sagte nichts. In Emerahls Worten schwang nichts von einer Lüge mit. Es war unmöglich, irgendetwas von dem, was sie gesagt hatte, falsch zu verstehen. Er fühlte sich plötzlich leer. Dort, wo zuvor etwas Wunderbares und Strahlendes gewesen war, war jetzt nur noch ein hohler Raum. Ein Rauchfaden, wo zuvor ein Feuer geschwelt hatte …

Oh, was faselst du da nur?, schoss es ihm durch den Kopf. Dein Herz ist also einmal mehr gebrochen worden. Wirst du dich jetzt wieder als Dichter versuchen? Ich bin mir nicht sicher, ob die Welt das überleben würde. Obwohl es vielleicht eine hübsche Idee wäre, um die Götter zu quälen.

Aber Sarkasmus und Selbstironie halfen nicht. Das hatten sie noch nie getan. Dies war etwas, das er für den Augenblick einfach würde ertragen müssen. Und irgendwann würde er Auraya vergessen.

Obwohl das vielleicht ein wenig schwierig werden könnte, wenn sie unsterblich ist. Wenn ich jedes Mal, wenn ich sie sehe oder etwas über sie höre, all die Hoffnung und den Schmerz noch einmal durchmachen müsste. Und wenn

Mirar?

Oh. Emerahl. Entschuldige.

Ist alles in Ordnung mit dir?

Natürlich nicht. Aber ich werde mich auch nicht aus dem Fenster stürzen. Wenn Auraya und ich irgendwann in Zukunft ein wenig Zeit miteinander verbringen und einander neu kennenlernen, glaubst du, dass dann eine Chance besteht, dass sie …?

Ich würde mir an deiner Stelle keine allzu großen Hoffnungen machen. Es gibt noch etwas, das du wissen musst. Sie hatte in der Zwischenzeit einen anderen Geliebten.

Ich weiß. Das habe ich aus ihren Gedanken gelesen, als ich sie zu heilen lehrte.

Hast du herausgefunden, wer es war?

Nein. Ein Gefühl böser Vorahnung schloss sich um Mirar. War es Juran? Das wäre verständlich. Das könnte ich akzeptieren.

Es war nicht Juran. Sie hielt inne. Während das Schweigen sich in die Länge zog, wurde Mirar ungeduldig. Dramatisierte sie das Ganze, oder widerstrebte es ihr tatsächlich, es ihm zu erzählen?

Es war Chaia.

Er spürte, wie sein ganzes Wesen vor Kälte erstarrte. Eine Erinnerung an hilflose Eltern und ein dünnes, ausgezehrtes Mädchen stieg in ihm auf. Man hatte noch Spuren der Schönheit sehen können, die das Gesicht der jungen Frau einst besessen hatte, aber in ihren Augen hatte Wahnsinn gestanden. Sie war ans Bett gefesselt gewesen, denn wenn sie frei war, kratzte und kniff sie sich ständig, am häufigsten zwischen den Beinen und an den Brüsten.

In jenen Zeiten hatte es keine Gesetze gegeben, die Traumheilungen untersagten. Er hatte sich mit dem Geist des Mädchens vernetzt. Er hatte erwartet, mit etwas Unangenehmem konfrontiert zu werden. Aber was er sah, hatte seinen Hass auf die Götter um ein Zehnfaches gesteigert.

Chaia.

Der Gott hatte dieses Mädchen zu seiner Geliebten gemacht und Magie auf eine Weise genutzt, die exquisite Wonnen bereitete. Was er von ihr als Gegenleistung erhalten hatte, hatte Mirar nie herausfinden können. Als Chaia ihrer müde geworden war, hatte er sie in diesem Zustand sich selbst überlassen, erfüllt vom wilden Verlangen nach einer Lust, die ihr Körper ihr auf natürliche Weise nie wieder verschaffen konnte.

Mirar hatte sie nur vor dem Wahnsinn bewahren können, indem er einen Teil ihrer Erinnerungen blockierte. Von da an aß sie widerstrebend und fand nie wieder Interesse am Geschlechtsakt, und sie lebte in einem Zustand ständiger Langeweile. Es war ihr unmöglich, Freude irgendeiner Art zu empfinden. Er hatte beinahe gewünscht, er hätte sie sterben lassen.

Es ist Vergangenheit, versicherte Emerahl ihm. Sie scheint unter keiner der üblichen Folgen zu leiden.

Er hatte keinen Hinweis auf Wahnsinn gefunden, als er Auraya in Si zu heilen gelehrt hatte. Aber andererseits hatten Chaias Opfer nicht alle den Verstand verloren - lediglich ihre Fähigkeit, das Leben und den Sex zu genießen.

Kein Wunder, dass Auraya nichts empfindet …

Mirar? Geht es dir gut?

Natürlich nicht, entgegnete er ein wenig zu scharf. Tut mir leid, Emerahl. Ich werde später mit dir reden.

Er zog sich aus ihrem Geist zurück, öffnete die Augen und starrte an die Wand vor ihm.

Chaia. Von allen Geliebten, die sie hätte erwählen könnenfalls sie überhaupt eine Wahl hatte

Es klopfte leise an der Tür.

Er blickte langsam auf. Das gleiche hoffnungsvolle Klopfen war jede Nacht ertönt. Leise, um ihn nicht zu erschrecken. Es wurde niemals wiederholt, als diene es nur dazu, ihm klarzumachen, dass sie noch immer Interesse hatte.

Dardel.

Er sollte das Klopfen ignorieren. Aber welche Alternative hatte er, abgesehen davon, dass er die ganze Nacht wach liegen und grübeln konnte? Was würde das nützen?

Er erhob sich vom Bett. Als seine Hand auf dem Türknauf lag, hielt er inne, aber sein Gewissen blieb still. Stattdessen kehrten seine Gedanken unweigerlich dorthin zurück, wo er sie nicht haben wollte.

Chaia.

Er öffnete die Tür und zog die lächelnde, angenehm überraschte Dardel in sein Zimmer.

9

Es war so einfach.

Auraya lief im Leeren Raum auf und ab. Während der letzten Stunde war sie immer wieder im Kreis gegangen und hatte langsam den Rand des Bereichs abgeschritten, in dem es keine Magie gab. Obwohl ihr Gedankenschild zu einer ständigen Angewohnheit geworden war, über die sie sich kaum noch den Kopf zerbrach, wollte sie den Leeren Raum nicht verlassen, bevor Jade ihr bestätigte, dass sie es ohne Gefahr tun konnte.

So einfach. Ich kann nicht fassen, dass es so einfach war. Und man braucht dazu praktisch keine Magie.

Nachdem Jade am Morgen aufgebrochen war, hatte Auraya den Rat der älteren Frau befolgt: Sie hatte einige Zeit damit verbracht, über magische Heilung nachzudenken und wie sie sie auf sich selbst anwenden konnte. Die Neugier hatte sie dazu getrieben, sich auf ihren Körper zu konzentrieren und vorsichtige Experimente anzustellen. Binnen weniger Augenblicke war ihr die Logik dessen, was Jade ihr erklärt hatte, bewusst geworden.

Andere Überlegungen hatten sie veranlasst, den nächsten Schritt zu tun und das Wissen anzuwenden. Wenn sie in den Augen der Götter verdammt war, nur weil sie wusste, wie sie unsterblich werden konnte, dann konnte sie auch geradeso gut zu einer Unsterblichen werden.

Es war überraschend einfach gewesen.

Die Erkenntnis, dass sie dieselbe Gabe benutzen konnte, um sich von fast jeder Verletzung zu heilen, hatte ihr geholfen, diesen Entschluss zu fassen. Diese Gabe hatte es Mirar ermöglicht, zerschmettert unter einem Gebäude zu überleben. Wenn sie Huan trotzte, würde sie vielleicht etwas Ähnliches tun müssen.

Der Gedanke, so zu enden wie Mirar, als gejagte Feindin der Göttin, entsetzte sie, aber sie klammerte sich an die Hoffnung, dass sie Chaias Anhängerin bleiben würde.

Er wird mir verzeihen, wenn er erfährt, dass Huan mir die magische Heilung zu erlernen gestattet hat, um den anderen Göttern die Erlaubnis abzuringen, mich zu töten.

»Wir verschaffen uns ein wenig Bewegung, wie?«

Auraya drehte sich um und sah Jade mit zwei Eimern in die Höhle treten. Sie zuckte die Achseln, dann folgte sie Jade zu den Betten hinüber, neugierig zu sehen, was die Frau diesmal gefunden hatte. Jade stellte die Eimer neben dem Kochstein ab.