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»Es wird dich freuen zu hören, dass du den Leeren Raum jetzt verlassen kannst«, sagte sie. »Ich habe deine Gefühle und Gedanken seit Tagen nicht mehr wahrnehmen können.«

»Ich hatte schon vermutet, dass es bald so weit sein würde«, erwiderte Auraya. Beide Eimer waren gefüllt mit klarem Wasser, aber in einem schwammen eigenartige Geschöpfe. »Was sind das für Tiere?«

»Shrimmi. Sie sind schwer zu fangen, aber köstlich. Ich dachte, wir könnten uns ein schönes Abschiedsessen gönnen, bevor ich aufbreche.«

»Wann gehst du fort?«

»Morgen.«

Auraya ging zu ihrem Bett und setzte sich. Es juckte sie in den Fingern, Jade zu erzählen, dass sie Unsterblichkeit erreicht hatte. Außer Mirar gab es niemanden, der ihr dazu gratulieren würde, statt entsetzt zu sein. Und Jade hatte gewollt, dass sie das Geheimnis entschlüsselte.

Dennoch war gerade das der Grund, warum Auraya zögerte. Was war, wenn Jade einen geheimen, boshaften Grund hatte, Auraya dazu zu verleiten, diese Gabe zu erlernen?

Ich weiß nicht, wie weit ich dieser Frau vertrauen kann. Sie behauptet, sie habe mir auf Mirars Bitte hin geholfen, aber es könnte noch einen anderen Grund dafür geben, einen Grund, den ich nicht kenne.

Eines lag auf der Hand: Indem Jade einer der Anhängerinnen der Götter geholfen hatte, Gaben zu erlernen, die sie missbilligten, hatte sie einen kleinen Schlag gegen sie geführt. Aber falls es Jades Absicht war, Zwistigkeiten zwischen den Göttern und einer ihrer Anhängerinnen zu stiften, hatte sie einen Konflikt, der ohnehin bereits schwelte, nur geringfügig verschärft. Trotzdem, falls das tatsächlich Jades Ziel gewesen war, wäre es besser, Gewissheit zu haben.

Und Auraya konnte keine andere Möglichkeit erkennen, wie man ihre neu gewonnene Unsterblichkeit gegen sie verwenden konnte. Doch wenn es eine solche Möglichkeit gab, sollte sie davon erfahren.

»Ich bin deinem Rat gefolgt und habe gründlich nachgedacht«, begann Auraya.

Jade blickte auf und zog die Augenbrauen hoch. »Ach ja? Was hast du herausgefunden?«

»Du hattest recht. Es war einfach.«

»Einfach, wie?« Jade schüttelte den Kopf. »Ein einziger Versuch. Ich habe noch nie von jemandem gehört, der so schnell lernt.« Sie kniff die Augen zusammen. »Bist du dir sicher?«

Auraya lächelte, erheitert über den Argwohn der anderen Frau. »Ganz sicher. Aber andererseits wusste ich bereits, wie man heilt.«

Jade nickte und wandte den Blick ab. Dann griff sie nach dem Eimer und goss klares Wasser in die Aushöhlung des Kochsteins.

»Gibt es noch andere Dinge, für die man diese Gabe benutzen kann?«, fragte Auraya.

Die Frau sah sie scharf an. »Was zum Beispiel?«

»Mir ist der Gedanke gekommen, dass man sie benutzen könnte, um das Aussehen einer Person zu verändern.«

Jade musterte Auraya versonnen. »Möchtest du dein Aussehen verändern?«

»Ich?« Auraya lachte leise. »Wenn ich etwas aus meiner Fähigkeit, Gedanken zu lesen, gelernt habe, dann dies: Die Menschen sind nie zufrieden mit ihrem Aussehen. Ich würde gern einige Dinge korrigieren. Ich habe sogar erwogen, es zu versuchen, aber ich hatte keinen Spiegel, und ich dachte, ich sollte dich vielleicht vorher fragen, für den Fall, dass ich etwas Dauerhaftes tue.«

»Das war klug.«

»Dann habe ich mich gefragt, ob ich mich anders fühlen würde, wenn ich mein Aussehen veränderte«, fuhr Auraya fort. »Wenn ich mich anders fühlen würde, würde das bedeuten, dass ich ein anderer Mensch wäre? Und wenn ich erst einmal angefangen hätte, würde ich dann in Versuchung geraten, immer wieder etwas verändern zu wollen? Könnte ich mich sogar in eine Siyee verwandeln?« Sie schüttelte den Kopf. »Daraufhin kamen mir weitere Möglichkeiten in den Sinn. Könnte ein Mensch sein körperliches Alter oder sein Geschlecht verändern? Könnte er sich klüger machen? Also, ist es möglich, solche Veränderungen vorzunehmen?«

Jade lächelte. »Du kannst dein Aussehen verändern, aber was den Rest betrifft … Ich weiß es nicht. Es ist klug von dir zu zögern. Das Aussehen hat tatsächlich Einfluss auf die Identität eines Menschen, und Mirar ist ein gutes Beispiel dafür, was geschehen kann, wenn man an seiner eigenen Identität herumpfuscht.«

Auraya nickte. »Kann ich dich als Gegenleistung für das, was du mir beigebracht hast, ebenfalls etwas lehren?«

Jade wirkte erheitert. »Ich bitte dich nur darum, uns nicht an die Götter zu verraten.«

»Das ist annehmbar. Mit ›uns‹ meinst du dich und Mirar?«

Jade zögerte. »Ja.«

»Es würde dich also nicht interessieren zu lernen, wie man fliegt?«

Jade musterte Auraya mit undeutbarer Miene. »Das würdest du mir beibringen?«

»Ja. Ich bin neugierig - ich wüsste gern, ob auch ein anderer dazu in der Lage wäre.«

Jade blickte auf die Shrimmi hinab, dann sah sie wieder zu Auraya auf. »Ich schätze, ich könnte noch einen Tag länger bleiben.«

Dardel öffnete die Augen und war einen Moment lang verwirrt. Die Möbel in ihrem Zimmer standen falsch. Einige Dinge fehlten. Dann sah sie den Mann, der auf dem Stuhl am Fenster saß, und sie lächelte, als ihr wieder einfiel, dass sie im Zimmer von Traumweber Wilar war.

Wilar beobachtete sie. Er hatte noch immer diesen gehetzten Ausdruck in den Augen, aber als er bemerkte, dass sie wach war, verzogen sich seine Lippen zu einem schiefen Lächeln.

»Tintel hat nach dir gesucht«, bemerkte er.

Sie blickte zum Fenster hinüber. Aufgrund des Winkels, in dem das Sonnenlicht einfiel, vermutete sie, dass es später Vormittag sein musste. Sie reckte sich und kostete die Berührung des Lakens auf ihrer nackten Haut aus. »Ich habe mich gestern Nacht gefragt, ob ich überhaupt etwas Schlaf bekommen würde.«

»Ich hatte nicht den Eindruck, dass es dir etwas ausgemacht hätte.«

»Nicht das Geringste.« Sie richtete sich auf, hüllte sich in die Decke und suchte nach ihren Kleidern. Sie lagen auf dem Boden neben dem Bett. »Tatsächlich«, sagte sie, »ist mir noch nie ein Mann mit solcher Durchhaltekraft begegnet. Und ich staune auch über meine eigene Ausdauer. Ich sollte mich buchstäblich ausgelaugt fühlen, aber das ist nicht der Fall.« Sie las ihre Kleider auf, dann hielt sie inne und blickte zu ihm hinüber. »War das eine einmalige Angelegenheit?«

Seine Mundwinkel zuckten vor Erheiterung. »Es ist eine vorübergehende Angelegenheit, aber wie vorübergehend, das hängt davon ab, wie lange ich hierbleibe und ob unser beiderseitiges Interesse erhalten bleibt.«

Sie kicherte. »Ich glaube nicht, dass ich deiner müde werde. Ich glaube sogar, dass ich von jetzt an viel wählerischer sein werde, mit wem ich ins Bett gehe. Seit gestern Nacht habe ich höhere Erwartungen an einen Mann.« Sie sah ihn mit gespieltem Zorn an. »Du hast mich wahrscheinlich für alle anderen Männer ruiniert.«

Alle Erheiterung wich aus seinen Zügen, und er zuckte sichtlich zusammen. Sie bedauerte ihre Worte sofort. Zweifellos gab es einen Grund für diesen gehetzten Ausdruck, und sie hatte ihn offensichtlich daran erinnert. Eine frühere Geliebte vielleicht? Das würde sein anfängliches Zögern erklären.

Sie ließ die Bettdecke fallen. Sein Blick wanderte zu ihren Brüsten hinab, und der gequälte Ausdruck in seinen Augen verschwand. »Wenn ich jemanden fände, der bereit wäre zu lernen, könnte ich ihm natürlich ein wenig von dem beibringen, was du mir gezeigt hast«, sagte sie, während sie begann, sich anzuziehen.

Ihre Worte brachten ein Lächeln auf sein Gesicht. Gut.

Während sie sich ankleidete, verlor sie sich in Erinnerungen. Wie konnte ein Mann nur ein so guter Liebhaber sein? Bisweilen war es ihr fast so vorgekommen, als könne er ihre Gedanken lesen. Offenkundig verstand er eine Menge vom Körper einer Frau. Mehr als der durchschnittliche Traumweber, der seinerseits mehr davon verstehen musste als der durchschnittliche Mann, weil er kranke Frauen behandelte. Wilar wusste vielleicht mehr über ihren Körper als sie selbst, eine Erkenntnis, die sie beunruhigend fand.