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»Reivan?«

»Ja?« Ihre Stimme klang dünn und atemlos.

»Würdest du mich hereinbitten, wenn ich an deine Tür käme?«

Sie holte mehrmals tief Luft. »Ich würde dich nicht abweisen.«

Er verschwand aus ihrem Blickfeld. Sie konnte kaum atmen, und ihr Herz raste. Was tue ich hier? Ich habe ihn tatsächlich hereingebeten. Seine Bemerkung gerade eben war ganz und gar nicht zweideutig. Ich bin keine Närrin. Ich weiß, dass es nicht nur mein Zimmer ist, in das er eingeladen zu werden wünscht.

Seine Schritte verklangen. Sie kehrte in ihr Zimmer zurück und hielt inne. Er kommt zur Tür. Jetzt.

Das ist eine ganz schlechte Idee. Was ist mit Imenja? Sie wird nicht glücklich darüber sein. Ich weiß es. Reivan sah sich hastig um, dann eilte sie aus dem Schlafzimmer. Die Haupttür zu ihren Gemächern war nur wenige Schritte entfernt. Mit hämmerndem Herzen starrte sie sie an.

Ich muss ihn abweisen. Ich werde… ich werde ihm sagen, dass ich meine Meinung geändert hätte. Gewiss wird er es verstehen. Ich kann das unmöglich tun.

Er wird wissen, dass ich lüge.

Das Klopfen ließ sie zusammenfahren, obwohl sie es erwartet hatte. Sie schluckte heftig und zwang sich, zur Tür zu gehen. Dann legte sie eine Hand auf den Knauf, holte tief Luft und öffnete.

Er kam in den Raum wie ein Schwall warmer Luft. Sein Geruch umhüllte ihre Sinne. Er trat näher, und warme Hände umfassten ihr Kinn. Sie blickte ihm ins Gesicht, außerstande zu glauben, dass dieser leidenschaftliche Ausdruck des Begehrens ihr galt.

»Ich…«, begann sie.

Er runzelte besorgt die Stirn. »Was ist los?«, fragte er sanft.

»Ich … habe das noch nie getan«, antwortete sie schwach.

Er lächelte. »Dann wird es Zeit, dass sich daran etwas ändert«, sagte er. »Und ich wüsste keinen besseren Lehrer als den ehemaligen Obersten Götterdiener des Tempels von Hrun.«

Als diese Worte in ihrem Kopf widerhallten, war sie nicht länger in der Lage, ihre Gedanken hinreichend zu sammeln, um zu protestieren. Allerdings brachte sie ein Lachen zustande, als er sie hochhob, geradeso wie die Männer es in den dummen, romantischen Geschichten taten, die manche Frauen so gern lasen. Dann trug er sie ins Schlafzimmer.

Ich werde es bereuen, dachte sie, während er seine Roben abstreifte und sie zögernd aus ihrem Nachthemd schlüpfte. Eine Weile später, als seine Lippen und seine Zunge sich zu ihren Brustwarzen hinunterbewegten und seine Finger sanft über ihren Bauch strichen, änderte sie ihre Meinung.

Nein, ich werde es nicht bereuen. Nichts davon.

10

Emerahl beobachtete Aurayas Gesicht, als sie hinter dem Wasserfall hervor ins Sonnenlicht traten. Die Miene der ehemaligen Weißen glättete sich, und sie blieb stehen, um tief und voller Freude die frische Luft einzuatmen. Als sie bemerkte, dass Emerahl sie ansah, lächelte sie.

»Es tut gut, wieder draußen zu sein«, sagte sie, stieg auf einen Felsbrocken und reckte sich. »Es kommt mir so vor, als sei ich monatelang nicht mehr geflogen.«

»Dann macht es dir also Spaß?«

Auraya grinste. »Ja. Es ist so … hemmungslos. Wenn ich fliege, fühle ich mich ungebunden. Frei.«

Als die jüngere Frau wieder heruntersprang, kicherte Emerahl. »So fühle ich mich, wenn ich segle. Nur ich und ein Boot und keine andere Sorge als das Wetter.«

»Ah. Das Wetter. Man ist gut beraten, bei Sturm nicht zu fliegen. Da wären nicht nur die Kälte und der Regen, sondern auch das Risiko, dass man von einem Blitz getroffen wird oder gegen einen Berg fliegt, der in den Wolken verborgen war.«

»Das klingt genauso gefährlich wie das Segeln in einem Sturm«, bemerkte Emerahl trocken.

Auraya blickte versonnen drein und nickte dann. »Also, wie wollen wir den Flugunterricht beginnen?«

»Ich habe keine Ahnung. Du bist diesmal diejenige, die unterrichtet.«

»Das ist wahr.« Auraya sah sich um, dann ging sie auf einen flachen, freien Bereich ein kleines Stück weiter flussabwärts zu. »Ich weiß nicht, wie ich dir das beibringen soll. Die anderen Weißen konnten es nicht lernen, aber ich weiß nicht, ob es daran lag, dass sie unfähig waren oder dass ich eine schlechte Lehrerin bin.«

»Ich schlage vor, du unterrichtest es, indem du deine Schülerin in die gleiche Situation versetzt, in der du warst - nur dass Mirar mir erzählt hat, du hättest deine Gabe bei einem Sturz von einer Klippe entdeckt.«

Auraya sah Emerahl mit ernster Miene an. »Das könnten wir tun.«

Emerahl musterte sie streng. »Lass uns das als letztes Mittel in Betracht ziehen.«

»Es wäre nicht so gefährlich, wie es klingt«, fuhr Auraya fort. »Allerdings müssten wir uns höhere Klippen als diese hier suchen. Der Sturz muss ein wenig länger dauern, damit sich der anfängliche Schock legen kann. Anschließend musst du es selbst herausfinden und dann Magie anwenden, um…«

»Genau genommen sollten wir diese Methode nicht in Betracht ziehen.«

»Ich würde dich auffangen, wenn es nicht funktioniert. Dir könnte nichts passieren.«

Emerahl beschloss, darauf nicht zu antworten. Sie war sich nicht sicher, ob sie Auraya so sehr vertraute. »Wie hast du versucht, es den Weißen beizubringen? Haben sie sich vom Turm gestürzt?«

»Nein, sie haben versucht, sich vom Boden zu erheben.« Als sie die freie Fläche erreichten, blieb Auraya stehen.

»Dann werde ich es genauso machen.« Emerahl drehte sich zu ihr um. »Erklär mir, was du tust.«

»Kannst du die Magie um dich herum spüren?«

»Natürlich.« Emerahl ließ ihre Sinne die Energie berühren, die sie umgab.

»Kannst du die Welt um dich herum spüren? Es ist ein ähnliches Gefühl.«

»Die Welt?«

»Ja. Mir fällt es leichter, wenn ich mich bewege. Dann verändert sich meine Position in Bezug zur Welt. Deshalb war der Sturz so nützlich. Die Welt jagte an mir vorbei, oder ich jagte an der Welt vorbei, daher ist mir die Veränderung meiner Position bewusst geworden.«

Emerahl ging einige Schritte, während sie versuchte, ihre Umgebung nicht nur mit Augen und Ohren wahrzunehmen. Sie wanderte im Kreis um Auraya herum.

»Ich kann nichts spüren.«

»Es ist so, als erspürtest du die Magie um dich herum.«

Während Emerahl Auraya abermals umkreiste, konnte sie nichts von dem fühlen, was Auraya beschrieben hatte. Sie schüttelte den Kopf.

Auraya runzelte die Stirn und sah sich um. »Vielleicht bewegst du dich nicht schnell oder nicht weit genug. Wenn du von einem Felsbrocken springst, würdest du dich schneller bewegen. Du würdest nur für kurze Zeit fallen, daher müsstest du dich konzentrieren.«

»Ich werde es versuchen.«

Sie gingen zum Fluss hinüber. Emerahl wählte einen Felsbrocken in Schulterhöhe aus und stieg hinauf. Von oben betrachtet erschien er ihr höher als vom Boden aus.

Auraya trat zurück, um Emerahl reichlich Raum zu geben.

»Konzentrier dich«, sagte sie.

Emerahl holte tief Luft und zwang sich, zu Boden zu springen. Beim Aufprall verlor sie das Gleichgewicht und taumelte. Auraya hielt sie an den Schultern fest.

»Hast du irgendetwas gespürt?«

Emerahl schüttelte den Kopf. »Ich hatte zu viel mit der Frage zu tun, wie hart der Boden wohl sein würde.«

»Versuch es noch einmal. Wenn du es oft genug tust, wirst du den Boden vielleicht vergessen.«

Du meinst, ich werde vergessen, Angst zu haben, dachte Emerahl. Sie stieg wieder hinauf und zwang sich abermals zu springen. Bevor Auraya eine Frage stellen konnte, drehte sie sich um und kletterte erneut auf den Felsbrocken.

Nach zwanzig Sprüngen brachte Emerahl eine anmutige Landung zustande. Es gelang ihr sogar, daran zu denken, sich während des Fallens auf »die Welt um sie herum« zu konzentrieren. Aber sie spürte immer noch nichts.

»Was geschieht als Nächstes?«, fragte sie, mehr um sich eine Ruhepause zu verschaffen, als weil sie wirklich bereit war, weiterzumachen.