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Ranaan stieß einen leisen, erstickten Laut aus. Amli sagte nichts, sondern blickte nur zu Boden. Die Priesterin musterte ihn kühl, dann schüttelte sie den Kopf. »Wenn du es so schändlich findest, warum hast du es dann getan?« Sie hielt inne. »Ah. Solche Ergebenheit ist bewundernswert, aber sie hat ihren Preis.«

»Ich bin bereit, die Konsequenzen zu tragen«, erwiderte Amli.

»Das sehe ich. Hast du dich je gefragt, ob ein Mann mit so schäbigen, unehrenhaften Methoden deine Ergebenheit verdient?«

»Es sind die Götter, denen ich diene«, erklärte Amli.

Die Priesterin verschränkte die Arme vor der Brust. »Wenn deine Götter real sind und der Ergebenheit würdig, die du ihnen zollst, würden sie dann einem solchen Mann erlauben, über dein Volk zu herrschen? Ich denke - ah! Da ist er; er verfolgt aus der Sicherheit seines Hauses durch deine Augen die Geschehnisse.« Sie trat einen Schritt näher an ihn heran. »Du bist ein Lügner und ein Feigling, Erste Stimme Nekaun. Wo immer sich deine Leute im Norden aufhalten, wir werden sie finden. Und wir werden dafür sorgen, dass jeder auf der Welt erfährt, was du hier in Jarime getan hast. Wie wird dein Volk reagieren, wenn es erfährt, wie tief du gesunken bist?«

Sie blinzelte, dann lächelte sie und trat einen Schritt zurück. Schließlich wandte sie sich zu einem anderen Priester um und deutete auf die Pentadrianer. »Bringt sie alle in den Tempel.«

Während die Priester die Pentadrianer hinausführten, sah die Priesterin sich im Raum um. Als ihr Blick auf Ranaan fiel, weiteten sich ihre Augen. Kalen ließ entmutigt die Schultern sinken, als die Frau zu seinem neuen Freund hinüberging.

»Ranaan«, sagte sie leise. »Warum bist du nicht ins Hospital zurückgekehrt?«

Ranaan hielt den Blick gesenkt. »Ich hatte Angst, Priesterin Ellareen - ich meine, Ellareen von den Weißen.«

Ihre Miene wurde weicher. »Das ist verständlich. Du konntest nicht wissen, dass dich ebendie Leute gerettet haben, die deinen Lehrer haben ermorden lassen.«

Ellareen von den Weißen? Als Kalen dämmerte, dass er sich mit einer der Auserwählten der Götter im selben Raum befand, stieg Furcht in ihm auf. Die Weißen sind die Feinde der Pentadrianer. Dann muss sie auch meine Feindin sein.

Der Blick der Frau wanderte zu Kalen hinüber, und er hatte das Gefühl, als stürze sein Magen bis auf den Boden hinab. Ich habe mich ihnen doch nur angeschlossen, weil sie mir etwas zu essen und ein Bett angeboten haben, versuchte er, ihr in Gedanken zu übermitteln. Und weil es so aufregend war, gestand er. Ich bin so dumm. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Sie haben nicht einmal Orgien.

Ellareens Lippen zuckten.

»Ist das wahr?«, fragte Ranaan mit dünner Stimme. »Haben sie Fareeh getötet?«

Die Weiße wandte sich wieder zu ihm um, und ihre Züge waren ernst und voller Mitgefühl. »Ja. Wenn du mir nicht glaubst, kann ich dich mit jemandem bekannt machen, dem du glauben wirst.«

»Aber … warum haben sie das getan?«

»Um ein schlechtes Licht auf die Zirkler zu werfen. Um den Menschen einen Anreiz zu geben, Pentadrianer zu werden.« Sie sah sich im Raum um. Die meisten der pentadrianischen Konvertiten waren hinausgebracht worden, und die verbliebenen Priester sahen die Weiße erwartungsvoll an. »Ich werde mehr wissen, sobald ich Gelegenheit hatte, alle zu befragen. Ich fürchte, du und dein Freund müsst ebenfalls mitkommen, aber ich werde dafür sorgen, dass man euch gut behandelt.«

»Wird man … wird man uns dafür einsperren?«, fragte Ranaan.

Sie lächelte. »Wahrscheinlich nur für eine Nacht. Morgen werden wir wissen, wer ein Verbrechen begangen hat und wer nicht. Dann wird man euch freilassen - und du wirst gefahrlos zu deinen Leuten zurückkehren können.«

Ranaan wirkte erleichtert. Als die Weiße zurücktrat und die Priester ihnen bedeuteten, ihnen zu folgen, klopfte Kalen Ranaan auf die Schulter.

»Keine Sorge, mein Freund. Selbst wenn das Essen nicht so gut ist wie hier, werden wir zumindest ein Bett für die Nacht haben.«

Das Fladenbrot, das Jade normalerweise jeden Morgen aus einer zu Brei zerdrückten und mit Gewürzen angereicherten Wurzel zubereitete, war überraschend wohlschmeckend. Sie hatte Auraya gezeigt, wie man das Brot machte, und an diesem Morgen hatte Auraya die Mahlzeit zubereitet, während Jade sich für ihre Abreise rüstete. Das Brot, das auf dem erhitzten Kochstein buk, war fast fertig, daher machte Auraya sich jetzt daran, heiße Getränke zuzubereiten.

Jade packte langsam und bedächtig ihre Sachen und nahm mehrere Krüge und Beutel aus ihrem Vorratslager zur Hand, bevor sie entschied, welche davon sie mitnehmen wollte. Sie hatte viele kleine Beutel genäht und stabile Tonkrüge gefertigt, die sie mit Magie gehärtet hatte. Diese Krüge hatte sie mit Pulvern, getrockneten Blättern, Pilzen, Wurzeln, gehärteten Rosinen, klebrigen Gummis und dickflüssigen Ölen gefüllt. Auraya stellte fest, dass sie den Verwendungszweck der meisten dieser Dinge kannte. Während der Zubereitung ihrer Heilmittel hatte Jade ihr erklärt, wozu sie dienten, und Auraya war sich bewusst, dass die andere Frau ihr großzügig Einblick in den reichen Schatz ihrer Heilkenntnisse gewährt hatte.

Als das Brot zu qualmen begann, nahm Auraya es von dem Kochstein und goss heißes Wasser in zwei Becher.

»Das Frühstück ist fertig«, erklärte sie.

Jade richtete sich auf, dann atmete sie tief ein. »Ah, der Geruch der Maita ist morgens immer so wohltuend.« Sie ging zu den Betten hinüber und nahm den Becher entgegen, den Auraya ihr hinhielt. Dann nippte sie an dem Getränk und seufzte anerkennend.

»Wirst du hierher zurückkommen?«, fragte Auraya, während sie das Brot brach und Jade ihren Anteil gab.

»Irgendwann.« Jade betrachtete die Töpfe und Beutel. »Man darf all diese Dinge nicht verkommen lassen. Du kannst sie übrigens gern benutzen. Es hat keinen Sinn, sie schal werden zu lassen.«

»Danke.«

Jade nahm einen Bissen, kaute, schluckte und nippte dann abermals an ihrem Becher. »Hast du immer noch vor, ins Offene Dorf zurückzukehren?«

Auraya nickte. »Mein Platz ist bei den Siyee.«

»Nun denn, behalte Folgendes im Gedächtnis: Wenn du feststellst, dass die Götter dein Verhalten nicht billigen, hast du einen Platz unter uns Unsterblichen, solltest du ihn benötigen.«

»Ich werde daran denken.«

»Tu das.« Jade kicherte. »Dir ist doch klar, dass wir dich genau beobachten werden, um festzustellen, was die Götter tun. Sie haben ein Jahrhundert lang behauptet, alle Unsterblichen seien schlecht. Wenn sie dich akzeptieren, liefern sie damit selbst den Beweis, dass sie unrecht hatten.«

Auraya lächelte. »Vorausgesetzt, dass ich nicht schlecht bin.«

Jade lachte. »Ja.« Sie wandte sich ab und kehrte zu ihrem Reisebündel zurück. Dann stellte sie ihren Becher beiseite, klemmte sich das Brot zwischen die Zähne und verstaute mit schnellen, entschlossenen Bewegungen einige weitere Gegenstände in ihrem Bündel. Schließlich schulterte sie es und kehrte zu den Betten zurück.

»Viel Glück, unsterbliche Auraya«, sagte sie.

Auraya erhob sich. »Danke, Jade. Du hast ein großes Risiko auf dich genommen, um hierherzukommen. Ich weiß deine Tat zu schätzen.«

Die andere Frau zuckte die Achseln. »Ich habe es für Mirar getan. Er ist derjenige, dem du danken solltest.«

»Vielleicht werde ich das tun, wenn er das nächste Mal meine Träume unterbricht.«