Nach und nach erzählten sie es ihm: wie er seinen Wagen über eine Fläche, groß wie ein Tennisplatz, geradewegs in das Heck meines Mercedes gefahren hatte. Weit und breit nichts anderes in Sicht.
»Randall Drew«, stellte der Prinz vor.
»Oh.«
»Das war sehr töricht von dir«, sagte die Prinzessin mißbilligend, aber ihrem besorgten Gesicht sah ich den Beschützerinstinkt der älteren Schwester für den kleinen Bruder an.
»Ich ... erinnere mich nicht.«
Er blickte auf die roten Flecke auf den Tupfern, die sich in einer Schale neben ihm anhäuften, auf das Blut, das aus einem Schnitt an der Hand sickerte, und sah aus, als würde ihm schlecht.
»Früher ist er immer in Ohnmacht gefallen, wenn er Blut sah«, sagte seine Schwester. »Nur gut, daß er das überwunden hat.«
Wie sich herausstellte, hatte Johnny Farringford zahlreiche Schnittverletzungen im Gesicht, aber offenbar keine Knochenbrüche davongetragen. Trotzdem stöhnte er bei jeder Bewegung und preßte den Arm in die Taille, als wolle er sich zusammenhalten, was mich sehr an eigene Rippenbrüche erinnerte.
Er war ein schlanker, ziemlich großer junger Mann, mit einer Menge krauser, roter Haare auf dem Kopf. Seine Nase wirkte dünn und scharf, und unter der Sonnenbräune war er blaß vom Schock.
»Verdammter Mist«, fluchte er plötzlich.
»Es hätte schlimmer kommen können«, meinte der Prinz.
»Nein ...« sagte Farringford. »Sie haben mich geschlagen.«
»Wer?« Der Prinz betupfte einen blutenden Riß und hielt die Bemerkung sichtlich für die Folge einer Gehirnerschütterung.
»Die Männer ... Ich ...« Er brach ab und heftete den benommenen Blick mit großer Mühe auf das Gesicht des Prinzen, als könnte ihm das helfen, seine Gedanken zu ordnen.
»Ich fuhr her ... danach. Mir war ... ich schwitzte. Ich weiß, wie ich durch das Tor gefahren bin ... und das Haus gesehen habe.«
»Was für Männer?« fragte der Prinz.
»Die du geschickt hast ... wegen des Pferdes.«
»Ich habe niemanden geschickt.«
Farringford blinzelte verwirrt.
»Sie kamen in den Stall. Gerade als ich dachte ... muß herfahren ... diesen Burschen treffen ... jemand ... du wolltest ...«
Der Prinz nickte. »Richtig. Randall Drew. Hier ist er.«
»Ja ... also ... Higgins hatte meinen Wagen vorgefahren ... den Rover ... ich wollte den Porsche, aber da war was mit den Reifen ... ich bin bloß im Stall gewesen ... wollte sehen, ob Grouchos Beine in Ordnung sind ... Lakeland fand ja, ich wollte aber selbst nachsehen, verstehst du ... und da waren sie, wollten mit mir reden ... du hättest sie geschickt. Sagte, ich sei in Eile ... stieg in den Rover ... sie einfach hinterher ... versetzten mir eins ... einer von ihnen fuhr die Straße runter, durchs Dorf ... dann hielt er an ... und die Schweine schlugen mich zusammen ... wehrte mich, so gut es ging ... zwei gegen einen ... hat wenig Sinn, weißt du.«
»Haben Sie dich beraubt?« fragte der Prinz.»Vielleicht sollten wir die Polizei verständigen.« Er sah besorgt aus. Polizei bedeutete Publicity, und unerfreuliche Publicity war dem Prinzen ein Greuel.
»Nein ...« Farringford schloß die Augen. »Sie sagten ... ich sollte mich ... von Aljoscha fernhalten.«
»Was war das?« Der Prinz sah aus, als habe er auch einen Schlag erhalten.
»So ist es ... dachte mir schon, daß es dir nicht gefallen würde.«
»Was haben sie noch gesagt?«
»Nichts. Schon komisch ...« sagte Farringford schwach. »Du willst doch, daß Aljoscha gefunden wird ... was mich betrifft ... kann die ganze Sache begraben bleiben.«
»Ruh dich jetzt aus«, sagte die Prinzessin besorgt und wischte rot sickernde Tropfen von seiner verschrammten Stirn. »Sprich jetzt nicht mehr, Johnny. So ist es brav.« Sie sah zu uns hinüber, die wir am Fuß des Sofas standen. »Was soll nun mit den Wagen geschehen?«
Der Prinz starrte düster auf die ausgebrannten Wracks und die fünf leeren Feuerlöscher, die wie rote Torpedos herumlagen. Nur ein penetranter Brandgeruch in der Novembernacht war von der dichten, bis über Dachhöhe auflodernden Rauch- und Feuersäule übriggeblieben. Die Feuerwehrleute in Gestalt des Hausdieners und des Gärtners standen mit befriedigten Mienen im Hintergrund und harrten der Dinge, die da kommen sollten.
»Glauben Sie, er ist ohnmächtig geworden?« fragte der Prinz.
»Hört sich ganz so an, Sir«, sagte ich. »Er sagt, er hat geschwitzt. Nicht angenehm, so zusammengeschlagen zu werden.«
»Er konnte noch nie Blut sehen.«
Der Prinz folgte mit den Augen dem Weg, den der Rover mit einem bewußtlosen Fahrer genommen hätte, wenn mein Wagen nicht im Weg gestanden hätte.
»Er wäre in die Buchen gerast«, stellte er fest. »Und er hatte den Fuß auf dem Gaspedal.«
Im Hintergrund stand eine Reihe stattlicher, ausgewachsener Buchen, kahl mit Ausnahme einiger weniger brauner Blätter. Sie waren wohl als Schutz gegen den Nordostwind gepflanzt worden, zu einer Zeit, als die Landschaftsgestaltung darauf abzielte, das Auge künftiger Generationen zu erfreuen. Ihre dicken Stämme hätten einen Panzer aufgehalten, ganz zu schweigen von einem Rover. Ein Glück, daß sie nicht der Trockenheit, dem Schädlingsbefall oder dem Sturm zum Opfer gefallen waren.
»Ich bin froh, daß er nicht in die Buchen gerast ist«, erklärte der Prinz und ließ mich im unklaren, ob er sich für Johnny oder die Buchen freute. »Tut mir natürlich leid mit Ihrem Wagen. Hoffentlich ist er versichert und alles. Sagen Sie der Versicherung lieber, es war ein Parkunfall. Nur nichts Kompliziertes. Autos werden heutzutage ja so leicht abgeschrieben. Sie wollen doch wohl keine Ansprüche gegen Johnny erheben, oder?«
Beruhigend schüttelte ich den Kopf. Der Prinz lächelte erleichtert und entspannte sich sichtlich.
»Wir wollen doch nicht, daß die Presse hier rumschwirrt, verstehen Sie? Teleobjektive und all das. Sobald sie davon Wind bekämen, wären sie auch schon da.«
»Aber auf jeden Fall zu spät.«
Erschreckt sah er mich an. »Sie werden doch nicht erzählen, wie wir Johnny da rausgezerrt haben? Zu niemand. Die Presse darf nichts davon erfahren. Wäre sehr unangenehm.«
»Unangenehm, wenn die Leute erfahren, daß Sie ein kleines Risiko auf sich nehmen, um den Bruder Ihrer Frau zu retten, Sir?«
»Ja, wäre mir sehr unangenehm«, erklärte er entschieden.
»Halten Sie bloß den Mund, lieber Freund.« Er warf einen Blick auf mein versengtes Haar. »Und gar kein kleines Risiko, wenn ich es mir recht überlege.« Er legte den Kopf auf die Seite. »Wir könnten sagen, daß Sie es allein gemacht haben, wenn Sie wollen.«
»Nein, Sir, ich will nicht.«
»Dachte ich mir. Sie wollen genausowenig wie ich, daß die mit ihren Notizblöcken über Sie herfallen.«
Er drehte sich um und rief mit einer Handbewegung, die mehr eine Anregung als ein Befehl war, dem wartenden Gärtner zu:
»Was machen wir nun mit der Bescherung, Bob?«
Der Gärtner hatte Erfahrung mit kaputten Lastwagen und passenden Reparaturwerkstätten und sagte, er werde sich darum kümmern. Sein Verhalten gegenüber dem Prinzen war unbefangen und zeugte von langjährigem gegenseitigem Respekt, was die Antiroyalisten unmäßig geärgert hätte.
»Wüßte nicht, was ich ohne Bob anfangen sollte«, sagte der Prinz, während wir zum Haus zurückgingen. »Wenn ich Geschäfte oder Werkstätten anrufe und sage, wer ich bin, glauben sie es entweder nicht und sagen, ja, ja, sie wären die Königin von Saba, oder sie geraten in Verwirrung, hören nicht ordentlich zu und machen alles falsch. Bob wird alles richtig erledigen. Wenn ich es selbst versuchen würde, wären als erstes die Reporter da.«
Auf der Schwelle blieb er stehen und warf einen Blick auf das Skelett dessen, was mein Lieblingsauto gewesen war.
»Wir müssen Ihnen einen Wagen zur Heimfahrt besorgen«, sagte er. »Ich leihe Ihnen einen.«