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»Sir«, sagte ich. »Wer oder was ist Aljoscha?«

»Ha!« stieß er hervor, und seine Augen begannen zu leuchten.

»Zum erstenmal zeigen Sie etwas Interesse an der Sache.«

»Ich habe gesagt, ich würde sehen, was sich machen läßt.«

»Was heißt, sowenig wie möglich.«

»Nun, ich ...«

»Und dabei haben Sie ein Gesicht gemacht, als würde Ihnen stinkender Fisch angeboten.«

»Äh ...« machte ich. »Also ... was ist mit Aljoscha?«

»Das ist es ja«, sagte der Prinz. »Wir wissen nichts von Aljoscha. Das will ich ja gerade herausfinden.«

Johnny Farringford kam sehr rasch aus dem Krankenhaus, und drei Tage nach dem Unfall machte ich ihm einen Besuch.

»Tut mir leid mit Ihrem Wagen«, sagte er mit einem Blick auf den Range Rover, mit dem ich gekommen war. »Ein schönes Durcheinander, was?«

Er war leicht nervös und noch immer blaß. Die verschiedenen Schnittwunden heilten bei seiner Jugend schnell und würden wohl keine Narben hinterlassen; und Knochenbrüche hatte er nicht davongetragen. Nichts, dachte ich etwas kläglich, was ihn am harten Training für die Olympiade hindern konnte.

»Kommen Sie rein«, sagte er. »Kaffee steht da.«

Er ging voran in ein strohgedecktes Haus, und wir traten direkt in einen Raum, der einen Artikel über traditionelles Landleben verdient hätte. Steinfußboden, gute Teppiche, Holzbalken, Kamin, Wände aus Ziegeln und massenhaft ausgesessene Sofas und Sessel, mit verblichenem Chintz bezogen.

»Das Haus gehört mir nicht«, sagte er, als er meinen

Blick sah. »Es ist gemietet. Ich hole den Kaffee.«

Er ging auf eine Tür am anderen Ende zu, und ich folgte ihm langsam. Die Küche, wo er kochendes Wasser in einen Filter goß, war mit allem ausgestattet, was für Geld zu kaufen ist.

»Zucker? Milch?« fragte er. »Oder trinken Sie lieber Tee?«

»Milch bitte. Ich mag Kaffee.«

Er trug das beladene Tablett in das Wohnzimmer und stellte es auf einen niedrigen Tisch vor dem Kamin. Holz war zum Anzünden bereit im Kamin gestapelt, aber der war leider ebenso kalt wie das Haus. Ich hustete ein paarmal und trank dankbar den heißen Kaffee, der mich wenigstens innerlich wärmte.

»Wie geht es Ihnen jetzt?« fragte ich.

»Ach ... ganz gut.«

»Noch etwas durcheinander, würde ich meinen.«

Er schüttelte sich. »Wie ich höre, muß ich froh sein, daß ich noch lebe. War nett von Ihnen, mich da rauszuholen.«

»Ihr Schwager hat genausoviel dazu beigetragen.«

»Weit über die Pflicht hinaus, könnte man sagen.«

Er spielte mit der Zuckerdose und seinem Löffel und machte kleine, sinnlose Bewegungen.

»Erzählen Sie mir von Aljoscha«, sagte ich.

Er warf mir einen raschen Blick zu und sah dann zur Seite. Nach meiner Meinung war er im Augenblick hauptsächlich deprimiert.

»Es gibt nicht viel zu erzählen«, sagte er müde. »Aljoscha ist nur ein Name, der plötzlich im Sommer auftauchte. Ein Mitglied des deutschen Teams starb im September in Burleigh, und jemand sagte, es sei wegen

Aljoscha aus Moskau. Natürlich gab es Untersuchungen und so weiter, aber das Ergebnis kenne ich nicht, ich war ja nicht direkt beteiligt, verstehen Sie?«

»Aber ... indirekt?« schlug ich vor.

Wieder warf er mir einen raschen Blick und ein schwaches Lächeln zu.

»Ich habe ihn recht gut gekannt. Den Deutschen. Wie das so ist, wissen Sie. Überall trifft man dieselben Leute, bei allen internationalen Veranstaltungen.«

»Ja«, sagte ich.

»Na ja ... eines Abends bin ich mit ihm ausgegangen, in einen Londoner Klub. Das war dumm von mir, zugegeben, aber ich dachte, es sei nur ein Spielklub. Er spielte Backgammon wie ich. Ich hatte ihn ein paar Tage davor mit in meinen Klub genommen, verstehen Sie, und dachte, er wollte sich für meine Gastfreundschaft revanchieren.«

»Aber es war nicht einfach nur ein Spielklub«, half ich ihm weiter, als er in dumpfes Brüten verfiel.

»Nein.« Er seufzte. »Da waren ... na, Transvestiten eben.« Seine Niedergeschlagenheit verstärkte sich. »Zuerst habe ich es nicht gemerkt. Das hätte niemand. Sie sahen alle wie Frauen aus. Attraktiv. Hübsch sogar, einige wenigstens. Wir wurden zu einem Tisch geführt. Es war dunkel. Und da war dieses Mädchen im Scheinwerferlicht und machte Striptease, zog eine Menge durchsichtiger goldener Schleier aus. Sie war bildschön ... dunkelhäutig, aber nicht schwarz ... wundervolle dunkle Augen ... die entzückendsten kleinen Brüste. Sie zog sich bis auf die Haut aus und führte eine Art Tanz mit einer knallrosa Federboa vor ... es war einfach toll. Ihren Rücken konnte man ganz nackt sehen, aber wenn sie sich umdrehte fiel immer die Boa an die ... äh ... strategische Stelle. Als es zu Ende war und ich klatschte, beugte Hans sich dämlich grinsend zu mir rüber und flüsterte mir zu, es sei ein Junge.« Er schnitt eine Grimasse. »Ich kam mir wie ein Idiot vor. Ich meine ... man hat ja nichts dagegen, sich so was anzusehen, wenn man Bescheid weiß. Aber so ...«

»Sehr unangenehm«, bestätigte ich.

»Ich habe natürlich nur gelacht«, fuhr er fort. »Ich meine, das muß man doch, oder? Andererseits war es alles sehr aufregend. Hans sagte, er hätte den Jungen in einem Nachtklub in West-Berlin gesehen und gedacht, es würde mich amüsieren. Er schien sich an meiner Verlegenheit zu weiden. Hielt es für einen Riesenspaß. Ich mußte natürlich so tun, als machte es mir nichts aus, verstehen Sie? Er war doch mein Gastgeber, aber um ehrlich zu sein, ich fand es schon reichlich seltsam.«

Gekränkter Stolz, dachte ich bei mir.

»Die Military fing zwei Tage später an, und einen Tag danach starb Hans, nach der Querfeldeinstrecke.«

»Wie?« fragte ich. »Wie ist er gestorben?«

»Herzanfall.«

Das überraschte mich. »War er dafür nicht noch etwas jung?«

»Ja«, sagte Johnny. »Erst sechsunddreißig. Gibt einem zu denken, was?«

»Und was geschah dann?«

»Och, eigentlich nichts. Nichts, worauf man den Finger legen könnte. Aber dann gingen diese Gerüchte um, ich nehme an, ich war der letzte, der davon hörte, daß mit Hans etwas komisch gewesen sei, und mit mir auch. Daß wir schwul seien, verstehen Sie? Und daß Aljoscha aus Moskau eifersüchtig geworden sei und Theater mit Hans gemacht hätte, und deshalb der Herzanfall. Und dann war da diese Botschaft, verstehen Sie, wenn ich je nach

Moskau käme, würde Aljoscha auf mich warten.«

»Was für eine Botschaft? Ich meine, wie wurde sie überbracht?«

»Aber das ist es ja gerade, es war eigentlich nur ein Gerücht. Jeder schien davon zu wissen. Verschiedene Leute erzählten es mir. Ich weiß einfach nicht, wie es angefangen hat.«

»Haben Sie es denn ernst genommen?« fragte ich.

»Nein, natürlich nicht. Das ist doch alles Unsinn. Niemand hätte auch nur den geringsten Anlaß, auf mich eifersüchtig zu sein, was Hans Kramer anbelangt. Tatsächlich ging ich ihm seit dem bewußten Abend aus dem Wege, soweit das möglich war, ohne direkt unhöflich zu sein, verstehen Sie?«

Ich stellte meine leere Tasse ab und wünschte, ich hätte einen zweiten Pullover angezogen. Johnny schien die Kälte nichts auszumachen.

»Ihr Schwager nimmt die Sache aber sehr ernst«, sagte ich.

Er schnitt eine Grimasse. »Er hat diesen Fimmel mit der Presse. Haben Sie das nicht gemerkt?«

»Er hat sie offenbar nicht besonders gern.«

»Sie haben ihn förmlich verfolgt, als er ihnen die Romanze mit meiner Schwester verheimlichen wollte. Ich fand es eher komisch, aber er wohl weniger. Und dann gab es noch einen großen Wirbel, weil vierzehn Tage nach der Verlobung unsere Mama mit ihrem Friseur durchbrannte, wenn Sie sich erinnern.«

»Das hatte ich ganz vergessen.«

»Ich sollte gerade nach Eton«, sagte Johnny. »Es hat mein Selbstvertrauen ziemlich erschüttert, verstehen Sie, ausgerechnet als ich es am dringendsten brauchte.« Sein