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»Helfen einem atmen.«

»Und die? Und die?« Sie nahm sie heraus und legte sie nebeneinander hin. »Und die?«

»Auch. Auch. Auch.«

»Und eine Spritze. Herrgott noch mal, wozu eine Spritze?«

»Die letzte Rettung. Wenn eine Spritze Adrenalin nicht hilft, schickt man nach einem Beerdigungsunternehmer.«

»Ist das dein Ernst?«

»Nein«, sagte ich; aber die richtige Antwort lautete wahrscheinlich ja. Bis jetzt hatte ich das noch nicht herausgefunden.

»Was für ein Theater wegen eines kleinen Hustens.« Sie betrachtete die ehrfurchtgebietende Ansammlung lebensrettender Mittel mit der ganzen Überheblichkeit des Gesunden.

»Blödsinnig«, stimmte ich zu. »Und jetzt leg sie zurück.«

Mit größter Sorgfalt kam sie meinem Wunsch nach.

»Du weißt sicher, daß das alles gegen Asthma, und nicht gegen Bronchitis ist«, sagte sie.

»Wenn ich Bronchitis kriege, kriege ich Asthma.«

»Und umgekehrt?«

Ich schüttelte den Kopf. »Komm ins Bett.«

»Am Sonntag nachmittag um halb fünf, mit einem Kranken?«

»Soll schon vorgekommen sein.«

»Das stimmt«, gab sie zu. Und es kam wieder vor, ohne daß auch nur das geringste Husten zu hören war.

Am nächsten Morgen überreichte mir Rupert Hughes-Beckett in seinem Londoner Büro ein Flugticket, eine Hotelreservierung, ein Visum und ein Blatt mit Namen und Adressen. Nicht ausreichend.

»Was ist mit den Antworten?« fragte ich.

»Ich fürchte ... äh ... sie sind noch nicht greifbar.«

»Warum nicht?«

»Es wird noch daran gearbeitet.« Er sah mir nicht in die Augen. Wie in meinem Wohnzimmer fand er auch jetzt seine Handrücken viel interessanter. Er mußte schon jede Sommersprosse einzeln kennen, dachte ich. Jede Falte und

jede Ader.

»Soll das heißen, daß Sie noch nicht mal angefangen haben?« fragte ich ungläubig. »Sie müssen meinen Brief spätestens letzten Dienstag bekommen haben. Vor sechs Tagen.«

»Mit Ihren Paßfotos, ja. Sie müssen verstehen, es gibt da ... äh ... Probleme, so schnell ein Visum zu erhalten.«

»Was nützt mir ein Visum, wenn ich keine Informationen bekomme? Und hätten Sie nicht beides gleichzeitig bekommen können?«

»Wir dachten ... äh ... der Fernschreiber. In der Botschaft. Wir schicken Ihnen die Antworten, wie wir sie erhalten.«

»Und ich komme alle fünf Minuten vorbei und frage, ob die Brieftaube eingetroffen ist?«

Sein Lächeln war sparsam. »Sie können anrufen. Die Nummer steht auf dem Blatt.« Er lehnte sich in seinem Fünfsterne-Bürostuhl zurück und betrachtete ernsthaft seine Hand, um festzustellen, ob sich an deren Topographie in den letzten 30 Sekunden etwas verändert hatte. »Natürlich haben wir mit dem Arzt gesprochen, der sich um Hans Kramer kümmerte.«

»Und?« drängte ich, da er schon wieder verstummt zu sein schien.

»Er hatte während der Military Dienst. Er versorgte gerade ein Mädchen mit einem Schlüsselbeinbruch, als jemand kam und sagte, einer der Deutschen sei zusammengebrochen. Er ging fast sofort, aber bevor er da war, war Hans Kramer bereits tot. Wie er sagt, versuchte er Herzmassage und eine Injektion und Mund-zu-Mund-Beatmung, aber alles umsonst. Die Haut war bläulich verfärbt, und die Todesursache war ... äh ... Herzstillstand.« »Ein Herzanfall, mit anderen Worten.«

»Äh ... ja. Natürlich wurde eine Autopsie vorgenommen. Natürlicher Tod. Sehr bedauerlich, bei einem so jungen Menschen.«

Der ganze Unsinn hier wäre überflüssig, wenn Hans Kramer nicht so rücksichtslos gewesen wäre, einfach tot umzufallen, dachte ich verärgert. Todesfälle erzeugen immer Gerüchte, und diese Aljoscha-Geschichte hielt sich sicher nur, weil Kramer sie nicht mehr richtigstellen konnte.

»Die Namen und Anschriften des restlichen deutschen Teams?« fragte ich.

»Folgen.«

»Und die Namen und Anschriften der Mitglieder des russischen Teams in Burghley?«

»Folgen.«

»Und der russischen Beobachter?«

»Folgen.«

Ich starrte ihn an. Die hoffnungsvollste Spur, die ich durch verschiedene Anrufe bei Leuten aus der Militaryreiterei ausgegraben hatte, war der immer wiederkehrende Hinweis auf die »russischen Beobachter«: drei Männer, die in halboffizieller Eigenschaft den verschiedenen Prüfungen der vergangenen Saison beigewohnt hatten, auch wenn ihr eigenes Team nicht gemeldet war. Der Grund ihrer Anwesenheit wurde jeweils mit »spionieren«, »lernen, wie Militarys ausgerichtet werden sollen«, »unsere besten Pferde klauen« und »feststellen, welcher Standard erreicht werden muß, damit der Westen bei der Olympiade dumm aussieht« beschrieben.

»Der Prinz sagt, Sie hätten sich bereit erklärt, einige Vorarbeit zu leisten«, sagte ich.

»Das werden wir«, antwortete er. »Aber auf der politischen Bühne ist Ihr Auftrag nur begrenzt wichtig. Meine Dienststelle ist diese Woche mit dringenderen Angelegenheiten beschäftigt gewesen, als es ... äh ... Pferde sind.«

Dieselbe leise, nicht zu verhehlende Verachtung färbte seine Stimme und ließ ihn die Nase rümpfen.

»Erwarten Sie, daß ich mit meiner Aufgabe Erfolg habe?«

Er studierte seine Handrücken und schwieg.

»Wünschen Sie, daß ich Erfolg habe?«

Er hob die Augen, als wären sie zwei Tonnen schwer.

»Ich wäre dankbar, wenn Sie nicht vergessen wollten, daß die Teilnahme von Lord Farringford an den Olympischen Spielen, immer vorausgesetzt, er und sein Pferd sind gut genug, nicht etwas ist, für das wir freiwillig eine ... äh ... Verhandlungsbasis mit den Russen aufgeben würden. Ganz besonders ungern würden wir uns in der Lage befinden, eine Entschuldigung aussprechen zu müssen.«

»Ein Wunder, daß Sie mich überhaupt fahren lassen.«

»Der Prinz wünscht es.«

»Und er hat Druck auf Sie ausgeübt?«

Hughes-Beckett preßte die Lippen zusammen. »Sein Wunsch ist nicht ganz unberechtigt. Wenn wir mit Ihrem Auftrag ganz und gar nicht einverstanden wären, hätten wir keinerlei Unterstützung gewährt.«

»Na schön«, sagte ich, stand auf und verstaute die diversen Papiere in meinen Taschen. »Es scheint, ich soll gehen und ein paar harmlose Fragen stellen und einige nichtssagende Antworten bekommen, und der Prinz soll das deutsche Pferd nicht kaufen, und Johnny Farringford soll nicht in das Team aufgenommen werden, und niemand soll irgendwelches Aufsehen erregen.«

Er sah mich mit der ganzen Abgeklärtheit des altgedienten Beamten an, schwieg und meinte damit ja.

»Ihr Zimmer ist für zwei Wochen reserviert«, sagte er. »Aber Sie können natürlich früher zurückkommen, wenn Sie wollen.«

»Danke.«

»Und wenn Sie das Blatt lesen, werden Sie feststellen, daß wir Ihnen ein oder zwei ... äh ... Kontakte gegeben haben, die hilfreich sein könnten.«

Ich warf einen Blick auf die kurze Liste, die von der Adresse der britischen Botschaft in Moskau angeführt wurde.

»Weiter unten ist der Mann aufgeführt, der das sowjetische Team für die Military bei der Olympiade trainiert.«

»Nun, das ist wenigstens etwas«, sagte ich angenehm überrascht.

»Wir sind nicht ganz so untätig gewesen, wie Sie angenommen haben«, sagte er befriedigt. Er räusperte sich. »Ganz unten steht der Name eines Studenten an der Moskauer Universität. Er ist Engländer und für ein Jahr dort. Selbstverständlich spricht er Russisch. Er weiß, daß Sie kommen. Er kann für Sie dolmetschen, aber nichts, was Sie tun, darf die Fortsetzung seiner Studien gefährden.«

»Weil er wichtiger ist als Pferde?«

Hughes-Beckett brachte ein frostiges Lächeln zustande. »Was wäre das nicht?« fragte er.

Das Flugbillet, mit dem er mich ausgestattet hatte, brachte mich am nächsten Tag erster Klasse nach Moskau, wo wir um 18 Uhr Ortszeit eintrafen. Die meisten meiner Mitreisenden in der Luxuskabine waren Schwarze: Kubaner? Aber angesichts der unübersichtlichen Weltlage konnten sie von überallher sein: heute Verbündete, morgen Todfeinde. Sie trugen teure Maßanzüge, weiße Hemden und elegante Krawatten und wurden nach der Landung direkt an der Gangway von extralangen Limousinen abgeholt. Die weniger vom Glück Begünstigten durchliefen die normale Einreiseprozedur, was in meinem Falle aber ohne größere Verzögerung vonstatten ging. Die Zollbeamten winkten mich ohne jedes Interesse durch, obwohl sie am Schalter nebenan einen Mann meines Alters förmlich auseinanderzunehmen schienen. Jedes Fitzelchen Papier wurde gelesen, jede Tasche geleert und das Futter des Koffers eingehend untersucht. Der Mann, dem diese Aufmerksamkeiten galten, ertrug sie stoisch, ohne aufzumucken. Weder Protest noch Empörung, noch Furcht, soweit ich sehen konnte. Als ich weiterging, griff einer der Beamten gerade nach einer Unterhose und tastete sorgfältig den Gummizug ab.