Die zu jeder Zeit beliebten Dummenwitze zielten jetzt auf Fußballer.
Ein durch die Weltmeisterschaft populär gewordener Spieler wird nach dem Besuch einer Kunstausstellung gefragt: »Was denken Sie denn über Toulouse-Lautrec?« »Och«, antwortet der, »ich tippe 2:1.«
Derselbe Spieler wird zu einer Literatur-Veranstaltung eingeladen. Ein Reporter fragt ihn hinterher: »Was halten Sie denn von Rainer Maria Rilke?«
»Och«, antwortet der, »die sind alle drei in Ordnung!«
Fußball war jedoch zu beliebt, als dass die Balltreter jene Opferrolle hätten übernehmen können, die später den beschränkten Ostfriesen und anderen angeblich Beschränkten zugewiesen wurde.
Die Fußballweltmeisterschaft machte auch das Fernsehen bekannt. Das gab es schon seit Weihnachten 1952, zunächst mit nur einem Programm, aber nur wenige Leute konnten es sich leisten. 4 000 waren es zu diesem Zeitpunkt. Während der Fußballspiele füllten sich jedoch die Kneipen, in denen schon Fernsehapparate stan-den. Die Menschen starrten fasziniert auf das helle Rechteck in der Ecke, ohne oft mehr als Schatten auf hellen Flächen zu erkennen. Damals hieß es:
»Wenn man die Augen zumacht, ist Fernsehen fast so schön wie Radio.«
Auch vor den Schaufenstern von Radiogeschäften, in denen Fernsehprogramme über ausgestellte Geräte schwarz-weiß auf die Straße flimmerten, drängelten sich die Zuschauer über Stunden. Fußball und Fernsehen gingen zum ersten Mal eine Liaison ein.
Kurze Zeit danach, im Oktober, wurde im mittlerweile attraktiven 1. Programm die tägliche Tagesschau eingeführt. Im April 1955 zählte die ARD schon 100 000 Fernsehteilnehmer. In Bonn witzelte man mit Blick auf Adenauer:
»Von Zeit zu Zeit seh ich den Alten fern.«
Die Deutschen wirkten etwas müde in dieser Zeit, überall werkelten die Menschen am Wiederaufbau, hämmerten, sägten, klopften. Die Arbeitswoche dauerte noch fünfzig Stunden, schloss den Samstag mit ein, und Streik war fast unbekannt. Die Menschen verdienten wenig Geld für harte Arbeit, aber es war viel wert.
Abends in den Kneipen träumten die Gäste dann von angeblich guten alten Zeiten, versuchten die Katastrophe des Krieges zu verdrängen, schunkelten und sangen rheinische Lieder. »Wer soll das bezahlen«, fragten die Kölner 1950 in einem Karnevalsschlager.
»Wer soll das bezahlen, wer hat das bestellt? Wer hat so viel Pinkepinke, wer hat so viel Geld?«
Es blieb lange Zeit bundesweit eine der populärsten Schunkelweisen. Besserer Alkohol als selbstgebrannte Kartoffelschnäpse hoben inzwischen die Stimmung. Alkoholwitze gehörten auch dazu.
»Was hast du denn mit deiner Hand gemacht?«, fragt die Frau ihren spät heimkehrenden Mann. Der lallt: »Als wir aus der Kneipe gingen, da hat mir doch so 'n besoffener Idiot auf die Hand getreten!«
In den späten fünfziger Jahren, als sich der Wohlstand bei einigen Mitbürgern schon häuslich eingerichtet hatte, hörten wir folgende Geschichte:
Ein militanter Gegner von Alkohol und Nikotin versucht es mit einer Kampagne. Er hat sich vor einer Kneipe aufgebaut und fragt jeden, der herauskommt, wie viel Geld er an diesem Abend vertrunken und verraucht hat. Ein etwas beleibter Herr mit Zigarre erscheint leicht schwankend vor der Kneipentür. »Darf ich Sie mal ansprechen?«, fragt der Aktionist. »Aber gern.«
»Sie haben den Abend in dieser Gaststätte zugebracht, wissen Sie, wie viel Geld Sie da vertrunken haben?« Der Angesprochene denkt kaum nach: »Weiß ich nicht, aber getrunken habe ich 'ne ganze Menge, ein kleines Mühlrad könnt's schon treiben.«
»Und wissen Sie, wie viel Sie geraucht haben?« Der Gefragte zieht an seiner Zigarre: »Weiß ich auch nicht!« »Wenn Sie das ganze Geld gespart hätten, wäre das doch eine schöne Summe ...«
Der Zecher wird nachdenklich: »Das könnte schon sein.«
»Sehen Sie die Villa da oben am Berg?«
»Ja«, bestätigt der Zecher, »was ist damit?«
»Die könnte Ihnen gehören! Wenn Sie das Geld jeden Abend weggelegt hätten, statt zu trinken und zu rauchen.«
Da fragt der Trinker fast nüchtern zurück: »Rauchen Sie?«
»Nein«, sagt der Alkoholgegner.
»Trinken Sie?«
»Nein.«
»Gehört Ihnen die Villa?«
»Nein.«
»Aber mir!«
Die Bürger der Bundesrepublik Deutschland gaben 1955 schon 131,-- Mark pro Kopf für Alkohol und 87,-- Mark für Zigaretten und Tabak aus. Die Bars wurden ein beliebter Handlungsort für Witze. Auch Tiere fanden dort ihre Theke.
Ein ziemlich klein geratener Mann stellt sich an eine Kneipentheke und bestellt zwei Whisky. Einen trinkt er, den zweiten kippt er in seine Anzugtasche. So macht er das den ganzen Abend, immer zwei Whisky, einen, den er trinkt, und einen, den er in die Tasche kippt. Ziemlich betrunken lallt er schließlich nachts den Barkeeper an: »Noch zwei Whisky!« Der lehnt ab: »Sie haben jetzt genug.« »Zwei Whisky habe ich gesagt!« Der Barkeeper schüttelt nur den Kopf.
Da baut sich der kleine Mann drohend vor ihm auf und poltert los: »Wenn ich nicht sofort meine zwei Whisky kriege, komme ich über die Theke und nehme Sie auseinander!« In diesem Augenblick guckt eine kleine Maus aus der Jackentasche und ruft: »Und das gilt auch für Ihre Scheiß-Katze!«
Nach langer Abwesenheit kommt ein englischer Gentleman in seinen Club, trinkt zwei oder drei Whisky und bemerkt plötzlich am Fuß der Theke ein nur30 cm großes Männchen in der Uniform eines englischen Kolonialoffiziers mit vielen Orden auf der Brust. Er fragt den Barkeeper, ob er träume. Der kommt um die Theke herum und setzt den kleinen Kerl auf die Tischplatte neben die Gläser. »Bitte Colonel«, sagt er, »erzählen Sie doch noch einmal die Geschichte, wie Sie damals im Kongo zu dem Medizinmann >Sie Hurensohn< gesagt haben!«
Getrunken wurden Bier, Korn, Weinbrand; teure Importe wie Kognak und Whisky erschienen den meisten noch unerschwinglich. Aber rauchen wollte fast jeder. Zigaretten waren in den Jahren zuvor eine Währung, ein Zahlungsmittel, geworden. Sie kosteten vor der Währungsreform zwischen sieben und fünfzehn Mark das Stück. Rauchen war ein Statussymbol, das sich jetzt fast jeder leisten konnte und wollte. Und in allen Filmen und Fernsehsendungen wurde ohne-hin ganz selbstverständlich geraucht. Aschenbecher wandelten sich zu Möbelstücken, standen in Wohnzimmern auf Ständern, wurden wie Müllschlucker entworfen. Ein Druck oben auf den Knopf, schon war die Asche weggedreht. Und natürlich gab es jetzt Raucherwitze:
In einem Eisenbahnabteil sitzen sich ein Jesuit und ein Franziskaner gegenüber, sie beten beide ihr Brevier. Dabei zieht der Jesuit in aller Gemütsruhe ein Zigarettenetui aus der Tasche und zündet sich eine Zigarette an.
»Beim Beten darf man nicht rauchen«, ruft der Franziskaner. »Ich schon«, antwortet der Jesuit, »ich habe mir die Erlaubnis geben lassen.«
»Bekommt man die leicht?«, fragt der Franziskaner interessiert. »Aber ja, Sie brauchen bloß in Rom anzufragen.« Nach einiger Zeit treffen sich die beiden wieder, und der Franziskaner sagt ärgerlich: »Sie haben mich ja damals ganz schön an der Nase herumgeführt, natürlich habe ich die Erlaubnis nicht bekommen.«