»Keine Butter, keine Sahne, doch auf dem Mond die rote Fahne!« Die DDR-Bürger sagten:
»Die russischen Weltraumpiloten sind wirklich Idioten. Sie fliegen um die Erde und landen ausgerechnet wieder in der Sowjetunion!«
Mangelwitze erreichten in der DDR ein beachtliches Format.
Zu einem Metzger kommt ein Mann und sagt: »Können Sie mir helfen? Meine Tochter heiratet in sechs Wochen, und da möchte ich den Gästen doch ein schönes Essen anbieten.« »Woran hatten Sie denn gedacht?« »An ein schönes Rinderfilet vielleicht.«
Der Metzger bedauert: »Rinderfilet wäre natürlich eine delikate Sache, aber da ist auch mit sechs Wochen Vorlauf nicht dranzukommen. Das geht alles für internationale Besucher und für Exporte weg.«
Der Mann überlegt: »Dann vielleicht ein Kalbsnierenbraten?« »Kalbsnierenbraten ist etwas Feines«, bestätigt der Metzger, »aber so was habe ich selber schon lange nicht mehr gesehen.« Der Mann denkt nach: »Wie wäre es denn mit Rouladen?« »Rouladen wären hervorragend«, antwortet der Metzger, »die könnte ich mir auch lecker vorstellen. Mit Gurkenstückchen, Zwiebeln und durchwachsenem Speck als Füllung. Aber die bekomme ich leider auch nicht, auf keinen Fall in den nächsten sechs Wochen!«
Der Kunde sagt: »Und wie ist es mit Gulasch? Richtig saftiges, gut gewürztes Gulasch!«
»Mit viel Sauce«, bestätigt der Metzger, »ich versteh schon, was Sie meinen. Aber Gulasch ist nicht zu haben.« »Oder einen Kalbsbraten?«
Der Metzger schüttelt den Kopf: »Kälber werden gar nicht mehr geschlachtet. Die haben noch nicht genug Fleisch, das vergessen Sie mal.«
Der Kunde hebt resignierend die Schultern und lässt sie wieder fallen. »Dann nehme ich eben einen einfachen Schweinebraten.«
»Nicht einmal den kann ich Ihnen versprechen«, sagt der Metzger bedauernd, »da müssten wir schon sehr viel Glück haben.«
Als der Mann den Laden traurig verlassen hat, sagt die Metzgersfrau: »Ist das nicht schlimm ? Da will einer seiner Tochter so rührend eine schöne Hochzeit ausrichten, und wir können ihm nicht dabei helfen. Findest du das nicht auch jammerschade?«
»Ja, natürlich«, bestätigt der Metzger, »aber sag maclass="underline" Hast du das mitgekriegt? Ein Gedächtnis hat der Mann!«
Ein Witz, der in allen Diktaturen erzählt wurde, hatte in der DDR folgenden Wortlaut:
Einem Mann ist der Papagei entflogen. Der Besitzer läuft sofort zur Stasi und versichert: »Ich möchte Ihnen nur mitteilen, dass ich die politischen Ansichten meines Papageis nicht teile.«
Papageien dürfen ungestraft das aussprechen, was der Erzähler eigentlich sagen möchte. Auch wir im Westen haben über einen Stasi-Witz gelacht:
In der Straßenbahn liest ein Musiker eine Partitur. Ein StasiMann hält das Notenblatt für Geheimschrift und nimmt den Musiker unter Spionageverdacht fest. Der Festgenommene erklärt immer wieder, das sei doch nur eine Fuge von Bach. Am nächsten Tag wird der Musiker einem höheren Beamten vorgeführt. Der schreit ihn an: »Also jetzt endlich raus mit der Sprache, Bach hat schon gestanden!«
Im Westen erfand damals jemand des deutschen Michel Nachtgebet: Und bitte, lieber Gott, lass mich nicht zu groß werden!
Es gab auch andere witzige Erfindungen, die aber ganz ernst genommen wurden. Der Proporz zum Beispiel. Proporz fordert eine spezielle Gerechtigkeit zwischen rechts und links, so dass Positionen immer ausgeglichen besetzt werden müssen. Ist der Chef bei der CDU, muss der Stellvertreter von der SPD kommen. Bundesgerichte und Rundfunkanstalten z.B. ordneten ihre Mitglieder streng nach dem Strickmuster: zwei links, zwei rechts. Die Regierung wurde auch nach Religionszugehörigkeit besetzt, Katholiken und Protestanten mussten »ausgewogen« darin vertreten sein.
Die katholische Kirche verurteilte in jenen Tagen noch die sogenannte »Mischehe«. So nannte man es, wenn bei der Trauung nicht beide Teile katholisch waren. Dass ein unterschiedliches Gebetbuch damals einer Ehe im Wege stand und bis zur Einschulung der Kinder in eine Konfessionsschule Schwierigkeiten bereitete, ist heute kaum noch vorstellbar.
In den Geschichtsbüchern über diese Zeit wird zu lesen sein, dass Stalin 1952 die Wiedervereinigung Deutschlands angeboten hat. Er tat es aber zu Bedingungen, die dem Westen unannehmbar erschienen, weil sie jede echte Souveränität ausschlossen. Trotzdem waren viele Deutsche der Meinung, man hätte darüber verhandeln müssen. Aber die deutsche Einheit war in diesen Jahren kein Thema, das den Bürgern im Westen besonders zu schaffen machte. Sie spürten, dass es wieder aufwärtsging, und das wollten sie erst einmal sichern und genießen. Ohne die Nachbarn im Osten.
Der Schriftsteller Ernst Krenek schrieb dazu in der Zeitschrift >Magnum<: »Wir, die wir Deutschland zwischen 1932 und 1950 nicht betreten hatten, fanden bei unserem ersten Nachkriegsbesuch seine Bewohner wesentlich verändert, und zwar sehr zu ihrem Vorteil. Aus der Zeit der Weimarer Republik ist uns als dominierende Stimmung eine Mischung von Angst, Misstrauen, Unsicherheit, Gereiztheit, Arroganz und Angriffslust in Erinnerung. Das war zu Beginn der fünfziger Jahre ganz anders. Inmitten ihrer grausigen Verwüstung waren die Deutschen höflich und freundlich und von im Allgemeinen erstaunlich guter Laune.«
Den alten Politik-Profi Konrad Adenauer beschäftigte jedoch die Frage sehr, wie viel Vertrauen man zu diesen Deutschen haben dürfe. Er wollte die Bundesrepublik zwar »wiederbewaffnen«, eine deutsche Armee aufbauen, aber doch so eingebunden in internationale Verträge, dass sie kein Unheil anrichten könne. Als der Plan einer »EVG«, einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, im französischen Parlament scheiterte, hielt er das für eine Katastrophe.
An unseren Universitäten wurde der Seufzer eines österreichischen k.u.k.-Feldmarschalls aktualisiert:
»So eine schöne Armee haben wir gehabt — die bunten Uniformen, die Musik, die blitzenden Waffen und die Kavallerie — welch eine Augenweide! Es war die schönste Armee der Welt! Und was hat man mit ihr gemacht? In den Krieg hat man sie geschickt!«
Adenauer setzte dann auf Europa, die EWG, die europäische Wirtschaftsgemeinschaft, und die NATO, der die Bundesrepublik im Oktober 1954 beitrat. Patriotische Töne kamen zu dieser Zeit eher von der SPD, von ihrem Vorsitzenden Kurt Schumacher, der Adenauer Ende 1949 einmal als »Kanzler der Alliierten« beschimpfte. Die SPD billigte Adenauers totale Hinwendung zum Westen nicht, sie wollte auch im Osten politisch aktiv werden. Solange Stalin lebte, konnte sie damit nicht viel Resonanz in der Bevölkerung finden. Aber auch Stalins Tod 1953 veränderte noch nicht die politische Lage. Im Witz der DDR wurde die Situation im Ostblock so aufgearbeitet:
Ein Anwalt wird zu fünfzehn Jahren Gefängnis verurteilt. Er hat den Generalsekretär Ulbricht einen Idioten genannt. Nach dem Urteil beruft sich der Anwalt auf das Strafgesetzbuch, das für solche Vergehen nur eine Gefängnisstrafe von zwei bis drei Monaten vorsieht. Daraufhin erklärt der Richter: »Wir haben Sie nicht verurteilt, weil Sie den Genossen Ulbricht beleidigt haben, sondern weil Sie ein Staatsgeheimnis verraten haben.«
Während 16 000 Flüchtlinge die DDR im August 1956 verließen (drei Jahre nach dem Juni-Aufstand 1953), lachte man im Westen immer noch über die ersten Neureichen:
Ein Studienrat sieht am Straßenrand einen Mann aus einem dicken Mercedes steigen, erkennt einen früheren Schüler und staunt: »Mensch, Meier, Ihnen scheint es ja gutzugehen, was machen Sie denn jetzt?«
»Ich bin Geschäftsmann geworden, Herr Studienrat.« »Geschäftsmann«, wiederholt der Pädagoge zweifelnd, »das hat doch mit Rechnen zu tun, und in Mathematik, wenn ich das so sagen darf, waren Sie ja nicht gerade eine Leuchte.«