Ganz ähnlich konstruiert ist ein Witz, über den man in der DDR lachte.
Ein »Trabi« wird auf der Autobahn von einem Streifenwagen überholt und gestoppt. Vier Polizisten steigen aus, gehen auf das Auto zu und grüßen freundlich.
»Deutsche Verkehrspolizei, Oberwachtmeister Hübner«, stellt sich der ranghöchste Polizist vor. »Wir fahren schon über 100 Kilometer hinter Ihnen her und dürfen Ihnen mitteilen, dass Sie wegen Ihrer rücksichtsvollen und verkehrsgerechten Fahrweise von uns mit der jährlich vergebenen Auszeichnung Bester Kraftfahrer< prämiert werden. Wenn Sie hier bitte unterschreiben würden. Die Auszeichnung ist mit einer Geldsumme von 800 Mark verbunden.«
»Na, toll!«, sagt der Fahrer, »mit dem Geld kann ich dann ja endlich meinen Führerschein machen.«
»Hören Sie bloß nicht auf meinen Mann«, meint die Beifahrerin, »der redet immer so 'n Quatsch, wenn er betrunken ist.« »Siehste!«, schreit das Kind von hinten. »Ich hab's euch ja gleich gesagt: Mit 'm geklauten Auto kommen wir nicht weit.« In diesem Moment geht hinten die Kofferraumhaube auf. Die Oma schaut heraus und fragt: »Was ist? Sind wir schon im Westen?«
Clement de Wroblewski, der diese Begebenheit in seinem Buch >Wo wir sind ist vorn ...< veröffentlicht hat, glaubt, die Urheber solcher Witze in der DDR ausfindig gemacht zu haben. Er schreibt:
»Vom Ende der siebziger Jahre war der Hauptproduzent (des Witzes) das intellektuelle Kleinbürgertum, war sein Entstehungsgebiet der Ballungsraum, die Großstadt, ging seine Verbreitung von Berlin (Hauptstadt) aus. Sicher, das Räsonieren, jene subtil-nörglige Art des Meckerns, ist seit jeher eine Spezialität der Berliner Volksseele, aber die DDR hatte im Laufe der Zeit auch einen großen Haufen vaga-bundierenden Intellekts freigesetzt, ob nun institutionell gebunden oder nicht. An Berlins berühmtester Kreuzung Friedrichstraße/Ecke Unter den Linden, im kleinen, eher unattraktiven Espresso vom Lindentorso, wurde dieser Haufen zur kritischen Masse . und die Filmemacher, Maler, Fotografen, Graphiker, Liedermacher, Jazzer, Rocker, all diese Cafehocker hatten unendlich viel Muße und Zeit, die Zeitläufte auf ihren Humorwert zu untersuchen und Sarkasmen, Sprüche, Verballhornungen und Witze zu produzieren .
Egal, welche Milieus den politischen Witz der DDR hervorbrachten: Verbreitet von Mund zu Mund wurde er zur echten, sogar einzigen Volkskunst des Landes. Selektiert aber und letztendlich gefiltert wurden diese Witze im Cafehaus. Dort verfestigte sich ihre authentische Form.«
Wenn es also so war, dass das lustige Künstlervölkchen bei Kaffee und Wodka den Staat und seine Schwachstellen auf den Arm nahm, sind vermutlich auch die folgenden Beispiele Produkte seiner Phantasie.
Bei einem Internationalen Leichtathletik-Sportfest wirft ein amerikanischer Hüne den Hammer 83,23 Meter weit. Weltrekord! Die Reporter umringen den Mann und fragen ihn: »Sagen Sie mal, worauf führen Sie diesen Erfolg zurück?« »Auf mein College. Dort bin ich ausgebildet und trainiert worden. Ich liebe mein College und schenke ihm diesen Sieg.« Der Amerikaner hat nicht mit seinem russischen Konkurrenten gerechnet. Der wirft seinen Hammer beim dritten Versuch 83,26 Meter weit. Weltrekord! Wieder sind die Reporter da und fragen: »Wie haben Sie das geschafft?«
»Ich liebe die siegreiche Sowjetunion«, sagt der Russe. »Als ich meinen Hammer abwarf, hab ich nicht an die Universität, sondern nur an mein Land gedacht. Ihm verdanke ich alles.« Es tritt ein unbekannter Sportler aus der DDR in den Schutzkreis, er schleudert seinen Hammer 84 Meter weit. Neuer Weltrekord! Wieder eilen die Reporter herbei und sagen: »Weltrekord, Menschenskind, worauf führen Sie das zurück?« »Auf meinen Vater«, sagt der Sieger. »Wieso auf Ihren Vater?«
»Als ich noch ganz klein war, hat mein Vater zu mir gesagt: >Wenn dir jemals einer einen Hammer in die Hand drückt, mein Junge, wirf ihn so weit weg wie möglich.<«
Zwei Volkspolizisten wollen unbedingt zur Wasserschutzpolizei versetzt werden. Sie weihen ihren Vorgesetzten ein, und der gibt zu bedenken:
»Genossen, das ist aber nicht so ganz leicht. Die stellen hohe Anforderungen, als Erstes müsst ihr eine schwierige Aufnahmeprüfung bestehen.«
»Das werden wir schon schaffen«, sagen die beiden. Sie bewerben sich und werden von einer Kommission geprüft, deren Vorsitzender ihnen folgende Frage stellt: »Was passiert mit Wasser, wenn man es auf hundert Grad erhitzt?«
Die Kandidaten blicken sich fassungslos an, schütteln die Köpfe, schweigen.
»Na, gut«, sagt der Vorsitzende, »dann eine zweite Frage: Was passiert mit Wasser unter null Grad?« Schweigen, Ratlosigkeit, keine Antwort. Da entlässt die Kommission die beiden Bewerber mit dem Hinweis, sie kämen für die Wasserschutzpolizei der DDR leider nicht in Frage. Niedergeschlagen melden sie sich beim Offizier der Volkspolizei zurück und beichten ihm ihre Niederlage.
»Welche Fragen haben die euch denn gestellt?«, will der Vorgesetzte wissen.
»Was passiert mit Wasser unter null Grad?«
»Hm. Hätt ich auch nicht gewusst. Und was noch?«
»Was passiert mit Wasser über hundert Grad?«
»Uber hundert Grad? Seltsame Frage. Also wenn die gesagt hätten, was geschieht mit Wasser bei neunzig Grad, hätte ich ganz locker geantwortet: Da fließt es im rechten Winkel ab ...«
Ein hübsches Mädchen aus der DDR, vierzehn Jahre alt, ist bei einem Internationalen Sportwettbewerb in Ostberlin erste Siegerin im Bodenturnen. Staatschef Erich Honecker lässt die Kleine zu sich kommen, tätschelt ihr die Wangen und sagt: »Du hast dich um unser Land verdient gemacht. Gibt es einen
Wunsch, den ich dir erfüllen kann, Mädel?«
»Jawohl, Herr Staatsratsvorsitzender«, antwortet das Mädchen.
»Ich wünsche mir, dass Sie für einen Tag die Mauer öffnen lassen.«
Da droht Honecker schelmisch mit dem Zeigefinger und sagt: »Du, du, du ... du willst wohl mit mir allein sein.«
Nach dem 9. November 1989 konnten solche dem Oberhaupt der DDR zugeschriebenen Hirngespinste nicht mehr gesponnen werden. Die Mauer war weg, ganz Deutschland jubelte. Was »zusammengehört«, wie Willi Brandt meinte, wuchs allerdings doch nicht so leicht zusammen. Die Westdeutschen mussten zahlen, die Ostdeutschen für ihre neue D-Mark hart arbeiten. Sparen war angesagt; bei knappen Kassen hatten unter anderem Märkte für Waren zum »Selber-machen« Hochkonjunktur.
Das Ehepaar Zeindel hat sich im ersten Möbelgeschäft der Stadt die teuren Bauteile für einen hochmodernen Kleiderschrank gekauft und im Schlafzimmer nach Gebrauchsanweisung zusammengebaut.
Eines frühen Morgens — ihr Mann ist schon zur Arbeit — steht Eva Zeindel vor ihrem Schrank und bewundert seine makellose Schönheit. Da fährt draußen die Straßenbahn nach Stoppenberg vorbei. Das neue Möbelstück ächzt in allen Fugen und stürzt in sich zusammen.
Entsetzt eilt Frau Zeindel zum Telefon, ruft den Geschäftsführer des Möbelhauses an und berichtet ihm atemlos über den Zusammenbruch des Kleiderschranks.
»Lassen Sie alles so stehen und liegen, gnädige Frau«, beruhigt sie der Mann, »ich schicke Ihnen sofort unseren für solche Ausnahmefälle zuständigen Spezialisten.« Wenig später lässt Eva Zeindel den Spezialisten herein, einen gutaussehenden Herrn in den besten Jahren. Fachmännisch baut er den Schrank wieder auf, und als er seine Arbeit beendet hat, rattert draußen die Straßenbahn nach Stoppenberg vorbei. Der kostbare Einkauf zittert und bricht zusammen.