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Witze über düstere Ahnungen und auch über das, was uns im Jenseits erwartet, haben Erzähler immer parat. Auch sie sollen Angst abbauen oder verdrängen. Sterben passiert dann grundsätzlich nur anderen, nicht einem selber. Himmel und Hölle werden so etwas wie Reiseziele.

Als Machiavelli, der als Schriftsteller ethische Normen für Regierende aufheben wollte, auf dem Sterbebett liegt, wird er von den Umstehenden bedrängt, doch endlich dem Teufel abzuschwören.

Er antwortet: »Werde ich mir denn in dieser Situation neue Feinde machen?«

Zwei englische Lords treffen sich. Der eine erinnert sich bedauernd: »Ach, ich habe gehört, Sie haben Ihre Frau Gemahlin beerdigen müssen?«

»Ja«, sagt der andere, »was sollte ich machen? Sie war tot!«

Letzter Wunsch eines Todeskandidaten: »Ich möchte auf dem elektrischen Stuhl die Hand meines Verteidigers halten!«

Ein Pastor lässt sich seine Heimatzeitung in den Urlaub nachschicken und findet darin eines Morgens seine eigene Todesanzeige. Da hat sich aber einer einen bösen Scherz erlaubt, sagt er sich, ruft aber trotzdem den Bischof an. »Haben Sie meine Todesanzeige gesehen?«, fragt er. »Natürlich«, bestätigt der Bischof.

Der Pastor setzt nach: »Aber Sie haben den Unsinn doch hoffentlich nicht geglaubt?«

»Natürlich nicht«, bestätigt der Bischof, »aber sagen Sie, von wo rufen Sie an?«

Drei Bestattungsunternehmer klagen bei einem Treffen über die schlechte Lage. Das Wetter ist zu gut, die Menschen sind zu gesund.

»Ich hatte im letzten Monat nur sieben Erd- und drei Feuerbestattungen«, sagt der erste, »und noch eine Seebestattung, das war alles.«

»Bei mir war es kaum besser«, sagt der zweite, »acht Erd-, drei Feuer- und zwei Seebestattungen.«

»Bei mir war es nicht ganz so schlimm«, meldet sich der dritte, »ich hatte zwar auch nur sieben Erd-, vier Feuer- und zwei Seebestattungen, aber dann sechs Kompostierungen ...« »Kompostierungen?«, fragen die beiden erstaunt. »Nun, die Grünen kommen ja jetzt auch in die Jahre!«

Zu dieser Sammlung gehörten auch Beichtwitze, die in katholischen Regionen von jeher beliebt waren. Allerdings mehr auf dem Land als in Großstädten.

Elisabeth hat gerade gebeichtet, als ein Verehrer versucht, Hand an sie zu legen.

»Warte bitte einen Moment«, sagt sie, »noch bin ich ja im Stande der heiligmachenden Gnade. Aber ich komme da auch wieder heraus!«

Samuel Weizenbaum, soeben erst Katholik geworden, kniet zum ersten Mal im Beichtstuhl.

»Ich habe mit der Frau meines Kompagnons geschlafen.« »Wie oft, mein Sohn?«

»Nu«, entgegnet Weizenbaum, »bin ich gekommen, mich zu zerknirschen, oder bin ich gekommen, mich zu berühmen?«

Die Deutschen warfen sich selber vor, den Mitbürgern ihr Geld und ihren Besitz nicht zu gönnen, eine Neidgesellschaft entwickelt zu haben. Die Gerichte stöhnten über die Unzahl von Verfahren, mit denen Nachbarn sich bedrohten, statt miteinander zu reden. So kamen auch Nachbarschaftswitze auf. In denen wurde allerdings geredet:

Sagt die Frau zu ihrer Nachbarin: »Wissen Sie, dass Ihre Katze heute Morgen meinen Wellensittich gefressen hat?« — »Ach, gut, dass Sie es sagen«, antwortet die, »dann kriegt sie heute nichts mehr.«

Eine Nachbarin beschwert sich: »Ihr Sohn hat gesagt, ich sähe aus wie eine Kuh!«

Antwortet die Mutter: »Dabei habe ich ihm immer gesagt, er soll nicht nur nach äußerlichen Eindrücken urteilen.«

Dass »Made in Germany« nicht mehr unbedingt eine Garantie für Qualität sein musste, scheint auch eine Folge der neuen wirtschaftlichen Entwicklung zu sein. Das betraf natürlich zuerst das Handwerk.

Der Friseur fragt einen Kunden nach seinen Wünschen. Der sagt:

»Ich möchte gern die linke Seite ganz glatt, rechts zehn bis elf Stufen, vorn ein paar Haare in die Stirn und hinten eine Strähne, die über die Anzugjacke fällt.«

Der Friseur schüttelt den Kopf: »Das kann ich nicht.«

»Wieso nicht?«, fragt der Kunde. »Vor drei Wochen haben Sie mir die Haare doch auch so geschnitten.«

Danach ist der Friseur vermutlich zu einem Psychotherapeuten gegangen.

Ein Mann, der zum Psychotherapeuten will, kommt in ein Wartezimmer mit zwei Türen. Über der einen steht »Mutter geliebt«, über der anderen »Mutter gehasst«. Er geht durch die Tür mit »Mutter geliebt« und steht erneut in einem Zimmer mit zwei Türen. Über der einen steht »Vatergeliebt«, über der anderen »Vater gehasst«. Na, denkt er, ein bisschen ÖdipusKomplex wird vielleicht sogar erwartet. Also geht er durch »Vater gehasst«.

Wiederum kommt er in ein Zimmer mit zwei Türen.

Über der einen steht »Über 100000 Mark Einkommen«, über der anderen »Unter 100000 Mark Einkommen«.

Er wählt die mit »Unter 100000 Mark Einkommen« und steht wieder auf der Straße.

Walter Dirks, der Schriftsteller und Publizist, hatte in den sechziger Jahren über die Bundesrepublik geurteilt: »Es bleibt viel anzuerkennen und zu loben, aber im Endergebnis dieser Jahre haben wir eine nur scheinbar stabile, in Wahrheit äußerst labile, ihrer selbst nur scheinbar sichere Gesellschaft, die in der Gefahr ist, in schweren Belastungsproben zu versagen.« Das bleibt vermutlich länger wahr.

Der Berliner Professor Arnulf Baring schrieb 1997 ein Buch mit dem Titel >Scheitert Deutschland?<. Der Autor bejahte diese Frage in fast allen Kapiteln. Das Buch wurde ein Bestseller.

Die Wiedervereinigung hatte finanzielle und soziologische Probleme zur Folge, die das Land noch nicht bewältigt hat.

Dazu passt eine Geschichte, die 1960 ein alter Jude in Israel erzählt hatte:

Ein Jude geht in Jerusalem an die Klagemauer. »Gott der Herr«, betet er, »zweitausend Jahre haben wir dich angefleht: Lass uns heimkehren in das Land unserer Väter. Und ausgerechnet uns muss es passieren!«

Professor Valentin Braitenberg, der ehemalige Direktor des MaxPlanck-Instituts für biologische Kybernetik in Tübingen, schrieb 1998 in der >Zeit<: »Die herrliche Perversion, die aus der Gehirnfunk-tion Lust bezieht, entschädigt uns für manche Schwäche auf animalischem Gebiet und macht uns schicksalhaft zu Wissenschaftlern. Und zu Erzählern von Witzen.«

Fällt uns noch ein Witz ein? Keiner mehr? - So ernst sind die Zeiten geworden!

Zugaben

Michael Lentz

Drei Riesen

Als Chris Howland, Dieter Thoma und ich zum ersten Mal in einer Kneipe über Witze nachdachten und unsere reichhaltige Bestandsaufnahme dem Tonband anvertrauten, erzählte ich einen meiner Lieblingswitze: den von den drei Riesen.

Als ich die Pointe servierte, war ich der Einzige, der schallend lachte. Später wurde ein Protokoll ausgefertigt, in dem alle Witze, die unbedingt berücksichtigt werden sollten, mit zwei oder drei Kreuzen markiert wurden. Meine »Drei Riesen« tauchten gar nicht erst auf.

Bei der nächsten Sitzung sagte ich: »Ihr habt meinen Lieblingswitz, den von den >Drei Riesen<, vergessen.« Und weil ich ihn so gut fand, erzählte ich ihn noch mal. Peter Jamin, der ebenfalls zur Runde gestoßen war, blickte mich zweifelnd an, als ich nach der Pointe in Gelächter ausbrach. Ich fand kein Echo. Chris Howland bestellte ein Mineralwasser und pfiff durch die Zähne, was er immer tut, wenn ihm etwas peinlich ist. Dieter Thoma strich mit dem Daumen seine Brauen zurecht und sagte in einem Tonfall, der eindeutig meinen Humor in Frage stellte: »Sag mal, findest du diesen Witz wirklich gut?«