»Ja«, sagte ich, »ja, ja, ja! Und ich lasse mir die >Drei Riesen< von euch auch nicht austreiben. Das ist ein Schmuckstück unserer Sammlung.« Betretenes Schweigen. Chris Howland pfiff. Jamin fixierte mich wie jemanden, dem ein Fauxpas unterlaufen ist, der aber von seinen Gesprächspartnern rücksichtsvoll überhört wird. Thoma wölbte die Lippen und sagte: »Also wenn du den Witz wirklich so gut findest, kannst du ihn ja unter deinem Namen in einer persönlichen Notiz unterbringen.«
Das tue ich hiermit:
Drei Riesen unterhalten sich darüber, wer von ihnen den größten Vater hatte. Sagt der eine:
»Wenn mein Vater morgens aufstand und die Füße voreinander-setzte, stand er mit einem Bein in Frankreich und mit dem anderen in Australien.«
»Das ist noch gar nichts«, sagt der zweite Riese. »Wenn mein Vater morgens aufstand und sich mal so richtig reckte, hatte er in jeder Hand einen Planeten.«
»Waren die Planeten warm?«, fragt der dritte Riese. »Ja, warum?«
»Dann waren das die Eier von meinem Alten.«
Dieter Thoma Die Tochter des Gastgebers
Lieblingswitze verraten viel über den Menschen, der sie preisgibt, sagen die Psychologen. Ich verknüpfe deswegen Witze untrennbar mit Menschen, die sie mir erzählt haben, als seien sie ihr geistiges Eigentum. Über vierzig Jahre hinweg konnte ich manchmal behalten, wer mir bei einer bestimmten Gelegenheit welchen Witz weitergab. Das gilt auch für Erlebnisse, in denen ein Witz anders wirkte als sonst, weil er auf eine besondere Situation traf.
Nur Musik vermittelt noch vergleichbare Erinnerungsbrücken; das erste Sinfoniekonzert, die erste Oper, die neue Freundin, die damals einen schrägen Schlager schätzte. Sobald ich die Musik höre, lebe ich in dieser Vergangenheit, werden alte Freunde wieder aktuelle Gesellschafter.
Auch wo man einen Witz erzählt, kann wichtig sein, die Stimmung, die Zuhörer, der Vorlauf, die Tageszeit. Und manchmal kommt dann noch eine Überraschung dazu.
Auf einer Reise hatte mich ein Gesprächspartner abends zum Essen an den Familientisch eingeladen. Seine Frau und zwei Töchter, 16 und 14 Jahre alt, saßen auch dabei. Nach dem Essen tischte der Gastgeber einen Witz auf. Ich fügte einen anderen hinzu, und so tauschten wir eine Zeitlang Pointen aus, streng darauf bedacht, sie nur aus der obersten Schublade zu nehmen, geeignet für jedes katholische Lyzeum.
Da meldete sich die vierzehnjährige Tochter und fragte, ob auch sie einen Witz erzählen dürfe.
»Natürlich«, erlaubte der Vater und lehnte sich nicht ohne väterlichen Stolz zurück. Und Tochter Ulrike begann:
Es gibt Anstandsunterricht bei der Bundeswehr. Der Spieß fragt die Rekruten, wie sie sich in folgender Situation verhalten würden: »Sie sitzen mit einer Dame in einem Lokal und müssen mal austreten. Was sagen Sie?«
Der erste antwortet: »Was soll ich schon groß erklären? Ich werde sagen: >Mädchen, ich muss mal zum Klo.<« »Unmöglich«, urteilt der Spieß, »und Sie?« Der zweite antwortet: »Ich würde sagen: >Meine Dame, jeder Mensch muss mal müssen, und das ist jetzt bei mir der Fall.<«
»Schon besser«, meint der Spieß, »aber noch nicht gut. Und Sie?«
Der dritte steht auf, verbeugt sich leicht und sagt: »Gnädiges Fräulein, ich muss leider mal eben vor die Tür und einem guten Freund die Hand geben, dessen Bekanntschaft Sie auch bald machen werden!«
Ich brauchte eine ganze Weile an diesem Abend, um den Vater davon zu überzeugen, dass seine Tochter noch nicht völlig missraten sei.
Eine andere Situation ... Wir hatten Modefotos für >twen< machen lassen und saßen bei mir zu Hause: Willy Fleckhaus als Chef der Zeitschrift, ein Modefotograf und vier Models oder Mannequins, wie man zu der Zeit noch sagte. Und wieder wurden irgendwann Witze erzählt. Auf ein passendes Stichwort hin gab ich die Geschichte vom Fuchs und dem Hasen zum Besten.
Ein Fuchs und ein Hase spielen zuweilen miteinander Karten. Es ist spät geworden an einem Abend, und da sagt der Fuchs: »Pass auf, ich bringe dich schnell nach Hause, setz dich nur auf meinen Schwanz!« Der Hase sitzt auf und kommt auch schnell und relativ bequem zurück.
Das nächste Mal besucht der Fuchs den Hasen. Wieder wird es spät, der Hase will sich revanchieren und sagt ebenfalls: »Jetzt bringe ich dich nach Hause, setz dich nur auf meinen Schwanz!« Dort aber findet der Fuchs keinen Halt, rutscht jedes Mal ab, wenn der Hase starten will. Da geht der Hase ärgerlich zur
Garage, fährt einen Cadillac heraus und bringt damit den Fuchs heim.
Moraclass="underline" Wer einen zu kleinen Schwanz hat, braucht einen Cadillac!
Auf diese Pointe hin sprang eines der Models begeistert vom Sessel hoch und juchzte: »Ja, genauso ist es, genauso ist es!«
Michael Lentz.
Jiris Erzählungen
Manchmal gibt es geringfügige Erlebnisse, die lange zurückliegen und sich in unseren trügerischen Erinnerungen als Anekdoten etablieren. Wenn die Anekdoten altern, lassen sie Federn. Dann könnte ein Witz daraus werden.
Es ist die Rede von dem tschechischen Dienstwagenfahrer Jiri, der im Herbst 1966 drei deutsche Filmkritiker vom Flughafen abholte, um sie nach Prag zu kutschieren. Dort sollte unsere kleine Delegation Filme für das Programm der »Oberhausener Kurzfilmtage« aussuchen. Auf dem Bildschirm meiner Erinnerungen erscheint Jiri als ein rundlicher, behänder Mann, der so tat, als hätte er mit uns schon vor vielen Jahren Brüderschaft getrunken. Er hatte seine letzten Haarsträhnen eitel über den Kahlkopf gestriegelt, und während er mit hoher Geschwindigkeit der »Goldenen Stadt« entgegenfuhr, stieß Jiri bisweilen unerwartet einen Mittelfinger ins rechte Ohr. Hektisch bewegte er ihn dort hin und her, als gelte es, einen quälenden Juckreiz zu lindern.
»Aah, grieß Gott, liebe Leut aus scheene Bundesrepublik«, hatte Jiri zur Begrüßung gesagt und unsere schweren Reisetaschen wie Federbälle in den Kofferraum geworfen. Am Steuer schwieg er einen Augenblick gedankenvoll, bis er seine nächsten Sätze gefunden hatte: »Hab ich Freund in scheene Bundesrepublik - den Erwin aus Wuppertal. Besucht mich jedes Jahr im Friehling, der Erwin. Haben wir sehr scheene Zeit.«
»Aha«, sagte ich.
»Wissen Sie«, fuhr Jiri fort, »wenn er kommt, der Erwin aus Wuppertal, gehen wir erst mal gut essen. Ente und Knödel, Schweinsbra-ten mit Kraut. Dazu trinken wir viele, viele Pilsener und Marillenschnäpse. No, und wenn wir bissken betrunken sind, sagt mein Freund Erwin: >Und nu, Jiri, was ist mit veggeln?<
No - kenne ich viele scheene Mädchen in Prag, kosten bissken Geld, aber bezahl ich gern für meinen lieben Freund Erwin aus Wuppertal.«
Jiri lächelte versonnen und schüttelte das rechte Ohr, ehe er seinen Monolog fortsetzte. »Wissen Sie ... hat er mich jetzt fünftes Mal besucht, der Erwin, immer in Friehling. Und letztes Mal hat er mich eingeladen in scheene Bundesrepublik.
Bin ich nach Wuppertal gefahren, hat mich mein Freund vom Zug abgeholt und gesagt: »Meine Frau hat wat Leckeres zu essen gemacht, du kannst auch bei uns wohnen. No - wissen Sie, was gab es zu essen? Kalte Platte! Bissken Wurst, bissken Käse, paar kleine Gurken. Zwei Flaschen Bier haben wir getrunken und hinterher Kaffee und einen warmen Schnaps. Erwins Frau, heißt sie Renate, hat mich angeguckt wie einen Feind, als ich auf leeres Bierglas gezeigt habe. Dann hat sie warmes Selterswasser auf Tisch gestellt und abgeräumt. Als sie in Kiche war, hab ich zu meinem Freund gesagt: >Und nu, Erwin, was is' mit veggeln?< War ihm peinlich. Hat er mit Kopf geschüttelt und gemeint, das ginge heute nicht, Renate würde uns nicht allein aus dem Haus lassen. No - hab ich warmes Selterswasser getrunken und auf Luftmatratze geschlafen.«