Der Wunderheiler winkt einem Mann aus der ersten Reihe zu, der sich mühsam an zwei Krücken voranschleppt. Und aus dem Hintergrund kommt in Windeseile ein Junge auf die Bühne gelaufen.
»Ihr Problem ist klar«, sagt der Wunderheiler Jablonski zu dem Ersten. »Aber was ist mit dir, Junge? Du scheinst doch ganz gesund zu sein.«
»B...b..bin ich a...a...auch, bis auf d..d...das Sto.. Sto... Stottern.« »Also gut, ich will eure Namen nicht wissen, jeder bleibt anonym. Sie mit den Krücken nenne ich Nummer 1< und dich mit dem Sprachfehler Nummer 2<. Und jetzt geht bitte hinter den Vorhang.«
Die beiden verschwinden, der Wunderheiler konzentriert sich, schließt die Augen und ruft: »Nummer 1, werfen Sie jetzt Ihre linke Krücke über den Vorhang!«
Die Krücke kommt geflogen, fällt auf die Erde.
Die Menge jubelt, die Musik spielt einen Tusch.
»Ruhe bitte«, befiehlt Jablonski. »Und jetzt, Nummer 1, werfen Sie Ihre zweite Krücke über den Vorhang!«
Die zweite Krücke kommt auf die Bühne geflogen, großer Beifall, Tusch.
»Und jetzt werde ich Nummer 2 heilen«, sagt Jablonski. Er schließt wieder die Augen, breitet die Arme aus, und ruft: »Nummer 2, sag uns bitte laut und deutlich, was soeben passiert ist!« Pause. Dann kommt die Antwort: Nu.. .Nu.. .Nummer 1 ist g.. .g.. .gerade unhei.. .heimlich auf d...d...die F.F. Fresse gefallen.«
Eine Variante des Witzes vom stotternden Jungen hört sich so an:
Eine Familie aus Aachen hat dreizehn Söhne, einer davon kann nicht sprechen. Kein Arzt kann dem Jungen helfen. Da beschließt der Vater, mit ihm zum Wallfahrtsort Lourdes zu fahren. Dort angekommen, taucht er den Kopf des Jungen in die Heilquelle. Der schüttelt sich und schreit: »Mensch, Papa, hör auf mit dem Scheiß. Das Wasser ist eiskalt!«
Der Vater macht Luftsprünge vor Freude, rennt zum Telefon, ruft seine Frau an und sagt: »Stell dir vor, Mutter, es ist ein Wunder geschehen! Unser Junge kann sprechen!« »Das glaub ich auch«, antwortet die Frau, »du Idiot hast den Falschen mitgenommen.«
Ein Lahmer, ein Blinder und ein Tauber beschließen, gemeinsam eine Wallfahrt nach Lourdes zu machen. Der Lahme sitzt in einem Wägelchen, der Blinde schiebt ihn, und der Taube weist den Weg. Sie kommen mit einiger Mühe auch an die wundertätige Quelle, drängen sich in der Schlange langsam vor, bis sie vornan stehen.
Der Blinde betupft als Erster seine Augen mit dem Wasser. Dann starrt er, noch ungläubig, auf seine Gefährten: »Halleluja«, ruft er aus, »halleluja, ich kann sehen!«
Der Taube nimmt nun auch Wasser und lässt es in seine Ohren fließen. »O Himmel«, jubelt er dann, »ich kann hören, ich kann hören!«
Jetzt wird der Lahme in seinem Wägelchen ganz nervös. »Hebt mich rein«, schreit er, »schnell, hebt mich rein!«
Das tun die beiden anderen. Nach einer Weile holen die beiden Freunde des Lahmen das Wägelchen wieder aus der Wunderquelle. »Gratuliere«, rufen sie wie aus einem Mund, »vier neue Reifen!«
Es gab auch Witze in der Nachkriegszeit, die unter die Haut gingen. Sie wurden in den Besatzungszonen zuerst von Juden und Emigranten erzählt, waren aber an die Adresse der ehemaligen Volksgenossen gerichtet, die sie nur zögernd und mit schlechtem Gewissen zur Kenntnis nahmen.
Mit einem jüdischen Witz, der die abgestandene Figur des preußischen Herrenmenschen geistreich veräppelt, hatten die Deutschen allerdings noch keine Probleme.
Moische sitzt in einem Eisenbahnabteil erster Klasse und liest. Kommt ein hochgewachsener, blonder Preuße ins Abteiclass="underline" Stiernacken, Schmisse auf der Backe, Monokel im Auge. Der Mann wuchtet seinen Koffer ins Gepäcknetz und fragt Moische: »Sagen Se mal, fahren wir schon?« Moische lässt die Zeitung sinken und sagt: »Nein, wegen Ihnen schieben se vorbei die Häuser.«
Bei anderen jüdischen Witzen, die mit ihren melancholischen oder traurigen Pointen auch zum Kapitel »Vergangenheitsbewältigung« gehörten, blieb einem das Lachen im Halse stecken.
In einer Nacht schleicht ein alter Jude durch die Straßen des Warschauer Ghettos. Als er um die Ecke biegt, hinter der seine Behausung liegt, stellt sich ihm ein SS-Offizier in den Weg und sagt: »Ich werde dich jetzt erschießen!«
Während der SS-Offizier seine Pistole entsichert, fährt er fort:
»Ich gebe dir aber noch eine Chance, dein Leben zu retten.
Ich habe ein Glasauge, es ist von einem richtigen Auge allerdings nicht zu unterscheiden. Wenn du herauskriegst, welches das Glasauge ist, lasse ich dich leben.«
Der Jude schaut den SS-Offizier lange an. Dann sagt er:
»Es ist das rechte Auge.«
Verblüfft steckt der SS-Mann seine Pistole ein. »Richtig, Jude«, sagt er, »aber jetzt erklär mir mal, woran du das erkannt hast.« Der alte Jude zögert. Nach einer Weile sagt er: »Es blickt so menschlich.«
Als Hitler in Deutschland die Macht übernahm, wanderte Aaron nach Amerika aus. Dort baute er sich eine gutgehende Firma auf. Nach Kriegsende sorgte er dafür, dass sein Bruder Moische, den regimefeindliche Deutsche in ihrer Hamburger Wohnung versteckt hatten, in die Vereinigten Staaten einreisen konnte. In Aarons Wohnung umarmen sich die Brüder. Da fällt Moisches Blick auf ein Bild an der Wand. Es ist ein Porträt Adolf Hitlers. Moische erbleicht und fragt: »Gott der Gerechte, Aaron, warum haste dir bloß aufgehängt dieses Bild?« »Gegen das Heimweh«, sagt Aaron.
Zwei Juden gehen durch die Trümmerlandschaft Berlins. In einem ausgebombten Kaufhaus entdecken sie ein Schild mit der Nazi-Parole »Die Juden sind unser Unglück«. Sagt der eine zum anderen: »Schön wär's.«
Um 1947/48 machte in den Westzonen eine Kollektion von Witzen die Runde, die dem eher vordergründigen deutschen Humor ein Schnippchen schlugen. Sie waren nicht jedermanns Sache, mit Vorliebe wurden sie von Studenten und Pennälern erzählt. Ihr Kennzeichen war der pure Nonsens, und ihre Wurzeln lagen eindeutig in England und Amerika. Besatzungssoldaten, die aus dem Heimaturlaub in ihre Kasernen zurückkehrten, importierten sie nach Westdeutschland. Shaggy-Dog-Stories war ein Gattungsbegriff, der sich wörtlich mit verwahrloster oder ungekämmter Hund übersetzen lässt. Gemeint ist damit aber eine Geschichte, bei der es mehr um den gut erzählten Inhalt geht als um die verrückte Pointe. »Jetzt geht's rund«, sagte der Spatz, als er in den Ventilator flog. Die Shaggy-Dog-Stories aber kamen auf Taubenfüßen.
Ein Mann sitzt im Park auf einer Bank. Eine Taube kommt geflogen, setzt sich auf die Lehne und sagt: »Es ist angenehm warm heute.«
Der Mann wundert sich: »Du kannst ja sprechen!?« »Warum nicht?« fragt die Taube.
»Das glaubt mir kein Mensch«, sagt der Mann, »würdest du mir einen Gefallen tun? Ich habe heute Abend eine kleine Gesellschaft bei mir, gute Freunde, kannst du da mal vorbeikommen?«
»Aber gern«, sagt die Taube, »wenn du mir die Adresse gibst...«
Sie verspricht, gegen acht Uhr dreißig da zu sein.
Der Mann erzählt seinen Freunden, dass gleich eine sprechende
Taube zu Besuch kommen werde. Die sehen ihn an, als habe er schon zu viel getrunken. Es wird halb neun, es wird neun Uhr und halb zehn, der Gastgeber ist ganz unglücklich.