Da ist der Leser baff, dass es immer noch so viele Witze, zum Beispiel über die Musikkritik und die Kritiker, gibt:
Die kürzeste Zeitungskritik: »Claudia M. gab im Wiener Musikvereinssaal ein Konzert am Klavier. Warum?«
Schreibt ein Kritiker: »Was ist die Gemeinsamkeit von Kondom und Dirigent? — >mit< ist sicherer, >ohne< schöner...«
Fragt ein Musikkritiker einen anderen: »Kennst du die Geschichte, in der ein Dirigent mit 'nem Strick in den Wald geht?« »Nein, aber sie fängt ganz gut an ...«
Es wird eine Radioansage zur Sendung von Peter I. Tschaikowskis >Nussknackersuite< verlesen. Die Kollegen versuchen vorher, den Ansager zu verwirren: »Dass du aber nicht >NussKACKERsuite< sagst!«
Der Ansager reißt sich zusammen: »Meine Damen und Herren, hören Sie nun die Nussknackersuite — von Peter Scheißkowski!«
Der folgende Witz ist auch für andere Berufe geeignet:
Zwei Musiker unterhalten sich. Fragt der eine: »Was ist der Unterschied zwischen einem Kritiker und einem Eunuchen?« Der andere Musiker kennt die Antwort nicht. »Da gibt's keinen. Beide wissen genau, wie man es machen muss, können es aber nicht.«
Musikkritiker Goertz schaffte es, bei seiner Suche nach dem Witz keinen Witz zu erzählen und trotzdem witzig und unterhaltend zu sein, um schließlich festzustellen: »Privat, im Gespräch, starre ich oft in die Luft - nach der Devise >Dumm gucken, schlau denken<. Doch was einmal im Kopf brütet, kommt irgendwann heraus. Die Pointe ist dann Zange und Baby zugleich. Hurra, wieder ein Witz!«
Der Philosoph Friedrich Nietzsche wird gern zitiert, wenn es um die Theorie zum Witz geht: »Der Witz ist das Epigramm auf den Tod eines Gefühls.«
Der amerikanische Schriftsteller Will Rogers, der von 1879 bis 1935 lebte, stellte vorsorglich fest: »Ich mache keine Witze. Ich beobachte lediglich die Regierung und berichte die Tatsachen.«
Sein britischer Kollege Samuel Taylor Coleridge warnte allerdings vor den Folgen: »Kein Geist ist in Ordnung, dem der Sinn für Humor fehlt.«
»Gott sei Dank, dass der Spaß nicht totzukriegen ist in dieser mürrischen Welt«, jubelte der Schriftsteller Wilhelm Raabe.
Schriftsteller können über alles schreiben, Dichter würden über alles schreiben, wenn es sich in wenigen Sätzen ausdrücken ließe, und Journalisten schreiben über alles. Karl Kraus beschäftigte sich schon auf die ihm eigene Art mit den Schreibern; von ihm stammen diese nachdenklich-witzigen Erkenntnisse:
»Journalisten schreiben, weil sie nichts zu sagen haben, und sie haben etwas zu sagen, weil sie schreiben.«
»Der Satiriker richtet die Welt ein, wie der Bittere den verdorbenen Magen: Er hat nichts gegen das Organ.«
Der >Kress-Report<, das Klatsch- und Karriere-Blatt der Kommunikationsbranche, pflegt den Witz auf der ersten Seite, oben links. Wie die >Süddeutsche Zeitung<, Deutschlands intellektuellste Glosse, das >Streiflicht<. Der Kress-Report lässt beim Witz kein Thema aus:
Was unterscheidet Männer von Schweinen?
Schweine werden, wenn sie betrunken sind, nicht zu Männern.
Auch in den Tageszeitungen finden wir gelegentlich Witze. In der >Bild< lesen die Käufer regelmäßig den »Witz des Tages«. Und sogar das Feuilleton der >Frankfurter Allgemeinen Zeitung< hat keine Berührungsängste, wenn es um Witziges geht. Das wird dann allerdings zu einem Ereignis, über das die Leser mailen und erzählen. Mich erreichte ein >FAZ<-Witz per E-Mail. Die Zeitung, hinter der immer ein schlauer Kopf sitzen soll, zitierte den Schriftsteller Michel Houellebecq:
Treffen sich ein Masochist und ein Sadist. Sagt der eine: »Bitte, quäl mich.«
Erwidert der andere: »Nein.«
Immer wieder wurden in der Vergangenheit auch Journalisten, Schriftsteller und Dichter selbst zu Figuren des Witzes oder der amüsanten Anekdote. Mit einigen möchten wir diese Exkursion zum Witz der Autoren schließen:
Der Schriftsteller Mark Twain führte eine Dame zu Tisch. Liebenswürdig, wie er war, machte er ihr ein Kompliment: »Wunderbar sehen Sie heute aus, gnädige Frau!« Leider handelte es sich um eine affektierte Person, denn sie erwiderte ihm schnippisch: »Schade, dass ich Ihnen dieses Kompliment nicht zurückgeben kann!«
Mark Twain ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und erwiderte: »Machen Sie es wie ich — lügen Sie!«
Der Philosoph Antoine Arnauld unterhielt sich auf einer Abendgesellschaft stundenlang mit einer hübschen, aber vom Geist weitgehend unberührten Dame. Später wurde er gefragt, wie er es fertig brächte, solch seichtem Geplauder so lange zuzuhören. »Wieso zuhören?«, erwiderte er. »Ich schaue zu!«
Thomas Mann, noch jung und unbekannt, gab einem Münchener Kunstfreund einige Novellen zum Lesen. Der junge Schriftsteller hoffte, durch diesen gefördert zu werden. Doch der Angesprochene zeigte kein Interesse.
»Ich dachte, Sie seien ein Kunstkenner«, sagte Thomas Mann enttäuscht.
»Das schon. Aber Sie sind kein Dichter!«, erwiderte der Kunstfreund.
»Entschuldigen Sie«, sagte Thomas Mann, »da haben wir uns wohl beide geirrt!«
Der Leiter der Romanredaktion des >Prager Tagblatts< war kein Freund von Ordnung. In all den Jahren seiner Tätigkeit war es ihm nie gelungen, das märchenhafte Chaos seiner Redaktionsstube zu sortieren. Eingesandte Manuskripte verschwanden meist sogleich zwischen ihresgleichen, unauffindbar in alle Ewigkeit. Dennoch hat dieser Redakteur 1918 das Blatt gerettet.
Am Ende des Ersten Weltkrieges wollte die tschechische Bevölkerung keine deutsche Zeitung mehr in ihrem Lande dulden. Man verwüstete die Redaktionen. Auch das >Prager Tagblatt< wurde von einer Horde gestürmt. Ein paar Männer zertrümmerten als erstes die Tür der Romanredaktion. Als sie jedoch das grauenhafte Chaos dort sahen, rief einer: »Da waren wir schon!« Und der ganze Zug drehte ab.
George Bernhard Shaw schrieb einmal folgende Kritik über eine >Hamlet<-Aufführung: »Seit Jahrzehnten streiten sich die Gelehrten, wer der wirkliche Autor des >Hamlet< ist — Shakespeare oder Bacon. Zum erstenmal sind wir nun in der Lage, die Streitfrage klären zu können! Man öffne die Gräber der beiden Männer. Derjenige von ihnen, der sich gestern Abend während der Aufführung in seinem Grabe umgedreht hat, ist der Autor.«
Frage an Radio Eriwan: »Stimmt es, dass der Dichter Majakowski Selbstmord begangen hat? Wenn ja, was waren seine letzten Worte?«
»Es stimmt wirklich, Majakowski hat Selbstmord begangen. Seine letzten Worte waren: >Nicht schießen, Genossen!<«
Frage: »Wer war der erste Dichter?«
Antwort: »Nebel, denn es steht geschrieben: >Dichter Nebel lag auf der Erde.<«
»Fritzchen, nenn' mir einmal einen berühmten Dichter!« »Achilles.«
»Aber Fritz! Achilles war doch kein Dichter!« »Wieso, der ist doch wegen seiner Verse bekannt...«
Eisig Meier Dick, der bekannte jiddische Romanschriftsteller, erhielt eines Tages von einem jungen Schriftsteller Besuch. Der legte ihm einen Roman vor und erbat den Rat des prominenten Kollegen, was er nun, um das Buch an den Mann zu bringen, tun könne.