Der wirtschaftliche Zusammenschluss der Ostblockstaaten nannte sich »Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe« oder auch »COMECON« (»Council for Mutual Economic Assistance«). An der Effizienz dieser Vereinigung zweifelt der folgende Witz:
Frage: Es ist groß, schwarz, aus Eisen, und tritt nicht in den Arsch. Was ist das?
Antwort: Es ist die erste, gemeinsam im Comecon entworfene >In-den-Arsch-Trete-Maschine< der Welt.
Er sammelt offenbar diese Tret-Witze. Mehr hat er auch nicht zu bieten.
Die Kritik am Staat suchte sich in der DDR ihre Wege nicht nur im Witz, sondern auch in Liedern und Gedichten, wie denen des Kabarettisten und Protestsängers Wolf Biermann. Er wurde 1976 aus der DDR ausgebürgert. Warum, mag folgendes Beispiel erklären, dass er 1979 im >Kölner Treff< erzählte:
»>Hänschen klein< ist ein hochpolitisches Lied. Sie glauben es nicht?
Hänschen klein geht allein — ohne das Kollektiv! In die weite Welt hinein — In der DDR ist es doch so schön! Stock und Hut steht ihm gut — Das sind bürgerliche Symbole. Und Deutsche gehen mit Gewehren und Handgranaten ins Ausland, wie in der CSSR oder in der Nazizeit. Und die Mutter weinet sehr — deutsche Mütter weinen nicht, wenn ihr Sohn den Heldentod stirbt.
So ist das ein hochpolitisches Lied. Man muss es nur richtig missverstehen.«
Mein nächster Kaffeepartner ist Pädagoge. »Das war erst Mitte der fünfziger Jahre«, erinnert er sich, »da kamen die typischen DDRWitze auf!«
Beim Einbruch ins Innenministerium sind die Wahlergebnisse der nächsten zehn Jahre gestohlen worden.
Der gefällt mir. Aber die besten Witze seien damals aus Russland, zu jener Zeit noch Sowjetunion, gekommen.
Der sowjetische Regierungschef Nikita Chruschtschow besucht eine Schule. Er fragt: »Wer hat >Anna Karenina< geschrieben?« Alle Schüler sagen: »Ich nicht!«
Der Erste Vorsitzende mahnt: »Denkt darüber nach, was an eurer Schule los ist! Ich stelle eine ganz normal Frage und bekomme nur dumme Antworten. Uberlegt was ihr tun könnt!« Eine Woche später bekommt er einen Brief von der Schule. Darin steht: »Wir haben den Fall untersucht. Die verantwortlichen Leute sind gefunden. Sie haben nicht nur >Anna Karenina< geschrieben, sondern auch Krieg und Frieden<. Sie haben es auch zugegeben.«
Im Vielvölkerstaat Sowjetunion standen die Russen bevorzugt im Mittelpunkt des Witzes:
Bei einem Metzger in der Kleinstadt wird Fleisch erwartet. Obwohl es klirrend kalt ist, steht eine lange Schlange Menschen frierend vor dem Eingang. Nach zwei Stunden kommt der Metzger heraus und sagt:
»Es wird nicht für alle reichen, wie ich höre. Also, die Juden gehen schon mal wieder nach Haus.«
Nach weiteren zwei Stunden, leichter Schneefall hat eingesetzt, tritt der Metzger wieder vor die Tür und sagt: »Es wird noch viel weniger sein, als wir geglaubt haben. Jetzt gehen Letten, Esten und Ukrainer wieder nach Haus.«
Es vergehen weitere drei Stunden. Ein eisiger Wind weht über die Straßen. Endlich öffnet der Metzger wieder seine Türe: »Es ist alles noch viel schlimmer. Es wird gar kein Fleisch kommen. Ihr könnt alle heimgehen. Auch die Russen.« Da sagt einer der Anstehenden zum andern: »Siehste, wie die Juden wieder bevorzugt werden!«
Dieser Cappuccino-Gast hat sich gelohnt. Ich danke ihm. Sekt mag er nicht. Ungarn war dem Westen schon immer näher, auch im Kommunismus. Ich erinnere mich, dass ich dort schon Ende der siebziger Jahre in Geschäften mit einer westlichen Kreditkarte zahlen konnte. Ein gebürtiger Ungar erzählt mir zwei Witze aus seiner alten Heimat:
Ein Genosse soll aus der Partei ausgeschlossen werden. Wegen dauernder Trunkenheit. Sein Parteioberer wirft ihm vor: »Selbst dein Parteidokument stinkt nach Wodka!«
»Dazu kann ich nichts«, wehrt sich der Angesprochene, »immer wenn ich Beitrag bezahlt habe, hat der Parteisekretär den Stempel angehaucht!«
Die ungarische KP schickt ein hochrangiges Mitglied in den Westen. Der Mann soll dort sechs Wochen studieren, wie es mit dem Sterben des Kapitalismus steht, das ja bevorstehen soll. Als der Entsandte nach sechs Wochen zurückkommt, holt ihn ein Genosse auf dem Bahnhof ab und fragt: »Kannst du ein Resümee geben mit einem Satz?« »Es ist ein schöner Tod!«
Die Polen waren und sind vielleicht die begabtesten Witzemacher des europäischen Ostens. Niemand weiß, wie viele Witze dort entstanden sind, um dann ihren Weg durch alle sozialistischen Länder zu nehmen.
Aus dem heutigen Polen stamme folgender, sagt mein ungarischer Gast:
Zwei Polen treffen sich nach der Wende.
»Wie geht es dir? Was machst du?«
»Ich habe jetzt eine Stellung in der Stadtverwaltung.«
»Und deine Frau?«
»Die arbeitet als Sekretärin.«
»Und deine Tochter?« »Die ist Arzthelferin.« »Und davon könnt Ihr leben?«
»Wo denkst du hin, nein! Aber zum Glück ist mein Sohn arbeitslos.«
Ich bringe eine eigene Erinnerung ein. Als ich 1983 in Warschau war, wurde unsere Delegation abends in den Keller des wieder aufgebauten Restaurants »Krokodil« eingeladen. Der Gastgeber pries in seiner Rede den Bau und sagte. »Diese eindrucksvollen Gewölbe, die Sie hier sehen, sind nebenbei aus Mikrobeton: 70 Prozent Beton und 30 Prozent Mikrofone.«
Die Ostfriesen der DDR waren die Volkspolizisten. Viele FriesenWitze wurden einfach übertragen. Das galt für alle sozialistischen Länder bis auf einige wirklich eigenständige Vopo-Witze. Ich sammele sie wie ein Pilzsucher. Und eröffne das Gespräch mit meinem sechsten Kandidaten:
Das meistgebrauchte Wort der Vopos soll »Gänsefleisch« gewesen sein. Die Frage: »Gänsefleisch mol den Gofferraum uffmache?«
Mein Gesprächspartner lächelt höflich über meine Bemühungen, Sächsisch zu reden, vielleicht auch insgesamt über die Anstrengungen eines Wessis, sich in Witze hineinzudenken, deren Entstehungsbedingungen er selbst nicht erlebt hat. Im Gegensatz zu meinem Zuhörer. Er kontert den Vopo-Witz mit einer Quizfrage:
Frage: »Welches ist der höchste Berg der Welt?«
Antwort: »Die DDR! Bedenken Sie: Dreißig Jahre Aufstieg! Und immer noch keine Aussicht!«
Oder:
Die Augustus-Brücke in Dresden hieß in der DDR-Zeit »Dimitroff-Brücke«. Besuchern wurde das so erklärt: »Die Bezeichnung stammt aus der Zeit August des Starkem. Wenn der Sachsenfürst am Nachmittag mit dem Schiff über die Elbe fahren wollte, suchte er aus den Schönen des Landes diejenigen heraus, die mitfahren sollten. Er zeigte dann: »Die mit droff, die mit droff!«
Dann fällt ihm noch ein heiterer DDR-Witz ein:
»Kannst du nach 10 Bier noch arbeiten?«
»Aber sicher, leicht!«
»Nach 20 Bier?«
»Aber ja!«
»Nach 30?«
»Auch noch.«
»Nach 40?«
»Also, etwas eingeschränkt, würde ich mal sagen.« »Nach 50?«
»Also, arbeiten nicht mehr. Nur noch leiten!«
Anlaufstelle für Fragen aller Art war in der DDR der Radiosender Eriwan, der Fragen aus allen Lebensbereichen »im Prinzip« immer beantworten konnte: