»Verstehe, Sir. Wir bereiten uns darauf vor, von der Audacious zu verschwinden«, ließ Colonel Carabali ihn wissen. »Was machen wir mit dem Überrest des Schiffs?«
Geary verzog den Mund. So gern er dieses Schiff gerettet hätte, war die Audacious in ihrem gegenwärtigen Zustand doch nicht mehr in der Lage, sich gegen einen Angriff zu verteidigen. Das Schiff konnte auch nicht länger mit den anderen mithalten, und wenn sie es abschleppten, würde das für den Rest der Flotte zu einem unkalkulierbaren Risiko werden. Und sehr wahrscheinlich könnte nicht einmal die beste Werft dieses Schiff wieder auf Vordermann bringen.
Die Audacious war ein tapferes Kriegsschiff, dem jetzt nur noch ein Schicksal blühte — der Schrottplatz. Aber es wäre unsinnig gewesen, den Syndiks all das Metall zur Wiederver-wertung zu überlassen. »Können wir den Antrieb hochgehen lassen?«
»Ja, Sir, er ist noch leistungsfähig genug.«
»Dann programmieren Sie die Überhitzung für sechs Stunden ab jetzt und hauen Sie von da ab.« Sechs Stunden sollten mehr Zeit als genug sein, zumal er sich nicht vorstellen konnte, dass die Allianz-Flotte sich noch so lange mitten in der Verlustflotte aufhalten würde.
»Warten Sie!« Rione beugte sich zu Geary vor und sagte:
»Zerstören Sie die Audacious nicht einfach so.«
Seufzend wandte sich Geary an Carabali: »Befehl ist wider-rufen. Warten Sie einen Moment.« Dann drehte er sich zu Rione um. »Warum sollen wir die Audacious nicht sprengen und sie stattdessen den Syndiks überlassen?«
»Ich will gar nicht, dass Sie sie den Syndiks überlassen«, erwiderte Rione frostig. »Uns sitzen zahlreiche schlagkräftige Syndik-Kriegsschiffe im Nacken, und wir können jede verfügbare Waffe gebrauchen, um ihre Überlegenheit zu unterhöhlen. Programmieren Sie das Schiff so, dass es nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt explodiert, sondern erst dann, wenn die Syndiks an Bord gehen.«
Unwillkürlich verzog er bei der Vorstellung das Gesicht.
Aber so unappetitlich Sprengfällen auch waren, stellten sie unter den gegebenen Umständen eine durchaus akzeptable Waffe dar. Dann kam ihm noch ein anderer Gedanke. »Vielleicht sollten wir alle Schiffe so programmieren, dass sie detonieren, sobald die Syndiks sich wieder an Bord begeben.«
Desjani hörte ihn reden und warf ein: »Nur zu schade, dass ihnen das erst dann wehtun wird, wenn unser Kampf in diesem System vorüber ist.«
»Leider ja«, stimmte er ihr zu. »Aber wir können ja nicht…« Er ließ den Satz unvollendet und sah zu Desjani.
Die machte große Augen und sagte: »Bei allen aufgegebenen Syndik-Schiffen ist der Antrieb voll funktionstüchtig.
Wenn wir diese Schiffe so programmieren könnten, dass sie explodieren, wenn wir das wollen…«
»Wie Minen?«
»Ganz genau. Wie Minen. Wie riesige Minen mit Näherungssensoren. Wir müssten die Syndik-Flotte anlocken, damit sie sich in die Nähe der Verlustflotte begibt.«
»Das wäre ein gigantisches Minenfeld. Könnten wir das hin-bekommen?«, fragte er Desjani.
Sie drehte sich zu ihrem Maschinen-Wachhabenden um.
»Lieutenant Nicodeom, geben Sie mir eine Einschätzung, ob wir ein aufgegebenes Syndik-Schiff so herrichten können, damit es wie eine Mine funktioniert. Der Antrieb soll explodieren, sobald ein Ziel in Reichweite kommt.«
Der Lieutenant machte eine überraschte Miene, dann begann er zu überlegen. »Am einfachsten wäre es vermutlich, eine Sprengladung mit den Kontrollsystemen für den Antrieb zu verbinden. Das würde einige Arbeit bedeuten, Captain, weil die Programmierung der Sprengladungen angepasst werden muss, um den Wirkungsradius der Explosion festzulegen.
Dann muss die Zeitverzögerung berechnet werden, damit alle Schiffe zum richtigen Zeitpunkt gesprengt werden, und es müssen Kontrollkabel verlegt und Schnittstellen zu Kontrollsystemen der Syndiks geschaffen werden.«
»Wo finden sich in der Flotte die dafür nötigen Ressourcen?«, wollte Desjani wissen.
»Die besten Waffeningenieure der Flotte befinden sich auf den Hilfsschiffen, Captain. Und von da bekommen wir auch die Sprengladungen. Am besten ist es, wenn sich das Hilfsschiff direkt zu dem Syndik-Schiff begibt, oder Sie müssten Shuttles mit Personal und Ausrüstung zu den Schiffen schicken.«
Desjanis Lächeln wurde immer breiter. »Haben Sie das mitbekommen, Sir?«
Geary nickte und musste selbst auch lächeln. Alle vier Hilfsschiffe waren von den Syndik-Kriegsschiffen der Verlustflotte umgeben, sie befanden sich also exakt dort, wo sie gebraucht wurden. »Ich glaube, es wird Zeit, Captain Tyrosian zu informieren. Hoffentlich brauchen ihre Ingenieure für den Eilauf-trag keine allzu spezifischen Angaben.«
Wieder meldete sich Lieutenant Nicodeom zu Wort: »Captain Geary, Sir, das ist für sie eine Herausforderung. Wenn sie die Sprengladungen für jedes einzelne Syndik-Kriegsschiff gesondert konfigurieren müssen und das alles in kürzester Zeit zu geschehen hat, dann ist das genau die Art von Herausforderung, die ein guter Waffeningenieur liebt. Für die gibt es nichts Schöneres als sich eine neue Methode ausdenken zu müssen, um etwas Großes in die Luft zu jagen.«
»Danke, Lieutenant.« Geary tippte auf die Komm-Taste, um Kontakt mit Captain Tyrosian aufzunehmen, und erklärte ihr dann in aller Eile, was zu tun war. »Können Ihre Leute das erledigen, Captain?«, fragte er schließlich. »Ich weiß, es ist eine sehr komplexe Herausforderung, und es bleibt nur wenig Zeit, aber mir wurde gesagt, dass die besten Waffeningenieure so etwas zu leisten imstande sind.« Offensichtlicher konnte er es nun wirklich nicht formulieren, aber das war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um sich auf einem Umweg an das Thema heran-zutasten. Außerdem hatte er es mit einer Ingenieurin zu tun, da waren indirekte Fragen ohnehin eher der falsche Weg.
Captain Tyrosians Augen, die manchmal einen glasigen Ausdruck anzunehmen schienen, wenn sie mit Fragen zum Ablauf irgendwelcher Prozesse konfrontiert wurde, leuchteten vor Begeisterung auf. »Aus den verlassenen Syndik-Schiffen wollen Sie Waffen machen? Mit Näherungsdetektoren? Sollen die miteinander verbunden und so aufeinander abgestimmt werden, dass eine Massenexplosion ausgelöst wird?«
»Ja, das wäre großartig.«
»Betrachten Sie es als erledigt, Sir«, verkündete Tyrosian selbstbewusst. »Wann muss alles bereit sein?«
»In etwa zwei Stunden.«
Sie zuckte sichtlich zusammen, nickte dann aber. »Es wird alles bereit sein, Sir.«
Während Tyrosians Bild verblasste, drehte sich Geary zu Rione um. »Danke für den Vorschlag.«
Rione zog beide Augenbrauen hoch. »Ihre Idee hat mit meinem ursprünglichen Vorschlag nur noch wenig zu tun.«
»Ohne Ihren Vorschlag wären wir aber nie auf diese Idee gekommen«, hielt Geary dagegen.
Desjani drehte sich zu Rione und nickte leicht, um seine Worte zu bestätigen, was die mit einem bemühten lächeln quittierte.
Geary tat so, als habe er von dieser Episode nichts mitbekommen, und betrachtete sein Sternendisplay, während er sich das Kinn rieb. »Das Problem wird darin bestehen, die Syndiks in dieses Gebiet zu locken, wenn der Moment gekommen ist. Wir müssen sie in die Falle locken, ohne dass sie merken, was wir mit ihnen vorhaben. Das wird nicht einfach werden.«
»Ich bin davon überzeugt, dass Sie das hinkriegen«, meinte Rione.