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Wieder überprüfte er die verbleibende Zeit. In viereinhalb Stunden würden sie es wissen.

Die Brücke der Dauntless war für Geary seit dem ersten Mal, als er unmittelbar nach dem Mord an Admiral Bloch hier Platz genommen hatte, zu einem vertrauteren Ort geworden. Das betraf weniger die Anordnung der Stationen, die ihm inzwischen völlig natürlich erschien, als vielmehr die Ausrüstung, die deutlich weiterentwickelt worden war, zugleich aber ein grobschlächtigeres Erscheinungsbild angenommen hatte, das Zeugnis davon ablegte, dass Zweckmäßigkeit über die Form gesiegt hatte. Vor hundert Jahren auf Gearys letztem Schiff war alles von sanften klaren Linien geprägt gewesen, die vor allem dem Zweck dienten, einen guten Eindruck zu machen.

Jenes Schiff war aber auch mit dem Gedanken gebaut worden, dass es jahrzehntelang seinen Dienst verrichten würde; eines von vergleichsweise wenigen Kriegsschiffe in einer Flotte, die anfangs noch nicht im Krieg gelegen hatte. Die Dauntless dagegen spiegelte Generationen von hastig gebauten Kriegsschiffen wider, die horrende Verluste so schnell wie möglich auszugleichen hatten. Die Lebenserwartung dieses Schiffs lag bestenfalls bei ein paar Jahren. Ecken und Kanten, fahrige Schweißnähte und unebene Flächen genügten für ein Schiff, das womöglich schon bei der ersten Begegnung mit dem Feind zerstört wurde und dann schnellstens von einem Nachfolger gleichen Namens ersetzt werden musste. Geary hatte sich noch immer nicht an diese Wegwerfmentalität bei Schiffen gewöhnt, die die Erfahrungen eines langen Krieges hatte entstehen lassen.

Wegwerfschiffe und Wegwerfbesatzungen. So viel taktisches Wissen war in hundert Jahren verlorengegangen, da zu viele erfahrene Offiziere gefallen waren, bevor sie ihr Wissen an die nächste Generation Matrosen hatten weitergeben können.

Raumgefechte waren zu Schlammschlachten verkommen, bei denen beide Seiten blindlings aufeinander zustürmten und verheerende Verluste erlitten. Es war ihm viel leichter gefallen, die grobschlächtige Bauweise der Schiffe zu akzeptieren, als die Anzahl der Gefallenen, die von dieser Flotte als Routine betrachtet worden waren.

Aber er hatte die Dauntless und ihre Crew vom Syndik-Heimatsystem bis hierher am Leben halten können, und es war ihm gelungen, sich an Bord zu Hause zu fühlen und nicht nur unentwegt an all die Menschen erinnert zu werden, die er gekannt hatte und die alle seit Langem tot waren. Die Wachhabenden kannte er inzwischen mit Namen; durch die Bank Amateure, denen er geholfen hatte, lange genug am Leben zu bleiben, um Erfahrung zu sammeln. Der größte Teil der Crew der Dauntless stammte vom Planeten Kosatka, den Geary vor buchstäblich hundert Jahren einmal besucht hatte. Da er in dieser Zukunft ganz allein war, hatte er begonnen, die Menschen um sich herum als Familie anzusehen, um zum Teil das zu ersetzen, was ihm genommen worden war.

Captain Desjani lächelte ihn an, als Geary auf die Brücke kam und sich in seinen Sessel fallen ließ, der gleich neben ihrem im Boden verankert war. Mit ihrer Blutrünstigkeil gegenüber dem Feind und ihrer Bereitschaft, zu Taktiken zu greifen, die Geary als widerwärtig empfand, hatte sie ihn anfangs abgestoßen. Aber nach und nach hatte er verstanden, was hinter ihrer Einstellung steckte, und sie hatte im Gegenzug auf ihn gehört und Ansichten übernommen, die mehr dem entsprachen, was seinen Vorfahren wichtig gewesen war.

Außerdem wussten seine Vorfahren, dass sie eine fähige Befehlshaberin war und ihr Schiff im Kampf gut zu handha-ben verstand. Inzwischen war ihre Anwesenheit eindeutig das Behaglichste, was diese Brücke zu bieten hatte. »Wir sind bereit, Captain Geary«, meldete sie.

»Daran habe ich nie gezweifelt.« Er versuchte ruhig durch-zuatmen, Selbstvertrauen auszustrahlen und in seinen Worten mitschwingen zu lassen. Auch wenn er sich vor dem fürchtete, was diese Flotte beim Verlassen des Sprungpunkts bei Lakota womöglich erwartete, wusste er, dass er unter ständiger Beobachtung stand. Die Offiziere und Matrosen um ihn herum schöpften von der Zuversicht, die er ausstrahlte.

»Fünf Minuten bis zum Sprungpunkt«, meldete der Wachhabende.

Captain Desjani strahlte nicht nur Gelassenheit und Zuver-nicht aus, sie schien beides tatsächlich zu empfinden. Allerdings war es eine Eigenart von ihr, dass sie umso ruhiger wurde, je näher das Gefecht und damit die Aussicht rückte, Syndiks abzuschießen. Wieder sah sie zu Geary und setzte ein düsteres Lächeln auf. »Wir haben in diesem Sternensystem einige Kameraden zu rächen.«

»Ja«, stimmte er ihr zu und fragte sich, ob Captain Mosko den Tod seines Schlachtschiffs Defiant womöglich überlebt halte. Sehr wahrscheinlich war das nicht. Aber Mosko war nur einer von vielen Allianz-Matrosen, die überlebt haben und in Gefangenschaft geraten sein mochten. Neben vier Schlachtschiffen und einem Schlachtkreuzer hatte die Allianz beim Kampf gegen die Syndiks im Lakota-System zwei Schwere Kreuzer, drei Leichte Kreuzer und vier Zerstörer verloren.

Vielleicht bekommen wir ja die Chance, einige Gefangene zu befreien. Die Syndiks dürften es nicht allzu eilig haben, ihre Gefangenen abzutransportieren, und womöglich können wir ja wenigstens ein paar retten.

Die Luke zur Brücke ging auf, Geary drehte sich um und sah, wie Rione hereinkam und ihren Beobachterplatz hinter ihm einnahm. Ihre Blicke trafen sich, und sie nickte ihm kühl zu, dann lehnte sie sich zurück, um sich auf ihr eigenes Display zu konzentrieren. Desjani war in ihre Arbeit vertieft und drehte sich nicht zu Rione um, was die Politikerin ihrerseits nicht zu bemerken schien.

»Zwei Minuten bis zum Sprungpunkt.«

Desjani wandte sich an Geary. »Möchten Sie noch ein paar Worte an die Crew richten, Sir?«

Wollte er das? »Ja.« Er brauchte einen Moment, um seine Gedanken zu ordnen. Seit er das Kommando über die Flotte übernommen hatte, war es viel zu oft vorgekommen, dass er sich vor einer Schlacht an die Besatzungen seiner Schiffe gewandt hatte. Er betätigte den Schalter für die interne Komm-Anlage und gab sich alle Mühe, Optimismus zu versprühen.

»Offiziere und Matrosen der Dauntless, einmal mehr habe ich die Ehre, diese Flotte und dieses Schiff ins Gefecht zu führen. Wir rechnen damit, dass sich eine Verteidigungsstreit-macht der Syndiks gleich hinter dem Sprungpunkt aufhalten wird. Ich weiß, sie werden es bereuen, dass sie auf uns gewartet haben, und wir werden Lakota nicht verlassen, solange wir nicht unsere Kameraden gerächt haben, die hier gefallen sind. Auf die Ehre unserer Vorfahren.«

Gleich danach folgte die Meldung: »Dreißig Sekunden bis zum Sprungpunkt.«

Desjanis Stimme hallte über die Brücke: »Alle Gefechtssysteme aktivieren. Schilde auf Maximum. Auf Feindkontakt gefasst machen.«

»Sprungpunkt erreicht.«

Die graue Leere des Sprungraums verschwand von einer Sekunde auf die andere, an ihre Stelle rückte die mit Sternen übersäte Schwärze des Normalraums. Das Minenfeld der Syndiks war natürlich noch da, aber die Dauntless und alle anderen Allianz-Schiffe flogen bereits eine enge Kurve nach oben, um den Minen auszuweichen. Nervös zuckten Gearys Augen über das Display, während er betete, dass die Syndiks nicht auf die Idee gekommen waren, rings um den Sprungpunkt weitere Minen zu verteilen.

Die Darstellung des Sternensystems war auf dem Stand erstarrt, in dem es sich vor nicht ganz zwei Wochen befunden hatte, wobei die Leuchtpunkte, die feindliche Schiffe darstellten, alle mit dem Vermerk »Letzte bekannte Position« versehen waren, was nichts anderes bedeutete, als dass das jeweilige Schiff sich inzwischen überall aufhalten konnte, wahrscheinlich nur nicht mehr an dieser Stelle. Plötzlich verschwanden die alten Markierungen, da die Sensoren der Holte das System zu scannen begannen und die Objekte iden-lifizierten, die sich augenblicklich hier befänden.