»Ist so gut wie erledigt, Sir.«
Sein Blick wanderte über das, was er und Desjani gemeinsam ausgearbeitet hatten. Elegante Bögen, die die Flugbahnen der Schiffe darstellten, durchzogen das All und bildeten ein schön anzusehendes Bild, das nichts von den todbringenden Absichten erahnen ließ, die sich dahinter verbargen. Die Bewegungen der Zerstörer und Kreuzer waren vielleicht nicht bis zur Perfek-tion auf die der schwereren Schiffe abgestimmt, aber alles funktionierte und konnte bis zum eigentlichen Feindkontakt noch einer Feinabstimmung unterzogen werden. Immerhin hatte er in Erwägung gezogen, Desjani könnte einfach die ihr unterstellten Schiffe auf den Gegner hetzen, aber sie hatte die Flugbewegungen so koordiniert, dass die Kampfstärke eines jeden Schiffs in improvisierten Formationen maximal genutzt werden konnte. Offenbar hatte sie ihn nicht bloß bei der Arbeit beobachtet, sondern auch daraus gelernt. Gemeinsam war es ihnen gelungen, das Beste aus dem gegenwärtigen Flotten-status herauszuholen, indem sie den Pulk in zwölf Unterformationen zerlegt hatten, in deren Mitte sich jeweils mindestens ein Schlachtkreuzer oder eine Schlachtschiffdivision befanden.
»Sieht gut aus. Sehr gut sogar.«
»Das sehe ich auch so.«
»Haben die Syndik-Wachschiffe schon auf unsere Anwesenheit reagiert?«
»Noch nicht. Aber sie werden uns auch erst in… neunzehn Minuten sehen.«
Es war kaum zu fassen, dass sie sich erst seit elf Minuten im Lakota-System aufhielten. Es war nicht möglich, auf eine Reaktion zu reagieren, die sich noch nicht ereignet hatte, aber in einer Situation, in der jede Minute zählte, wäre es zweifellos ein Fehler abzuwarten, was die Syndiks unternahmen. Geary tippte wieder auf seine Kontrollen. »An alle Einheiten in der Allianz-Flotte, hier spricht Captain Geary. Die Einsatzpläne werden Ihnen jetzt übermittelt. Es ist von entscheidender Bedeutung, die Kontrolle über so viele Reparaturschiffe wie möglich zu erlangen, bevor die Syndiks begreifen, dass wir diese Schiffe kapern, aber nicht in Trümmer schießen wollen. Daher müssen sich alle Einheiten, die den Befehl zum Kapern der Reparaturschiffe haben, so exakt wie nur möglich an den vorgegebenen Zeitplan halten. Es ist außerdem wichtig, dass wir auf keinem dieser feindlichen Schiffe versehentlich eine Explosion des Antriebs verursachen. Wir gehen davon aus, dass sich an Bord des Wracks der Audacious Kriegsgefangene der Allianz befinden, achten Sie also darauf, dass das Schiff keine Treffer abbe-kommt. Für alle anderen Einheiten gilt, allen Syndik-Einheiten in Reichweite maximale Schäden zuzufügen, damit sie möglichst wenig zu bergen haben, wenn wir von hier abreisen.
Setzen Sie vor allem Höllenspeere ein, und greifen Sie zu der übrigen Munition nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt.«
Er schaltete auf einen anderen Kanal, auf dem er die Befehlshaberin der über die Flotte verteilten Marines erreichen konnte. »Colonel Carabali, arbeiten Sie mit den Commandern der Kriegsschiffe zusammen, die die Reparaturschiffe zum Ziel haben, und stellen Sie sicher, dass deren Enterteams entsprechende Verstärkung durch Ihre Marines bekommen.
Stellen Sie außerdem eine Eingreif truppe zusammen, die das Wrack der Audacious einnehmen und die Gefangenen befreien kann. Zeit ist der entscheidende Faktor. Ich habe Ihnen den Flotteneinsatzplan in Kopie zukommen lassen, damit Sie wissen, welche unserer Schiffe sich der Audacious nähern werden. Sie haben die Erlaubnis, Shuttles von all diesen Schiffen mit Ausnahme der Hilfsschiffe zu nutzen, um Ihre Leute zur Audacious zu bringen und Gefangene zu evakuieren. Noch Fragen?«
»Nein, Sir«, antwortete Carabali knapp. »In spätestens einer halben Stunde lege ich Ihnen meinen Einsatzplan zur Freigabe vor.«
»Danke, Colonel. Es könnte sein, dass ich dann mit den Syndik-Kriegsschiffen und der Situation insgesamt alle Hände voll zu tun habe. Wenn Sie nichts von mir hören, können Sie davon ausgehen, dass Ihr Plan genehmigt ist und dass Sie ihn umsetzen dürfen.«
»Befehl auf Widerruf , Sir?«, f ragte Carabali verdutzt.
»Ganz genau. Sie sind mein Commander für Landeeinheiten, und Sie haben bewiesen, dass Sie Ihr Fach beherrschen.
Machen Sie sich an die Arbeit und lassen Sie mich wissen, ob Sie Unterstützung durch die Flotte benötigen, um Ihre Aufgabe zu erledigen.«
Sie nickte und hatte Mühe, ein Grinsen zu unterdrücken.
Dann salutierte sie zackig. »Jawohl, Sir.«
Auf dem dritten Kanal rief er die befehlshabende Offizierin der Witch, die zugleich Kommandantin der aus den Schnellen Hilfsschiffen Witch, Goblin, Jinn und Titan bestehenden Division war. »Captain Tyrosian, wir wollen die Kontrolle über möglichst viele Reparaturschiffe der Syndiks erlangen, damit wir deren Rohstoffvorräte plündern können. Gibt es irgendeine Art von Förderband, um das Zeug aus den Lagerräumen der Syndiks zu schaffen?«
Die fünf Lichtsekunden entfernte Tyrosian schien einen Moment lang wie benommen dazusitzen, während sie Geary ansah, dann begann sie plötzlich zu reden. »Wir haben Förderbänder, aber unsere Systeme werden mit deren Anlagen nicht kompatibel sein. Wir werden die Bänder der Syndiks benutzen, um die Materialien bis zu einem Umladepunkt zu befördern, und da auf unsere Bänder umladen. Dieses Umladen wird spürbar Zeit kosten.«
Mürrisch wandte Geary sich an Desjani. »Die Förderbänder unserer Hilfsschiffe passen nicht zu denen der Syndiks.«
* »Sprengen Sie ein Loch in den Rumpf und schaffen Sie unsere Förderbänder direkt in deren Lager«, erwiderte sie in einem Tonfall, als sei das die offensichtlichste Lösung.
»Hervorragende Idee«, sagte Geary und leitete sie an Tyrosian weiter.
»Das wird zu strukturellen Schäden an den Schiffen führen…«, begann Tyrosian.
»Diese Reparaturschiffe müssen nur lange genug durchhal-len, bis wir haben, was wir wollen. Ob sie danach wegen der Löcher, die wir in ihren Rumpf geschossen haben, in tausend Stücke zerfallen, ist mir egal. Das wäre mir sogar noch lieber, weil ich dann weiß, dass die Syndiks sie nicht mehr retten können.
Machen Sie Ihre Ingenieure einsatzbereit, wir müssen die Rohstoffe so schnell wie möglich umladen. Benötigen Sie Hilfe von den Marines, um Löcher in die Syndik-Schiffe zu sprengen?«
Tyrosian machte eine fast beleidigte Miene und erklärte:
»Ingenieure können Dinge besser demolieren als Marines.«
»Ich werde bei Gelegenheit einen Wettkampf arrangieren, Captain Tyrosian. Führen Sie Ihre Befehle aus und geben Sie mir sofort Bescheid, wenn Sie auf Probleme stoßen.«
Geary ließ sich in seinen Sessel sinken, atmete seufzend aus und wunderte sich darüber, wie schnell es ihnen gelungen war, einen Plan zusammenzustellen. Er sah wieder zu Desjani und stellte fest, dass sie sich ebenfalls zurücklehnte und ihn angrinste. Ihr Gesicht war ein wenig gerötet, als hätte sie gerade einen Sprint zurückgelegt. »Captain Desjani, hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie ein verdammt guter Offizier sind?«
Daraufhin grinste sie noch breiter. »Vielen Dank, Sir.«
Als Geary wieder durchatmen konnte, dachte er voller Erstaunen über das soeben Erlebte nach. Er und Desjani hatten schon viele Male zusammengearbeitet, aber noch nie so gut.
Einer hatte vorausgeahnt, was der andere beabsichtigte, sie hatten sich gegenseitig ergänzt und so sämtliche Flottenbewe-gungen geplant. Vergleichen konnte er das eigentlich nur damit, Sex zu haben, ohne tatsächlich Sex zu haben.
Abermals musterte er Desjanis gerötetes Gesicht und fragte sich, ob seine Metapher nicht ein wenig deplatziert war. Sie bemerkte seinen Blick, wurde abrupt ernst und schaute rasch zur Seite. Etwas an seiner Miene musste ihr missfällen haben.