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Geary hatte Bürokraten noch nie leiden können, erst recht keine Bürokraten, die nicht in der Lage waren, sich an neue Gegebenheiten anzupassen, wenn die Realität mit den Regeln in Konflikt geriet, nach denen sie ihr Leben ausrichteten.

»Hören Sie zu. Wenn Sie versuchen sollten, meinen Schiffen, meinen Shuttles oder meinen Leuten Schaden zuzufügen, während wir Ihre Zivilisten absetzen, dann werde ich diese Station so unter Beschuss nehmen lassen, dass die Quarks nie wieder den Weg zurück zu ihrem Platz innerhalb ihrer Atome finden. Haben Sie das verstanden? Wenn jemand auf die Zivilisten feuert, die wir bei Ihnen absetzen wollen, dann erwidern wir das Feuer. Das sind Ihre Leute. Wir haben sie unter Gefahr für unser eigenes Leben gerettet, und wir nehmen uns Zeit, die wir eigentlich gar nicht haben, nur um sie hier abzusetzen.

Und Sie sollten sich verdammt noch mal gut um diese Leute kümmern, sobald sie bei Ihnen sind!« Geary wurde mit jedem Satz lauter und brüllte die Stationsleiterin der Syndiks schließlich so laut an, dass die es mit der Angst zu tun bekam.

»J-ja, ich… ich verstehe«, stammelte sie. »Wir machen alles bereit, um sie in Empfang zu nehmen. Aber ich bitte Sie, wir haben Familien auf dieser Station…«

»Dann sollten Sie dafür sorgen, dass es keine Probleme gibt«, erwiderte Geary, während er versuchte, wieder zu einer normalen Lautstärke zurückzukehren. »Einige Zivilisten von Wendig leiden unter langwierigen oder chronischen Gesund-heitsproblemen, die sie dort nicht behandeln konnten. Wir haben getan, was in unserer Macht stand, aber sie werden von Ihnen weiter versorgt werden müssen. Ich mache keinen Hehl daraus, dass es mich anwidert, dass Ihre Führer die eigenen Bürger sich selbst überlassen und es ihnen egal ist, ob ein Lebenserhaltungssystem funktioniert oder nicht.«

»Sie werden uns nicht töten? Und nicht diese Station zerstören?« Die Verwalterin schien große Probleme zu haben, diesen Gedanken zu begreifen.

»Nein. Der militärische Wert, den Ihre Station besitzt, wiegt nicht das Leid auf, das damit den Zivilisten in diesem System zugefügt würde.«

»Und Sie haben diese Leute tatsächlich aus dem Wendig-System mitgebracht? Wir dachten, da ist niemand mehr.« Die Frau schien kurz vor einem Zusammenbruch zu stehen. »Es hieß, dass jeder von dort abgeholt wurde, als man das System aufgab.«

»Von den Menschen, die wir evakuiert haben, mussten wir erfahren, dass die Unternehmen, für die sie selbst oder ihre Eltern gearbeitet haben, niemals Schiffe hingeschickt haben, um sie abzuholen. Warum das nicht geschah, konnten sie natürlich nie herausfinden. Vielleicht können Sie ihnen dabei ja behilflich sein«, fügte Geary an.

»W-wie viele sind es?«

»Fünfhundertdreiundsechzig.« Ihrem Gesichtsausdruck war anzusehen, dass ihr die gleiche Frage auf der Zunge lag, die sich alle Syndiks und sogar viele seiner eigenen Leute immer wieder stellten. Warum? Verärgert darüber, dass er einmal mehr mit einer Frage konfrontiert wurde, deren Antwort seiner Ansicht nach völlig offensichtlich war, fügte er schroff an: »Das wäre dann alles.«

Desjani tat schon wieder so, als sei sie völlig auf ihr eigenes Display konzentriert.

»Wann bringen wir die Syndiks zu den Shuttles?«, fragte Geary, der noch immer wütend war.

»Sie sollten bereits auf dem Weg zum Shuttlehangar sein«, erwiderte Desjani in einem Tonfall, der sich in Gearys Ohren verdächtig beschwichtigend anhörte. Er versuchte zu entscheiden, ob er sich darüber auch noch ärgern sollte, als sie auf einmal aufstand und anfügte: »Ich war eben im Begriff, sie zu verabschieden.«

Geary zwang sich zur Ruhe. »Was dagegen, wenn ich mitkomme?«

»Natürlich nicht, Sir.«

Die gleiche Szene wie vor elf Tagen spielte sich im Hangar nun in umgekehrter Reihenfolge ab, da die Syndik-Zivilisten sich wieder zu den Shuttles begaben. Manche blieben kurz stehen und winkten einzelnen Besatzungsmitgliedern der Dauntless zu, die sich im Hangar eingefunden hatten und schweigend die Prozession beobachteten. Die Marines in ihren Kampfanzügen wirkten so furchteinflößend wie eh und je, doch diesmal schienen die Syndiks nicht ganz so viel Angst vor ihnen zu haben.

Der ehemalige Bürgermeister von Alpha drehte sich zu Geary und Desjani um, als die beiden sich der Gruppe näherten. »Ich danke Ihnen. Ich wünschte, ich wüsste, was ich sonst noch sagen könnte. Keiner von uns wird jemals vergessen, was Sie für uns getan haben.«

Zu Gearys Verwunderung kam Desjani ihm mit einer Erwiderung zuvor. »Wenn sich irgendwann in der Zukunft eine Gelegenheit bieten sollte, dann gewähren Sie Allianz-Bürgern die gleiche Gnade.«

»Ich verspreche Ihnen, das werden wir machen. Und wir werden andere bitten, sich ebenfalls so zu verhalten.«

Die Frau des Bürgermeisters trat vor und sah Desjani eindringlich an. »Vielen Dank, Lady, dass meine Kinder leben dürfen.«

»Captain«, korrigierte Desjani sie zwar, doch zugleich verzog sie einen Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln. Sie senkte den Blick ein wenig und nickte dem Jungen zu, der sie ernst betrachtete und dann auf Syndik-Art salutierte. Desjani erwiderte den Salut und wandte sich abermals der Mutter zu.

»Vielen Dank, Captain«, sagte die Frau. »Möge dieser Krieg enden, bevor meine Kinder alt genug sind, um Ihrer Flotte im Gefecht zu begegnen.«

Wieder nickte Desjani nur, dann verfolgte sie gemeinsam mit Geary, wie die letzten Syndik-Zivilisten rasch zu den Shuttles liefen. Als sich auch die letzte Luke geschlossen hatte, sagte sie so leise, dass nur Geary sie hören konnte: »Es ist leichter, wenn er kein Gesicht hat.«

Geary benötigte einen Moment, ehe er verstand, was sie meinte. »Sie reden vom Feind?«

»Ja, genau.«

»Sind Sie nie zuvor einem Syndik begegnet?«

»Nur solchen in Kriegsgefangenschaft«, erwiderte sie in abfälligem Tonfall. »Das waren Syndiks, die noch kurz zuvor versucht hatten, mich und andere Allianz-Bürger zu töten.«

Einen Moment lang kniff sie die Augen zu. »Ich weiß nicht, was mit den meisten von ihnen geschehen ist, aber bei einigen von ihnen weiß ich es.«

Geary zögerte, ihr die offensichtliche Frage zu stellen. Kurz nachdem er das Kommando über die Flotte übernommen hatte, war ihm zu seinem Entsetzen bewusst geworden, dass Kriegsgefangene gelegentlich wahllos erschossen wurden — ein Auswuchs von einhundertjahren Krieg, in dem eine Grausamkeit die andere überboten hatte. Er hatte Desjani nicht danach gefragt, ob sie daran ebenfalls beteiligt gewesen war.

Dann schlug sie die Augen auf und sah ihn an. »Ich habe es mitangesehen. Ich habe nie den Abzug betätigt, ich habe auch nie den Befehl gegeben, aber ich habe zugesehen und nichts dagegen unternommen.«

Er nickte, ohne den Blick von ihr abzuwenden. »Man hatte Ihnen eingeredet, dass das ein annehmbares Verhalten war.«

»Das ist keine Entschuldigung.«

»Ihre Vorfahren…«

»… haben mir gesagt, dass es verkehrt ist«, unterbrach Desjani ihn, was sie bei Geary nur selten machte. »Ich wusste es, ich habe es gespürt, aber ich habe nicht auf sie gehört. Ich übernehme die volle Verantwortung für mein Handeln. Ich weiß, ich werde irgendwann dafür bezahlen müssen. Vielleicht haben wir deswegen im Heimatsystem der Syndiks so viele Schiffe verloren. Vielleicht dauert der Krieg deswegen schon so viele Jahre. Wir werden dafür bestraft, dass wir aufgehört haben, das Richtige zu tun, weil wir glaubten, das Falsche tun zu müssen.«

Er wollte sie nicht verdammen, wenn sie schon die ganze Schuld auf sich lud. Aber er konnte zu ihr stehen. »Ja, vielleicht werden wir bestraft.«

Desjani stutzte. »Sir? Warum sollte man Sie für Dinge bestrafen, die geschehen sind, als Sie gar nicht bei uns waren?«

»Ich bin aber jetzt bei Ihnen, nicht wahr? Ich bin Teil dieser Flotte und ich bin der Allianz loyal verbunden. Wenn Sie bestraft werden, dann werde ich auch bestraft. Ich habe nicht so wie Sie den jahrelangen Krieg erleiden müssen, aber mir wurde alles genommen, was ich hatte und kannte.«