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»Wie frisch und duftig waren doch die Rosen...«

Und ich sehe mich vor dem niedrigen Fenster eines russischen Landhauses stehen. Sanft neigt sich der Sommerabend und wandelt sich zur Nacht, die laue Luft duftet nach Reseda und Lindenblüten; – am Fenster aber sitzt, mit geradeaufgestütztem Arm und den Kopf zur Schulter geneigt, ein Mädchen – und blickt schweigend und unverwandt zum Himmel auf, wie um das Aufleuchten der ersten Sterne zu erwarten. Wie treuherzig andachtsvoll sind diese sinnenden Augen, wie rührend unschuldig diese fragend geöffneten Lippen, wie ruhig atmet diese erst im Erblühen begriffene, noch völlig leidenschaftslose Brust, wie rein und zart sind die Züge dieses jugendlichen Antlitzes! Kein Wörtchen wage ich an sie zu richten, aber wie teuer sie mir ist, wie mein Herz pocht!

»Wie frisch und duftig waren doch die Rosen...«

Immer dunkler und dunkler wirds im Zimmer... Das herabgebrannte Licht knistert, flüchtige Schatten schwanken an der niedrigen Decke, draußen heult und knirscht der Frost um die Mauer – und mir ist, als vernähme ich grämliches, greisenhaftes Geflüster...

»Wie frisch und duftig waren doch die Rosen...«

Andere Bilder steigen vor mir auf... Ich höre den fröhlichen Lärm ländlichen Familienlebens. Zwei Blondköpfchen, eins an das andere geschmiegt, schauen mich mit ihren hellen Äuglein munter an, die frischroten Wangen zittern in verhaltenem Lachen, die Hände haben sich innig verschlungen, klare, jugendliche Stimmen schallen lebhaft durcheinander; und weiter drinnen, im Hintergrunde des traulichen Zimmers, gleiten andere, ebenso jugendliche Hände mit behenden Fingern über die Tasten eines altväterischen Pianinos, und der Lannersche Walzer vermag das Summen des patriarchalischen Samowars nicht zu übertönen...

»Wie frisch und duftig waren doch die Rosen...«

Das Licht wird trübe und verlischt... Wer hustet da so heiser und matt? Zu meinen Füßen liegt, fest zusammengekauert, in unruhigem Schlafe mein alter Hund, mein einziger Gefährte... Mich friert... Eisig durchbebt es mich... und sie alle starben... starben dahin...

»Wie frisch und duftig waren doch die Rosen...«

Eine Seefahrt

Ich fuhr auf einem kleinen Dampfer von Hamburg nach London. Wir waren unser zwei Passagiere: ich und ein kleiner Affe, ein Weibchen von der Gattung der Seidenaffen, welches ein Hamburger Kaufmann seinem englischen Geschäftsfreunde als Geschenk sandte.

Das Tierchen war mit einer dünnen Kette an eine Bank auf dem Deck angebunden, zerrte daran und piepte kläglich wie ein Vogel.

Jedesmal, wenn ich an ihm vorbeiging, streckte es mir sein schwarzes, kaltes Händchen hin und richtete seine traurigen, beinahe menschlichen Augen auf mich. – Ich erfaßte seine Hand – und da hörte es auf zu piepen und zu zerren.

Es herrschte vollkommene Windstille. Rings breitete sich das Meer wie ein unbewegliches, bleigraues, glattes Tafeltuch aus. Nur wenig war davon sichtbar; ein Nebel lag darüber, so dicht, daß er die äußersten Mastspitzen verhüllte und den Blick durch seinen weichen Schleier stumpf und müde machte. Die Sonne hing wie eine trübrote Scheibe in diesem Dunst; gegen Abend aber flammte sie auf und glühte in einem geheimnisvollen, seltsamen Rot.

Lange, gerade Falten, den Falten schwerer Seidenstoffe vergleichbar, glitten eine nach der anderen vom Bug des Schiffes abwärts, kräuselten sich und wurden immer breiter und breiter, glätteten sich endlich, wippten und verschwanden. Zerschlagener Schaum schwoll unter den gleichmäßig stampfenden Schaufelrädern empor; milchweiß und leise zischend zerfloß er zu Schlangenstreifen, floß dann hinten wieder zusammen und verschwand ebenfalls, vom Nebel verschlungen.

Unausgesetzt und ebenso kläglich wie das Gewimmer des Affen bimmelte die kleine Schiffsglocke am Steuer. Ab und zu tauchte ein Seehund auf – um gleich wieder kopfüber unter der leichtbewegten Wasserfläche zu verschwinden. Der Kapitän, ein schweigsamer Mann mit einem sonnenverbrannten, mürrischen Gesichte, rauchte seine kurze Pfeife und spuckte verdrießlich in die bewegungslose Flut. Auf all meine Fragen antwortete er nur mit einem kurzen Gebrumm; mir blieb also nichts übrig, als mich wieder meinem einzigen Reisegefährten zuzuwenden – dem Affen.

Ich setzte mich neben ihn; er hörte auf zu wimmern und streckte mir aufs neue seine Hand hin.

Feucht und einschläfernd umhüllte uns beide der beständige Nebel; und in gleiches, gedankenloses Brüten versunken saßen wir eins neben dem andern, wie zwei Verwandte.

Jetzt lächele ich wohl darüber... damals aber empfand ich anders.

Wir alle sind Kinder einer Mutter – und es tat mir wohl, daß das arme Tierchen sich so vertrauensvoll beruhigte und sich an mich schmiegte, wie an einen Verwandten.

N. N.

Harmonisch und ruhig wandelst du den Weg durchs Leben, ohne Tränen und ohne Lächeln, kaum durch eine gleichgültige Anteilnahme belebt.

Du bist gut und bist klug... und doch ist dir alles fremd – und du brauchst niemanden.

Du bist schön – und doch vermag niemand zu sagen, ob du Wert auf deine Schönheit legst oder nicht. – Selbst bist du teilnahmlos – und verlangst keine Teilnahme.

Dein Blick ist tief – und doch nicht gedankenvoll; leer ist es in dieser lichten Tiefe.

So wandeln in den elysischen Gefilden, bei den erhabenen Klängen Gluckscher Melodien, leidlos und freudlos harmonische Schatten.

Halt inne!

Halt inne! So wie ich dich jetzt sehe – so bleib für immer in meinem Gedächtnis!

Von deinen Lippen schwang sich der letzte, begeisterte Ton – deine Augen glänzen nicht und strahlen nicht – sie verdunkeln sich, überwältigt von Glück, vom seligen Bewußtsein jener Schönheit, die es dir gelang zu verkünden, jener Schönheit, nach der du deine triumphierenden, deine ermatteten Arme ausstreckst!

Welch ein Licht, zarter und reiner als Sonnenlicht, fließt um deine ganze Gestalt, um die kleinsten Falten deines Gewandes?

Welcher Gott hat mit liebkosendem Hauch deine entfesselten Locken zurückgeweht?

Sein Kuß flammt auf deiner weißen, marmorgleichen Stirn. Da ist es – das offenbarte Geheimnis, das Geheimnis der Poesie, des Lebens, der Liebe! Da ist sie, da ist sie, die Unsterblichkeit! Eine andere Unsterblichkeit gibt es nicht – und braucht es nicht zu geben. – In diesem Augenblick bist du unsterblich. Er wird schwinden – und dann bist du wieder ein Häufchen Asche, ein Weib, ein Kind... Doch was liegt dir daran! – In diesem Augenblick – standest du höher, standest über allem Vergänglichen und Zeitlichen. – Dieser dein Augenblick bleibt unvergänglich. Halt inne! Und laß mich teilhaben an deiner Unsterblichkeit, laß in meine Seele einen Abglanz deiner Ewigkeit strahlen!

Der Mönch

Ich kannte einen Mönch, einen Einsiedler, einen Heiligen. Er lebte nur in der Wonne des Gebets – und in diesem seligen Rausche stand er so lange auf den kalten Steinfliesen der Kirche, bis ihm seine Füße unterhalb der Knie anschwollen und wie zu Säulen erstarrten. Er fühlte sie nicht mehr, stand da – und betete.

Ich verstand ihn – vielleicht beneidete ich ihn auch – aber auch er soll mich verstehen und mich nicht verurteilen – mich, dem seine Freuden unzugänglich sind.

Ihm ist es gelungen, sich selbst, sein verhaßtes Ich zu vernichten; doch wenn ich auch nicht zu beten vermag, so ists doch nicht Eigenliebe, die mich davon abhält.

Mein Ich ist mir vielleicht noch beschwerlicher und verhaßter, als ihm – das seine.

Er fand ein Mittel, sich selbst vergessen zu können... aber auch ich finde ein solches, wenn auch kein dauerndes. Er lügt nicht... aber auch ich lüge ja nicht.