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Dick Francis

Gefälscht

Vorwort

Die Idee zu diesem Buch entstand in der Tschechoslowakei; in Australien und Neuseeland nahm es Konturen an, und geschrieben wurde es in England.

Zusammen mit der bemerkenswerten

Brandwundenspezialistin, die in ihrer Freizeit meine Bücher ins Tschechische übersetzt, schauten wir (meine Frau Mary und ich) bei einem ihr bekannten Maler vorbei. Sie nahm uns kurz in sein Atelier mit, wo Gemälde von unerhörter Leidenschaft und farblicher Kraft auf unsere Sinne einstürmten — Bilder, deren häufig wiederkehrendes Thema offenbar die Speisung der Fünftausend durch ein paar Fische war. Da der Künstler kein Englisch sprach und wir kein Wort Tschechisch, war es etwas schwierig, nach dem Sinn der Gemälde zu fragen, zumal er ihn meiner Übersetzerin auch nicht erklären konnte.

Bei ihr zu Hause hing ebenfalls ein Bild von ihm — wieder die Fische, die dick aufgetragenen, kräftigen Farben, die eindringliche, rätselhafte Botschaft.

Unverhofft keimte in mir der Wunsch, über einen Maler zu schreiben, und ich fragte, ob wir noch einmal wiederkommen und ihm bei der Arbeit zusehen könnten. Zum Erstaunen meiner Übersetzerin willigte er ein, und so schauten wir in stummer Faszination zwei Stunden lang zu, wie er in einer Art heiligem Schaffensrausch seiner Vision Ausdruck verlieh, indem er mit Pinseln, Fingern und einmal sogar mit dem Ellenbogen Farbe auf die Leinwand brachte.

Ich war zutiefst beeindruckt. In seine Haut konnte ich nicht schlüpfen. Mein Held mußte mehr auf dem Boden stehen. Einen Pferdemaler traute ich mir eventuell noch zu.

Später im Jahr flogen wir zu einer Lesereise nach Australien und Neuseeland, und dort traf ich mich, wie im voraus vereinbart, mit Michael Jeffrey, einem der führenden australischen Pferdemaler. Auch er öffnete mir gern sein Atelier und gab mir wertvolle Informationen darüber, wie man Farben anwendet und mischt.

Wieder zurück in England, lasen Mary und ich Fachliteratur über Ölfarben, ihre Zusammensetzung, ihre Verwendung auf Leinwand und Holz, und wir stopften unsere Veranda voll mit Staffeleien, Leinöl, Terpentin und anderen Malutensilien. Mit meinen neu erworbenen Grundkenntnissen konzipierte ich dann den Pferdemaler Charles Todd und seinen alten Freund, den exzentrischen, abstrakt malenden Jik.

Mary malte schließlich ein Pferd. Es hatte einen zu langen Hals. Wir mußten einsehen, daß wir beide nicht zum Malen taugten, und doch haben wir durch Gefälscht viel über Malerei gelernt.

Kapitel 1

Ich stand draußen und sah, es war ein Unglück geschehen.

Drei Streifenwagen und ein Krankenwagen mit unheilvoll rotierendem Blaulicht parkten vor dem Haus meines Cousins, und Menschen eilten zielstrebig durch die offene Haustür. Der kalte Wind des Herbstanfangs blies lustlos welke, braune Blätter auf die Einfahrt, und tieftreibende Wolkenfetzen kündeten schlechteres Wetter an. Sechs Uhr an einem Freitagabend in Shropshire, England.

Weiß blitzendes Licht in den Fenstern verriet, daß drinnen fotografiert wurde. Ich stellte Koffer und Maltasche auf dem Rasen ab und setzte mit begründet böser Vorahnung meinen Weg zum Haus fort.

Ich war mit dem Zug gekommen und wollte übers Wochenende bleiben. Da mich mein Cousin nicht wie versprochen mit dem Auto am Bahnhof abgeholt hatte, war ich zu Fuß losgegangen, hatte aber fest damit gerechnet, daß er mir schon bald auf den anderthalb Meilen Landstraße mit seinem staubigen Peugeot entgegenkommen und mich lachend, den Kopf voller Pläne, um Entschuldigung bitten würde.

Es gab nichts zu lachen.

Weggetreten und bleich stand er auf dem Flur. Eine schlaffe Gestalt im eleganten Straßenanzug, die Arme lang herunterhängend, als wüßte das Nervensystem nichts von ihnen. Sein Kopf war leicht dem Wohnzimmer zugewandt, aus dem die Blitze kamen, und in seinen Augen stand blankes Entsetzen.

«Don?«sagte ich. Ich ging auf ihn zu.»Donald!«

Er hörte mich nicht. Ein Polizist dagegen schon. Rasch kam er in seiner dunkelblauen Uniform aus dem Wohnzimmer, packte mich am Arm und schob mich unsanft wieder in Richtung Tür.

«Bleiben Sie bitte draußen, Sir«, sagte er.

Donalds verstörte Augen blickten unsicher zu uns her.

«Charles…«Seine Stimme war belegt.

Der Polizeibeamte lockerte seinen Griff ein wenig.»Kennen Sie den Mann, Sir?«fragte er Donald.

«Ich bin sein Cousin«, sagte ich.

«Oh. «Er ließ mich los, befahl mir, zu warten und mich um Mr. Stuart zu kümmern, und holte sich Rat.

«Was ist passiert?«fragte ich.

Von Donald war keine Antwort zu bekommen. Er drehte den Kopf wieder zur Wohnzimmertür, angezogen von etwas Schrecklichem, das sich dahinter verbarg. Ich pfiff auf die polizeiliche Anweisung, machte zehn leise Schritte und schaute hinein.

Das vertraute Zimmer war ungewöhnlich leer. Keine Gemälde, kein Dekor, keine Kante an Kante liegenden Orientteppiche. Nur kahle, graue Wände, chintzbezogene Sofas, schiefgerückte Möbel, viel staubiges Parkett.

Und auf dem Parkett, tot in ihrem Blut, lag die junge Frau meines Cousins.

Überall in dem großen Raum waren Polizisten mit Bandmaß, Kamera und Einstaubpulver bei der Spurensicherung. Ich wußte, daß sie dort waren, ohne daß ich sie sah. Ich sah nur Regina, wie sie auf dem Rücken lag, ihr Gesicht sahneweiß.

Die halb geöffneten Augen glänzten noch schwach, der Unterkiefer war heruntergeklappt, so daß die Schädelkonturen hart hervortraten. Eine Urinpfütze stand naß auf dem Parkett um ihre gespreizten Beine, und der eine Arm war seitlich ausgestreckt, die leblosen weißen Finger wie bittend nach oben geöffnet.

Es hatte kein Pardon gegeben.

Ich betrachtete die scharlachrote Masse ihres Schädels und merkte, wie mir das Blut aus dem Gesicht wich.

Der Polizist, der mich vorhin aufgehalten hatte, wandte sich von seinem um Rat gefragten Kollegen ab, sah mich wankend in der Tür stehen und kam mit raschen Schritten wieder zu mir.

«Sie sollten doch draußen bleiben, Sir«, sagte er verärgert, als wollte er klarstellen, daß ich an meinem Schwächeanfall selbst schuld sei.

Ich nickte stumm und kehrte in den Flur zurück. Donald saß auf der Treppe und blickte ins Leere. Abrupt ließ ich mich neben ihm auf den Boden fallen und nahm den Kopf zwischen die Knie.

«Ich-ich… habe sie gefunden«, sagte er.

Ich schluckte. Was konnte man sagen? Es war schon für mich schlimm genug, aber er hatte mit ihr zusammengelebt und sie geliebt. Das Schwächegefühl legte sich allmählich, doch ein leichter Brechreiz blieb zurück. Ich lehnte mich an die Wand hinter mir und wünschte, ich könnte ihm helfen.

«Sie ist freitags… n-nie zu Hause«, sagte er.

«Ich weiß.«

«Um sechs… um sechs… k-kommt sie erst heim. Immer.«

«Ich hol dir einen Brandy«, sagte ich.

Ich rappelte mich hoch und ging ins Eßzimmer, und erst dort drang mir die Bedeutung des leeren Wohnzimmers ins Bewußtsein. Auch im Eßzimmer waren die Wände kahl, die Borde leer, und aus den Schränken gerissene Schubladen lagen ausgekippt auf dem Boden. Kein Stück Silberware. Kein Tafelsilber. Kein antikes Porzellan. Nur ein Haufen Untersetzer, Servietten und Glasscherben.

Bei meinem Cousin war eingebrochen worden. Und Regina… Regina, die freitags nie daheim war… hatte die Einbrecher gestört…

Zornentbrannt ging ich zu dem geplünderten Sideboard und hätte am liebsten allen Gierhälsen und abgebrühten Lumpen, die bedenkenlos das Leben ihnen unbekannter Menschen zerstörten, die Köpfe eingeschlagen. Mitgefühl war nur etwas für Heilige. Ich fühlte blanken Haß, heiß und innig.

Zwei ganze Gläser fand ich noch, aber die Getränke waren verschwunden. Wütend stapfte ich durch die Pendeltür in die Küche und setzte den Elektrokessel auf.

Auch hier herrschte Chaos, waren die Vorräte komplett von den Regalen gefegt. Was für Wertsachen hofften Einbrecher bloß in einer Küche zu finden? Mit fahrigen Fingern machte ich zwei Becher Tee, sah nach, ob in Reginas Gewürzschrank vielleicht Brandy war, und freute mich über Gebühr, als ich tatsächlich welchen entdeckte. Wenigstens den hatten die Schweine übersehen.