«Aber…«
«Wieviel also? Sie sehen mir ja wahrscheinlich an, daß ich nicht knapp bei Kasse bin, aber wenn Sie mehrere Hundert verlangen, könnte ich natürlich auch den Fotograf nehmen.«
«Natürlich«, stimmte ich mit ernster Miene bei.»Wie wär’s, wenn ich mir das Haus, oder was davon übrig ist, einmal ansehe und Ihnen ein Angebot mache?«
Dagegen hatte sie nichts einzuwenden.»Gut, mein Lieber. Das klingt ja sehr professionell. Es müßte allerdings bald sein, denn wenn die Leute von der Versicherung durch sind, lasse ich den Schutt wegräumen.«
«Wie bald?«
«Ginge es nicht heute, wo Sie schon mal auf halbem Weg dahin sind?«
Wir besprachen das. Sie sagte, sie würde mich in ihrem Jaguar mitnehmen, da ich kein Auto hätte, und von Worthing aus käme ich ebensogut mit dem Zug nach Hause wie von Plumpton.
Also willigte ich ein.
Nichtsahnend tut man die folgenschwersten Schritte.
Die Ruine war definitiv gemäldogen, um es mit einem unverbrauchten Wort zu sagen. Auf der Fahrt dahin hatte Maisie fast ohne Unterbrechung von ihrem verstorbenen Mann Archie geredet, der so wundervoll für sie gesorgt hatte.
«Also das heißt, ich habe natürlich auch für ihn gesorgt, denn ich war Krankenschwester. Privat, versteht sich. Ich habe seine erste Frau bis ans Ende gepflegt, sie hatte Krebs, und dann bin ich erst noch dageblieben, um nach ihm zu schauen, und dann bat er mich, ganz bei ihm zu bleiben, und wir sind zusammengeblieben. Er war natürlich viel älter als ich, jetzt ist er schon über zehn Jahre tot, der Archie. Er hat mich wunderbar versorgt.«
Sie blickte liebevoll auf den großen Opal. Viele Männer können sich nur wünschen, in so werter Erinnerung zu bleiben.
«Da ich nun nach seinem Tod so gut versorgt war, hätte ich es schade gefunden, dem nicht ein bißchen Spaß abzugewinnen, und so bin ich dem Hobby unserer wenigen gemeinsamen Jahre treu geblieben, das darin bestand, große Auktionen zu besuchen, denn da findet man die hübschesten Sachen, ganz preiswert manchmal, und natürlich ist es auch reizvoll, wenn die Sachen von jemand Bekanntem oder Berühmtem stammen. «Sie schaltete abrupt und überholte überfallartig einen harmlosen kleinen Lieferwagen.»Und jetzt ist das alles verbrannt, die ganzen Erinnerungen an Archie und die Orte, wo wir zusammen waren, sind hin, und ich kann Ihnen sagen, mein Lieber, das macht mich rasend.«
«Es ist wirklich ein böser Schlag für Sie.«
«Ja.«
Ich überlegte, daß mir nun zum zweiten Mal innerhalb von vierzehn Tagen die Rolle des Trösters zufiel, und ich hatte den Eindruck, als könnte ich ihr so wenig helfen wie zuvor Donald.
Sie trat vor der Ruine ihres Hauses auf die Bremse, und wir blieben ruckartig stehen. Den feudalen kleinen Villen links und rechts nach zu urteilen, war ihr Haus alles andere als eine Hütte gewesen, aber jetzt war nicht mehr als ein großer, schwarzer Schutthaufen davon übrig, der einstige Umriß noch erkennbar an gezackten Resten der Außenmauer, und mittendrin ragte, wie sie gesagt hatte, der massiv gemauerte Kamin standhaft gen Himmel. Eine Ironie des Schicksals, dachte ich flüchtig, daß allein der Schlot die Flammen überstanden hatte.
«Da, mein Lieber«, sagte Maisie.»Was halten Sie davon?«
«Ein sehr heißes Feuer.«
Sie hob die nachgezogenen Augenbrauen.»Feuer ist doch immer heiß, mein Lieber. Und hier gab’s natürlich eine Menge Holz. Viele dieser alten Häuser am Meer sind weitgehend aus Holz gebaut.«
Noch bevor wir aus ihrem großen hellblauen Wagen stiegen, konnte ich die Asche riechen.
«Wann ist das passiert?«fragte ich.
«Letztes Wochenende. Am Sonntag.«
Während wir einen Augenblick schweigend das Chaos betrachteten, kam hinter dem Kamin langsam ein Mann hervor. Er blickte konzentriert zu Boden und bückte sich nach jedem Schritt, um in dem Schutt zu stochern.
Maisie war trotz ihrer rotummäntelten Leibesfülle sehr beweglich.
«He«, rief sie, war mit einem Sprung aus dem Wagen und eilte entschlossen auf den Mann zu.»Was machen Sie da?«
Der Mann richtete sich erschrocken auf. Um die Vierzig, schätzte ich, mit einem Regenmantel, keck aufgesetztem Trilby und hängendem Schnurrbart.
Er zog höflich den Hut.»Versicherung, Madam.«
«Ich dachte, Sie wollten am Montag kommen.«
«Ich war zufällig in der Gegend. Was man heute kann besorgen… «
«Mag sein«, sagte Maisie.»Und auf das Geld lassen Sie mich hoffentlich auch nicht lange warten, obwohl mir das meine Schätze nicht wiederbringt und die mir hundertmal lieber wären, denn Geld habe ich sowieso genug.«
Der Mann war Maisies Freimütigkeit nicht gewohnt.
«Ehm…«, sagte er.»Ach so. Verstehe.«
«Haben Sie die Brandursache gefunden?«wollte Maisie wissen.
«Nein, Madam.«
«Haben Sie überhaupt etwas gefunden?«
«Nein, Madam.«
«Tja, und wann kann ich hier räumen lassen?«
«Jederzeit, Madam.«
Vorsichtig über verkohlten Schutt steigend, kam er auf uns zu. Er hatte ruhige graue Augen, ein kräftiges Kinn und machte einen sehr intelligenten Eindruck.
«Wie heißen Sie?«fragte Maisie.
«Greene, Madam. «Er zögerte kurz und setzte hinzu:»Mit >e<.«
«Nun, Mr. Greene mit >e<«, sagte Maisie gutmütig.»Das hätte ich noch alles gern schriftlich.«
Er neigte den Kopf.»Sobald ich wieder im Büro bin.«»Gut«, sagte Maisie, und Greene lüftete abermals den Hut, wünschte ihr einen schönen Tag und ging zu einem weißen Ford, der weiter unten an der Straße stand.
«So hab ich das gern«, sagte Maisie zufrieden und schaute ihm nach.»Wieviel soll Ihr Bild nun kosten?«
«Zweihundert plus zwei Übernachtungen in einem Hotel am Ort.«
«Das ist mir etwas happig, mein Lieber. Einhundert plus zwei Übernachtungen, und das Bild muß mir zusagen, sonst zahle ich nicht.«
«Kein Fohlen, kein Geld?«
Der volle rote Mund lächelte breit.»Ganz genau.«
Wir einigten uns auf hundertfünfzig, wenn ihr das Bild gefiel, sonst fünfzig, und ich sollte am Montag anfangen, falls es nicht regnete.
Kapitel 4
Der Montag war klar und windig und brachte noch ein wenig Sommerwärme. Ich fuhr mit dem Zug nach Worthing, mit dem Taxi zum Haus und stellte unter den interessierten Blicken der Nachbarn meine Staffelei dort auf, wo das Gartentor gewesen wäre, hätte die Feuerwehr es nicht ausgehängt. Das Törchen lag auf dem Rasen, und der eine Flügel trug noch ein handgemaltes Namensschild.
Treasure Holme.
Armer Archie. Arme Maisie.
Ich grundierte die Leinwand in einem unaufdringlichen Braunton aus Umbra natur, stark verdünnt mit Terpentin und Leinöl, und in die noch feuchte Grundierung zeichnete ich in einem dunkleren Ton der gleichen Farbe die Umrisse der Brandruine vor dem Hintergrund von Meer und Himmel, Strand und Hecken ein. In diesem Stadium konnte man Kompositionsfehler leicht mit dem Papiertuch entfernen und neu ansetzen, bis die Proportionen, die Perspektive und das Gleichgewicht der Flächen stimmten.
Während das angelegte Bild trocknete, schlenderte ich durch den Garten, sah mir das Haus aus verschiedenen Blickwinkeln an und schaute über die verkohlten Stümpfe der Tamariskenhecke, die den Rasen vom Kiesstrand getrennt hatte. Das Meer funkelte in der Morgensonne, und kleine, schnell treibende Kumuluswolken streuten schiefergraue Schatten. Die Wellen schäumten weiß in der Ferne, hinter einem verlassenen Streifen nassen, geriffelten Sandes, weil auch jetzt Ebbe war.
Der Seewind pfiff mir um die Ohren. Ich machte kehrt, um weiterzumalen, und sah zwei Männer in Mänteln aus einem großen Kombi steigen, die sichtlich Interesse für die Überreste von Treasure Holme zeigten.