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«Hätten Sie Ihr Bild gern sonnig wie heute«, fragte ich,»oder bewölkt und traurig?«

Sie sah in den klaren Himmel.

«Etwas dramatischer, mein Lieber«, sagte sie.

D. J. und Gary suchten den ganzen Nachmittag hindurch zentimeterweise die Ruine ab, und ich bemühte mich, ihr einen Hauch gespenstischer Romantik zu verleihen. Um Punkt fünf machten wir alle Feierabend.

«Arbeitsstunden nach gewerkschaftlicher Vorschrift?«fragte D. J. sarkastisch, als er mich meinen Koffer packen sah.

«Abends geht das Licht weg.«

«Kommen Sie morgen wieder?«

Ich nickte.»Sie auch?«

«Kann sein.«

Per Bus und pedes begab ich mich zum Beach Hotel, reinigte meine Pinsel, dachte ein wenig nach und traf mich wie verabredet um sieben mit Maisie in der Bar.

«Na, mein Lieber«, sagte sie, als der erste Gin Tonic ihr wohltuend durch die Kehle rann,»haben sie irgendwas entdeckt?«

«Soweit ich sehen konnte, überhaupt nichts.«

«Gut so.«

Ich trank einen Schluck Bier. Stellte das Glas behutsam hin.

«Nicht unbedingt, Maisie.«

«Wieso nicht?«

«Was waren denn das für Kostbarkeiten, die verbrannt sind?«

«Sie würden sie wahrscheinlich gar nicht so toll finden, aber uns hat es wirklich Spaß gemacht, das alles zu kaufen, zum Beispiel die Sammlung antiker Lanzen aus dem Besitz von Lord Stequers, dessen Nichte ich mal gepflegt habe, und eine ganze Wand voll schöner Schmetterlinge, die sich sogar Gelehrte bei uns angesehen haben, und eine schmiedeeiserne Tür aus Lady Tythes altem Stammsitz, die bei uns Diele und Wohnzimmer getrennt hat, und sechs Wärmpfannen aus einem irischen Schloß und zwei große Vasen mit Adlern auf den Deckeln, signiert von Angelika Kauffmann, die mal einem

Verwandten von Mata Hari gehört haben, ungelogen, mein Lieber, und ein Ofenschirm aus Kupfer mit silbernen Beschlägen, der verdammt schwer zu putzen war, und ein griechischer Marmortisch und eine silberne Teemaschine, die Königin Viktoria einmal benutzt hat, und damit soll es mal genug sein, mein Lieber, denn wenn ich alles aufzähle, bin ich morgen früh noch dran.«

«Hat die Foundation-Versicherung ein vollständiges

Verzeichnis?«

«Ja, und warum wollen Sie das wissen?«

«Weil ich glaube«, sagte ich bedauernd,»daß wenig davon im Haus war, als es abgebrannt ist.«

«Was?« Soweit ich es beurteilen konnte, war Maisie ehrlich verblüfft.»Die Sachen müssen doch drin gewesen sein.«

«D. J. hat mir praktisch gesagt, daß sie nach Resten davon suchen, und ich glaube, sie haben nichts gefunden.«

«D. J.?«

«Mr. Lagland. Der ältere.«

Hin- und hergerissen zwischen Ungläubigkeit und Zorn, trank sie noch zwei doppelte Gins. Die Ungläubigkeit gewann die Oberhand.

«Sie haben das falsch verstanden, mein Lieber«, meinte sie schließlich.

«Hoffen wir’s.«

«Jugendliche Unerfahrenheit mal wieder.«

«Mag sein.«

«Denn selbstverständlich war alles an seinem Platz, als ich Freitag vor acht Tagen zu Betty gefahren bin, und bei Betty war ich auch nur, weil wir uns die ganze Zeit, als ich fort war, nicht gesehen hatten, ein Witz ist das im Grunde, aber man kann ja auch nicht ewig daheim hocken, um Feuerwehr zu spielen, falls das Haus in Flammen aufgeht, sonst sieht man nichts von der Welt, und ich hätte meine Australienreise nicht machen können.«

Sie holte Atem. Zufall, dachte ich.

«Ich kann nur sagen, es ist ein Wunder, daß ich fast meinen ganzen Schmuck mit zu Betty genommen habe, denn oft laß ich den daheim, obwohl Archie meinte, es wäre sicherer, ihn mitzunehmen, er war ja immer so aufmerksam und so vernünftig, der Gute.«

«Australien?«fragte ich.

«Ja, das war wirklich schön. Ich wollte Archies Schwester besuchen, die schon ewig da lebt und sich, seitdem sie Witwe ist, einsam fühlt, und ich dachte, das könnte ganz lustig werden, obwohl ich sie eigentlich gar nicht kannte, wir hatten uns nur immer Karten geschrieben, aber jetzt war ich sechs Wochen bei ihr. Sie wollte, daß ich drüben bleibe, und wir sind auch prima miteinander ausgekommen… Na, jedenfalls sagte ich ihr, ich will mir das daheim in meinem Haus am Meer erst mal in Ruhe überlegen — und auf der Reise hatte ich den Schmuck natürlich auch mit.«

«Sie haben sich aber wohl keinen Munnings gekauft, als Sie drüben waren?«fragte ich nebenbei.

Wie ich dazu kam, wußte ich selbst nicht, außer daß ich an Donalds Australienreise gedacht hatte. Auf Maisies Reaktion war ich keineswegs gefaßt.

Verblüfft hatte ich sie bereits vorhin, jetzt war sie wie vom Donner gerührt. Vorhin war sie ungläubig und wütend gewesen, jetzt war sie ungläubig und erschrocken.

Sie stieß ihren Gin um, stand vom Barhocker auf und hielt sich die Hand vor den offenen Mund, vier zitternde Finger mit rotlackierten Nägeln.

«Also doch?«sagte ich ungläubig.

«Woher wissen Sie das?«

«Ich dachte nur… «

«Sind Sie vom Zoll?«

«Natürlich nicht.«

«Ach herrje. Ach herrje…«Ihrem Zittern nach war sie fast so erschüttert wie Donald.

Ich nahm sie am Arm und führte sie zu einem kleinen Tisch mit einem Lehnstuhl.

«Setzen Sie sich«, sagte ich überredend,»und erzählen Sie.«

Das ging erst nach zehn Minuten und einem weiteren doppelten Gin.

«Also ich bin keine Kunstexpertin, das können Sie sich ja vorstellen, aber da war so ein Bild von Sir Alfred Munnings, signiert und alles, und das gab es so günstig, mein Lieber, daß ich nur daran dachte, wie gern Archie einen echten Munnings im Haus gehabt hätte, wo wir Pferderennen doch immer schon toll fanden, und Archies Schwester hat mir auch noch zugeredet, ich war richtig… heiß darauf, kann man fast sagen, also habe ich es gekauft.«

Sie brach ab.

«Und dann?«fragte ich.

«Tja, ich glaube, den Rest können Sie sich denken.«

«Sie haben es nach England gebracht, ohne es zu verzollen?«

Sie seufzte.»Ja, mein Lieber. Natürlich war das blöd von mir, aber beim Kauf des Bildes hab ich überhaupt nicht an den Zoll gedacht, darauf hat mich Archies Schwester erst acht Tage später angesprochen, vor meiner Heimreise, und Zoll bezahlen zu müssen finde ich wirklich das Letzte, geht Ihnen das nicht auch so? Jedenfalls habe ich mich umgehört, wieviel Zoll da anfällt, und erfahren, daß für antiquarisch gekaufte Bilder, die man aus Australien einführt, keine normale Zollgebühr verlangt wird, sondern — jetzt kommt’s — Mehrwertsteuer, also Umsatzsteuer auf gekaufte Ware, und daß ich für das Bild acht Prozent des Kaufpreises zuzahlen müßte. Ja, ich bitte Sie! Ich war fuchsteufelswild. Archies Schwester meinte, ich solle das Bild einfach bei ihr lassen, denn wenn ich nach Australien ziehen würde, hätte ich die Steuer umsonst bezahlt, aber das stand ja noch gar nicht fest, und ich wollte Sir Alfred

Munnings in Archies vier Wänden sehen, also habe ich ihn schön in seiner Transportverpackung gelassen, mein feinstes Nachthemd drumgewickelt, ihn in meinen Koffer getan und bei der Ankunft in Heathrow am Zoll vorbeigeschleust, niemand hat mich angehalten.«

«Wieviel hätten Sie bezahlen müssen?«fragte ich.

«Etwas über siebenhundert Pfund, um genau zu sein. Ich weiß auch, daß das kein Vermögen ist, mein Lieber, aber es hat mich einfach gefuchst, daß ich für etwas Schönes, das ich mir in Australien gekauft habe, hier Steuern zahlen sollte.«

Ich rechnete nach.»Das Bild hat Sie also etwa Neuntausend gekostet?«

«Genau, mein Lieber, Neuntausend. «Sie sah mich besorgt an.»Bin ich reingelegt worden? Ich habe einige Leute hier schon gefragt, und sie meinten, viele Munnings kosten fünfzehn und mehr.«