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Sie hörten mir schweigend und konzentriert zu. Dann schimpfte Jik, der wie eh und je mit der Linken sympathisierte, leise über» die Bullen«, und Sarah sah aus, als befürchte sie Schlimmes.

«Keine Sorge«, beschwichtigte ich sie.»Jetzt, wo ich weiß, daß Jik verheiratet ist, werde ich nicht um Hilfe bitten.«

«Brauchst du auch nicht. Du hast sie schon«, platzte er heraus.

Ich schüttelte den Kopf.»Nein.«

«Wie willst du das denn angehen?«fragte Sarah.

«Zuerst mal will ich feststellen, wo die beiden Munnings’ herkamen.«

«Und dann?«

«Wenn ich wüßte, wonach ich suche, brauchte ich nicht erst zu suchen.«

«Das ist nicht gesagt«, meinte sie abwesend.

«Melbourne«, warf Jik plötzlich ein.»Eins von den Bildern kam doch aus Melbourne, hast du gesagt. Damit ist die Sache geritzt. Natürlich helfen wir dir. Wir fahren gleich hin. Das kommt doch wie gerufen. Weißt du, was am Dienstag ist?«

«Erzähl«, sagte ich.

«Der Melbourne Cup!«

Es klang triumphierend. Sarah starrte mich düster über den Tisch hinweg an.

«Ich wünschte, du wärst nicht gekommen«, sagte sie.

Kapitel 6

Ich übernachtete in dem umgebauten Bootshaus, das Jiks Postadresse war. Bis auf eine Schlafnische, ein neu aussehendes Bad und eine provisorische Küche benutzte er den ganzen Raum als Atelier.

Eine riesige alte Staffelei stand in der Mitte, links und rechts davon je ein Tisch mit übersichtlich geordneten Farben, Pinseln, Messern, mit Leinöl, Terpentin und Reiniger, dem ganzen üblichen Zubehör.

Kein angefangenes Gemälde. Alles unter Verschluß. Die große Binsenmatte vor der Staffelei war wie ihr Gegenstück in England schwarz verschmiert, da Jik die Angewohnheit hatte, seine flüchtig ausgewaschenen Pinsel daran abzustreifen, wenn er die Farbe wechselte. Die Farbtuben waren typischerweise in der Mitte plattgequetscht, weil ihm die Geduld fehlte, von unten her zu drücken. Die Palette war ein rechteckiges Plättchen, das ihm genügte, da er die meisten Farben direkt aus der Tube auftrug und seine Effekte durch Übermalen erzielte. Unter dem einen Tisch stand eine große Kiste mit Putzlappen, die er brauchte, um alles sauberzuwischen, was er zum Malen nahm, nicht nur Pinsel und Messer, sondern auch Finger, Nägel, Handballen, Unterarme und was ihm sonst gerade einfiel. Ich schmunzelte. Jiks Atelier war so unverwechselbar wie seine Bilder.

An der einen Wand stand ein zweireihiges Gestell mit Leinwänden, die ich einzeln herauszog. Dunkle, kräftige, dramatische Farben, die ins Auge sprangen. Immer noch der trübe Blick, das Untergangsbewußtsein. Verfall und Kreuzigung, schauerlich düstere Landschaften, welkende Blumen, sterbende Fische, alles nur angedeutet, nichts explizit.

Jik verkaufte seine Bilder ungern und nur selten, was vielleicht kein Fehler war, da sie unangenehme

Zimmergenossen sein konnten und selbst eine Feldlerche deprimiert hätten. Ihre Kraft war jedoch nicht zu leugnen. Wer eine Ausstellung seiner Bilder gesehen hatte, vergaß sie nicht mehr, begann, anders wahrzunehmen, wurde vielleicht sogar zu einem anderen Menschen. Er war ein großer Maler auf eine Art, wie ich es nie sein würde, und Massenerfolg hätte er als persönliches Versagen betrachtet.

Am nächsten Morgen ging ich zum Boot und fand Sarah allein vor.

«Jik holt Milch und Zeitungen«, sagte sie.»Ich mach dir was zum Frühstück.«

«Ich wollte mich verabschieden.«

Sie sah mir in die Augen.»Es ist schon zu spät.«

«Nicht, wenn ich fahre.«

«Zurück nach England?«

Ich schüttelte den Kopf.

«Das dachte ich mir. «Ein kleines Lächeln schien in ihren Augen auf.»Jik hat mir gestern abend erzählt, du wärst der einzige ihm bekannte Mensch, der die Ruhe aufbringt, nachts bei Windstärke zehn auf einem leckgeschlagenen Boot mit kaputten Pumpen, das seit vier Stunden vom Sturm herumgewirbelt wird, die genauen Positionsangaben für einen Notruf auszurechnen.«

Ich grinste.»Aber er hat das Leck gestopft und die Pumpe repariert, und den Notruf haben wir eingestellt, als es hell wurde.«

«Ihr wart beide blöd.«

«Weil es sicherer ist, daheim zu bleiben?«fragte ich.

Sie wandte sich ab. »Männer«, sagte sie.»Ihr habt erst Ruhe, wenn ihr euren Hals riskiert.«

Bis zu einem gewissen Grad hatte sie recht. Ein wenig Gefahr war gesund und fühlte sich gut an, besonders hinterher. Nur das wirklich Extreme war zum Fürchten und zum Abgewöhnen.

«Das geht auch manchen Frauen so«, sagte ich.

«Mir nicht.«

«Ich werde Jik nicht mitnehmen.«

Sie wandte mir immer noch den Rücken zu.»Du wirst ihn umbringen.«

Nichts konnte ungefährlicher aussehen als die kleine Vorstadtgalerie, in der Maisie ihr Bild gekauft hatte. Es gab sie nicht mehr. Durchs Schaufenster sah man einen leeren Raum mit nackten Wänden, und eine ebenso knappe wie überflüssige Notiz an der Glastür besagte:»Geschlossen«.

In den kleinen Nachbarläden links und rechts zuckte man die Achseln.

«Die lief nur einen Monat oder so. War kaum besucht. Kein Wunder, daß sie eingegangen ist.«

Konnten sie mir sagen, welcher Makler das Objekt betreute? Nein, das konnten sie nicht.

«Ende der Ermittlung«, meinte Jik.

Ich schüttelte den Kopf.»Versuchen wir es bei den Maklern in der Gegend.«

Wir trennten uns und vergeudeten eine Stunde mit Lauferei. Keiner der Makler im Umkreis hatte die Galerie im Schaukasten ausgeschrieben.

Vor der geschlossenen Tür trafen wir uns wieder.

«Und jetzt?«

«Zur Art Gallery?«

«Im Domain«, sagte Jik, und wie sich herausstellte, meinte er damit eine ausgedehnte Parkanlage im Zentrum. Die Art Gallery hatte eine repräsentative Vorderfront mit sechs Säulen, und drinnen entdeckten wir auch bald den Munnings.

Niemand sonst betrachtete ihn. Niemand verwickelte uns in ein Gespräch und gab uns den Tip, daß in einer kleinen, außerhalb gelegenen Galerie billig ein Munnings zu haben sei.

Wir ließen uns Zeit, so daß ich in Ruhe die meisterhafte Komposition mit den beiden weißen Ponys bewundern konnte, die sich im Schein unwetterdrohenden Lichts gegen die dunkle Herde dahinter abhoben, und Jik gab widerwillig zu, daß der Mann immerhin etwas von Farbgebung verstand.

Sonst passierte gar nichts. Wir fuhren mit dem MG zum Boot zurück und aßen enttäuscht zu Mittag.

«Was jetzt?«fragte Jik.

«Herumtelefonieren, wenn du mir den Apparat im Bootshaus zur Verfügung stellst.«

Es dauerte fast den ganzen Nachmittag, aber als ich die Makler im Branchenverzeichnis in alphabetischer Reihenfolge bis Holloway & Sohn durchtelefoniert hatte, wurde ich fündig. Das fragliche Objekt, sagten Holloway & Sohn, sei kurzfristig an North Sydney Fine Arts vermietet worden.

Für wie lange?

Ein Vierteljahr, ab ersten September.

Nein, Holloway & Sohn wußten nicht, daß das Objekt leerstand. Sie konnten es erst nach dem ersten Dezember wieder vermieten, da North Sydney Fine Arts die Miete im voraus bezahlt hatte; konkrete Namen zu nennen war ihnen leider nicht möglich. Ich schleimte ein bißchen, deutete zart an, selbst in der Branche zu sein und einen Kunden für den leerstehenden Laden zu haben. Holloway & Sohn nannten mir einen Mr. John Grey mit einer Postfachnummer als Adresse. Ich bedankte mich. Mr. Grey, sagten sie ein wenig auftauend, habe die Galerie nur für eine kleine Privatausstellung nutzen wollen, daher wundere es sie eigentlich nicht, daß er schon draußen sei.

Wie konnte ich Mr. Grey erkennen, falls ich mit ihm zusammentraf? Da waren sie überfragt; sie hatten nur telefonisch und brieflich mit ihm verkehrt. Ich solle ihm doch schreiben, wenn mein Kunde die Galerie vor dem ersten Dezember brauchte.

Na, vielen Dank, dachte ich.

Andererseits konnte es nichts schaden. Ich suchte mir ein geeignetes Blatt Papier und teilte Mr. Grey in verstellter, verschnörkelter Schrift und schwarzer Tinte mit, Holloway & Sohn hätten mir seinen Namen und seine Postfachnummer gegeben; ob er mir freundlicherweise die letzten vierzehn Tage seines Mietvertrags zur Nutzung überlassen würde, damit ich die wirklich starken Aquarelle eines Freundes ausstellen könnte. Den angemessenen Preis dürfe er selbst bestimmen… Hochachtungsvoll, Peregrine Smith.