Выбрать главу

«Egal«, sagte er.»Wir haben den Wagen. Es wäre saublöd von dir, wenn du nicht mit zum Pferderennen kämst.«

«Würde Sarah«, fragte ich vorsichtig,»nicht schmollen?«

«Sie meint, nein.«

Ich nahm sein Angebot an und seufzte innerlich. Es sah aus, als würde er künftig nicht den kleinsten Schritt ohne Sarahs Einverständnis tun. War das immer so, wenn die wilden Kerle unter die Haube kamen? Stutzte das Eheglück den Adlern die Flügel?

«Wo warst du gestern abend?«fragte er.

«In Ali Babas Höhle«, sagte ich.»Schätze zuhauf und mit viel Glück dem siedenden Öl entronnen.«

Ich erzählte ihm von der Galerie, dem Munnings und meiner kurzen Gefangenschaft. Ich sagte ihm, wie ich mir die Einbruchsdiebstähle erklärte. Es gefiel ihm. Der Schalk blitzte ihm aus den Augen, und die alte Erregung stieg in ihm auf.

«Wie beweisen wir das?«fragte er.

Er hörte das >wir<, sobald er es ausgesprochen hatte. Ein verschämtes Lachen, und der Schwung war dahin.»Also wie?«

«Das weiß ich noch nicht.«

«Ich würde ja gerne helfen«, sagte er in einem Ton, als müsse er sich entschuldigen.

Mir fielen ein Dutzend sarkastische Entgegnungen ein, und ich verkniff sie mir alle. Nicht die beiden waren aus dem Tritt, sondern ich. Die Stimme der Vergangenheit hatte kein Recht, die Zukunft zu zerstören.

«Du wirst tun, was Sarah für richtig hält«, sagte ich mit Entschiedenheit, und es war als Aufforderung gemeint, nicht als Stichelei.

«Kommandier mich nicht herum.«

Während wir friedlich zu Ende frühstückten, versuchten wir eine annehmbare neue Beziehung auf den Trümmern der alten aufzubauen und waren uns dessen durchaus bewußt.

Als ich mich später wie verabredet mit ihnen in der Halle traf, war es offensichtlich, daß auch Sarah eine Neueinschätzung vorgenommen und an ihren Gefühlen gearbeitet hatte. Sie begrüßte mich mit dem Versuch eines Lächelns und ausgestreckter Hand.

Ich schlug ein und gab ihr ein symbolisches Küßchen auf die Wange. Sie wußte, wie es gemeint war.

Friede beschlossen, Bedingungen akzeptiert, Vertrag besiegelt. Unterhändler Jik stand selbstzufrieden in der Gegend.

«Schau ihn dir an«, sagte er und wies auf mich.»Der ideale Börsenmakler. Anzug, Binder, Lederschuhe. Wenn er nicht aufpaßt, holen sie ihn in die Royal Academy.«

Sarah sah ihn verwirrt an.»Ich dachte, das sei eine Ehre.«

«Das kommt drauf an«, lästerte Jik.»Passable Pinselschwinger mit geschliffenen Umgangsformen werden da ab dreißig aufgenommen. Meistermaler mit durchschnittlichen Umgangsformen kommen ab vierzig rein, Meister ohne Umgangsformen ab fünfzig. Genies, denen es Wurscht ist, ob sie reinkommen, werden so lange wie möglich übersehen.«

«Und Todd gehört zur ersten, du aber zur letzten Kategorie?«fragte Sarah.

«Selbstverständlich.«

«Das hat schon seine Richtigkeit«, sagte ich.»Man hört nie von jungen Meistern. Immer nur von alten.«

«Du lieber Gott«, meinte Sarah,»fahren wir endlich zur Rennbahn.«

Wir fuhren langsam, denn unzählige Wagen waren in die gleiche Richtung unterwegs. Der Parkplatz der Flemington-Rennbahn, wohin uns die Reise führte, sah aus wie eine riesengroße Picknickwiese, da zwischen den Autos Hunderte von regelrechten Lunchparties stattfanden. Tische, Stühle, Tafeltücher, Geschirr, Besteck und Gläser. Hoffnungsvoll aufgespannte Sonnenschirme trotzten den dunklen Regenwolken. Heiterkeit, Alkohol und das unausgesprochene, aber allgegenwärtige Bekenntnis zum guten Leben.

Zu meiner gelinden Überraschung waren Jik und Sarah darauf eingestellt. Sie zauberten Tisch, Stühle, Getränke und Speisen aus dem Kofferraum hervor und meinten, gewußt wie, gewußt wo, dann könne man das Ganze einfach bestellen.

«Ein Onkel von mir«, sagte Sarah,»trägt den Titel >Schnellster Barmann des Westens<. Zwischen Aussteigen und Einschenken vergehen keine zehn Sekunden.«

Sie gibt sich wirklich Mühe, dachte ich. Nicht in dem Sinn, daß sie sich nur Jik zuliebe arrangiert hätte, sondern von innen heraus. Wenn es sie Überwindung kostete, merkte man nichts davon. Sie trug einen aparten olivgrünen Leinenmantel und einen breitkrempigen Hut gleicher Farbe, den sie festhielt, wenn ein Windstoß kam. Alles in allem eine neue Sarah, hübscher, entspannter, weniger ängstlich.

«Sekt?«fragte Jik und ließ den Korken knallen.»Steak und Austernpastete?«

«Ob ich dann zu Hause wieder Fritten essen kann?«

«Wenn der Hunger kommt.«

Wir putzten alles weg, luden Tisch und Stühle wieder ein und stürzten uns mit dem Gefühl, an einem halb religiösen Ritual teilzunehmen, in das Gedränge vor dem Tor zum Allerheiligsten.

«Am Dienstag wird das noch viel schlimmer«, meinte Sarah, die den ganzen Zirkus schon kannte.»Der Melbourne Cup ist ein gesetzlicher Feiertag. Die Stadt hat drei Millionen Einwohner, und die Hälfte davon wird versuchen herzukommen. «Sie schrie durch den Lärm und hielt krampfhaft ihren Hut fest, während wir hin und her gestoßen wurden.

«Wenn sie vernünftig sind, bleiben sie zu Hause und sehen sich’s im Fernsehen an«, sagte ich atemlos und bekam einen kräftigen Hieb mit dem Ellbogen in die Nieren von einem, der gerade eine Dose Bier aufriß.

«Es kommt im Melbourne nicht im Fernsehen, nur im Radio.«

«Du meine Güte. Wieso denn das?«

«Die Leute sollen herkommen. Der Cup wird in ganz Australien übertragen, nur nicht vor der eigenen Haustür.«

«Dasselbe gilt für Golf- und Kricketturniere«, sagte Jik ein wenig düster.»Und auf die kann man noch nicht mal ordentlich wetten.«

Wir passierten die Kasse und kamen dank unserer Karten durch ein zweites Tor in den ruhigeren Bereich des grünen Rasens vor der Mitgliedertribüne. Ganz wie zu Hause beim Derby, dachte ich. Der gleiche Triumph des Willens über das Wetter. Strahlende Gesichter unter grauem Himmel. Warme Mäntel über den hübschen Kleidern, Stockschirme zu dem einen oder anderen Zylinder. Interessanterweise fanden es viele Leute lustig, wenn sie auf meinen Bildern Rennbahnbesucher im Regen sahen. Vermutlich lachten sie, weil sie wußten, daß wahres Vergnügen durch äußere Einflüsse nicht getrübt werden

kann; weil sie auch selbst geneigt waren, unter schwarzem Himmel die Fahne hochzuhalten.

War das nicht eine Idee für ein Bild? Ein Rennbahnbesucher, der unter schwarzem Himmel die Fahne hochhielt? Das wäre vielleicht sogar für Jiks Geschmack symbolisch genug gewesen.

Meine Freunde waren in ein Wortgefecht über die Form der Pferde im ersten Rennen vertieft. Sarah hatte offenbar ebensoviel Wettfreude im Blut wie ihr Mann, jedoch abweichende Ansichten.

«Weiß ich, daß in Randwick vorige Woche schwerer Boden war. Den haben wir nach dem vielen Regen hier aber auch, und er mag’s lieber fest.«

«In Randwick hat ihn nur Boyblue geschlagen, und der war im Caulfield Cup einsame Spitze.«

«Mach doch, was du willst«, sagte Sarah von oben herab.»Der Boden ist und bleibt zu schwer für Grapevine.«

«Wettest du auch?«fragte mich Jik.

«Ich kenne die Pferde nicht.«

«Als ob das eine Rolle spielte.«

«Na schön. «Ich sah in mein Programm.»Zwei Dollar auf Generator.«

Beide sahen mich an und fragten:»Wieso?«

«Im Zweifelsfall wette ich die Elf. Einmal habe ich fast ein ganzes Programm mit der Elf durchgespielt.«

Sie schnalzten mißbilligend mit der Zunge und sagten, ich könne meine zwei Dollar entweder den Buchmachern oder dem TAB in den Rachen werfen.

«Wem?«

«Dem >Totalizator Agency Board<.«

Buchmacher arbeiteten offenbar nur auf der Bahn und nicht in so großem Stil wie in England. Alle Wettbüros außerhalb wurden vom TAB betrieben, der einen Großteil des Gewinns wieder in Pferderennen steckte. Der Rennsport florierte und war kerngesund. Schön für Australien, meinte Jik.