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«Hier herein bitte«, sagte er.

Der Raum nebenan hatte Oberlicht, und die Wände waren völlig mit dicht an dicht hängenden Bildern bedeckt. Wir staunten. Auf den ersten Blick waren wir von einer unglaublichen Fülle holländischer Interieurs, französischer Impressionisten und Gainsborough-Porträts umgeben. Auf den zweiten Blick erkannte man, daß es sich zwar um Originale handelte, aber doch eher um zweitrangige. Werke, die unter dem Begriff >Schule von< kursierten, weil die Künstler darauf verzichtet hatten, sie zu signieren.

«Alles Europäer hier«, sagte der Galerist. Es klang immer noch gelangweilt. Er war kein Australier, dachte ich. Auch kein Brite. Vielleicht Amerikaner. Schwer zu sagen.

«Haben Sie auch Pferdebilder?«fragte ich.

Er sah mich mit ruhigem, gelassenem Blick an.»Auch das, aber diesen Monat stellen wir Australier und weniger bekannte Europäer aus. «Er lispelte leicht.»Pferdebilder haben wir nebenan im Regal stehen. «Er wies auf einen zweiten Plastikstreifenvorhang direkt gegenüber dem ersten.»Suchen Sie etwas Bestimmtes?«

Ich nannte die Namen einiger Australier, deren Arbeiten ich in Melbourne gesehen hatte. Ein Glänzen kam in seine matten Augen.

«Ja, von diesen Künstlern haben wir was da.«

Er führte uns durch den zweiten Vorhang in den dritten und aus unserer Sicht interessantesten Raum. Vorn standen wie angekündigt Bilder in zwei vollen Regalreihen. Die andere Hälfte war Büro, Packraum und Rahmenschreinerei in einem. Hinten führte eine Glastür in einen staubigen, ausgedörrten Garten, aber auch in diesem Raum kam das Licht hauptsächlich vom Dach her.

Neben der Glastür stand eine Staffelei mit einer kleinen Leinwand. Ich sah sie nur von hinten, doch mehrere Anzeichen ließen auf kürzlich unterbrochene Arbeit schließen.

«Ihr eigenes Werk?«fragte Jik neugierig und ging auch schon hin.

Der blasse Kunsthändler wedelte mit der Hand, als hätte er Jik lieber zurückgehalten, und etwas in Jiks Gesichtsausdruck zog mich magnetisch an seine Seite.

Ein Fuchshengst im Halbprofil, den schlanken Kopf wie lauschend erhoben. Im Hintergrund die noblen Umrisse eines Herrenhauses. Davor eine ausgewogen gestaltete Wiese mit Bäumen. Das Bild war, soweit ich es beurteilen konnte, im großen ganzen fertig.

«Das ist ja toll«, sagte ich begeistert.»Kann man das kaufen? Ich würde es nehmen.«

Nach einem winzigen Zögern sagte er:»Tut mir leid. Es ist bestellt.«

«Schade! Können Sie mir das denn nicht verkaufen und es noch mal neu malen?«

Ein kleines, bedauerndes Lächeln.»Leider nicht.«

«Darf ich Ihren Namen wissen?«sagte ich ernst.

Er war unwillkürlich geschmeichelt.»Harley Renbo.«

«Ist sonst noch etwas von Ihnen da?«

Er wies auf die Regale.»Ein oder zwei Sachen. Die Pferdebilder sind in der untersten Reihe hinten.«

Alle drei zogen wir die Bilder eins nach dem anderen heraus und machten laienhafte Bemerkungen dazu.

«Das ist hübsch«, sagte Sarah und hielt ein kleines Bild von einem dicken weißen Pony und zwei altmodisch gekleideten

Bauernjungen hoch.»Was meint ihr?«Sie zeigte es Jik und mir.

«Es hat was«, sagte ich freundlich.

Jik wandte sich ab, als interessierte es ihn nicht. Harley Renbo stand regungslos.

«Na ja. «Sarah zuckte die Achseln.»Ich fand’s eben ganz nett. «Sie stellte es ins Regal zurück und zog das nächste heraus.»Und die Stute mit dem Fohlen hier? Das ist doch schön.«

Jik konnte es kaum ertragen.»Schön kitschig«, sagte er.

Sarah schlug die Augen nieder.»Es mag keine Kunst sein, aber mir gefällt’s.«

Dann fanden wir eins mit einer schwungvollen Signatur: Harley Renbo. Großes Format, gefirnißt, ohne Rahmen.

«Ah«, sagte ich anerkennend.»Von Ihnen.«

Harley Renbo neigte den Kopf. Jik, Sarah und ich betrachteten das Werk, das seinen Namen trug.

Nachempfundener Stubbs. In die Länge gezogenes Pferd in parkähnlicher Landschaft. Komposition ordentlich, Anatomie dürftig, Ausführung gut, Originalität gleich null.

«Großartig«, sagte ich.»Wo haben Sie das gemalt?«

«Oh… hier.«

«Aus dem Kopf?«fragte Sarah bewundernd.»Das will gelernt sein.«

Auf unser Drängen holte Harley Renbo noch zwei eigene Werke hervor. Keins war besser als das erste, aber eins war wesentlich kleiner.

«Wieviel kostet das?«fragte ich.

Jik warf mir einen scharfen Blick zu, hielt sich aber raus.

Harley Renbo nannte einen Preis, bei dem ich sofort den Kopf schüttelte.

«Tut mir leid«, sagte ich.»Mir gefallen Ihre Arbeiten, aber…«

Wir feilschten höflich noch eine ganze Weile und gelangten zu der üblichen Einigung — höher als vom Kunden angestrebt, niedriger als vom Maler erhofft. Jik lieh resigniert seine Kreditkarte her, und wir trugen die Beute davon.

«Herr im Himmel«, explodierte Jik, als wir außer Hörweite waren.»Du hast schon in der Wiege besser gemalt. Wie kommst du dazu, diesen Schrott zu kaufen?«

«Weil Harley Renbo der Kopist ist«, sagte ich zufrieden.

«Aber das«, Jik wies auf das Paket unter meinem Arm,»ist nichts als ein miserabler Original-Renbo.«

«Spurensicherung?«tippte Sarah an.»Kannst du feststellen, ob ein Bild von ihm ist, wenn du die Malweise vergleichst?«

«Hat Grips, meine Frau«, sagte Jik.»Aber das Bild, das er nicht verkaufen wollte, sah mir kein bißchen nach Munnings aus.«

«Du schaust dir doch nie Pferdebilder an.«

«Ich habe mehr von deinen armseligen Klecksereien gesehen, als mir lieb ist.«

«Sagt dir Raoul Millais was?«fragte ich.

«Heiland!«

An die sengende Hitze dachten wir überhaupt nicht mehr.

«Ich weiß nicht, wie es mit euch ist«, meinte Sarah,»aber ich kaufe mir jetzt einen Bikini und verbringe den Rest des Tages am Pool.«

Alle drei kauften wir uns Schwimmsachen, plätscherten dann beim Motel stundenlang im Wasser und streckten uns auf Badetüchern aus. Es war still und friedlich in dem kleinen Garten. Außer uns war niemand dort.

«Dir hat doch das Bild mit dem Pony und den beiden Jungs so gefallen«, sagte ich.

«Hat es auch«, bestätigte sie in einem Ton, als müsse sie sich verteidigen.»Ich fand’s hübsch.«

«Das war ein Munnings.«

Sie richtete sich abrupt auf.

«Warum hast du das denn nicht gesagt?«

«Ich habe darauf gewartet, daß unser Freund Renbo es uns sagt, aber von dem kam nichts.«

«War es echt oder eine Kopie?«

«Echt«, sagte Jik mit zusammengekniffenen Augen, geblendet von der Sonne, die durch die Palmblätter stach.

Ich nickte träge.»Glaube ich auch«, sagte ich.»Ein frühes Bild. Munnings hatte in jungen Jahren ein weißes Pony, das hat er immer wieder gemalt. Es ist dasselbe wie in dem >Heraufziehenden Sturm<, der in Sydney hängt.«

«Ihr kennt euch wirklich aus«, seufzte Sarah und legte sich wieder hin.

«Jeder Fachmann hat sein Grundwissen«, meinte Jik.»Ob man hier was zu essen kriegt?«

Auf meiner Uhr war es fast zwei.»Ich frage mal«, sagte ich.

Ich zog Hemd und Hose über die schon trockene Badehose und schlenderte aus der Hitze in die gekühlte Luft der Halle. Kein Mittagessen, hieß es am Empfang. Wir könnten uns im nächsten Schnellrestaurant etwas besorgen und es im Garten verzehren. Getränke? Ebenso. In der Nähe sei ein Geschäft. Eisspender und Plastikbecher fänden wir bei der Tür zum Pool.

«Danke«, sagte ich.

«Keine Ursache.«

Ich sah mir den Eisspender auf dem Weg nach draußen an. Daneben hing ein Schild:»Wir schwimmen nicht in Ihrer Toilette. Bitte pinkeln Sie nicht in unseren Pool. «Lachend ging ich zu Jik und Sarah und erklärte ihnen, wie es mit dem Essen stand.