Выбрать главу

«Ich hole uns was«, sagte ich.»Was wollt ihr?«

Egal, meinten sie.

«Und zu trinken?«

«Cinzano«, sagte Sarah, und Jik nickte.»Weiß und trocken.«

Ich hob meine Zimmerschlüssel vom Rasen auf, um oben Geld zu holen. Ging zur baumbeschatteten Außentreppe, in den zweiten Stock hoch und auf den glühenden Balkon.

Ein Mann kam mir entgegen, ungefähr meine Größe, meine Statur und mein Alter; und hinter mir hörte ich noch jemand die Treppe heraufkommen.

Ich dachte mir nichts dabei. Motelgäste wie ich. Was sonst?

Auf den Angriff und dessen Brutalität war ich überhaupt nicht gefaßt.

Kapitel 10

Sie kamen einfach auf mich zu, einer von vorn, einer von hinten.

Beide erreichten mich gleichzeitig und rissen mir augenblicklich den Zimmerschlüssel aus der Hand.

Der Kampf, wenn man es so nennen wollte, dauerte keine fünf Sekunden. Sie packten mich kurzerhand mit den Kräften eines Jik an Armen und Beinen und warfen mich über das Balkongeländer.

Zwei Stockwerke tief fällt man sicher schnell. Dennoch konnte ich mir in der Luft ausmalen, wie wenig von mir heil bleiben würde. Die Katastrophe war unabwendbar. Ein sehr merkwürdiges, grausiges Gefühl.

Als erstes krachte ich dann aber in einen der jungen Bäume, die um die Treppe herum wuchsen. Seine Äste gaben nach und brachen, und ich landete auf dem harten Boden der Zufahrt. Der fürchterliche Aufprall ließ alles um mich schwarz werden. Wie ein Kurzschluß. Ein Sturz ins Dunkel. Ich lag halb bewußtlos da und wußte nicht, ob ich lebte oder tot war.

Mir war warm. Kein Gedanke, lediglich ein Gefühl.

Sonst spürte ich überhaupt nichts. Ich konnte mich nicht rühren. Wußte nicht, woher ich die Kraft nehmen sollte. Kam mir vor wie hingespuckt.

Wie Jik mir später sagte, fand er mich erst nach zehn Minuten, und er kam auch nur, weil er mich bitten wollte, eine Zitrone für den Cinzano mitzubringen, falls ich noch nicht weg war.

«Allmächtiger!«Jiks halblaute, entsetzte Stimme an meinem Ohr.

Ich hörte ihn deutlich. Verstand ihn.

Ich lebe, dachte ich. Ich denke, also bin ich.

Schließlich öffnete ich die Augen. Blendend helles Licht. Wo Jiks Stimme hergekommen war, stand niemand. Vielleicht hatte ich mir das eingebildet. Nein. Jetzt nahm die Welt sehr schnell wieder Konturen an.

Auch den Sturz hatte ich mir nicht eingebildet. Immer stärker bekam ich zu spüren, daß ich mir weder den Hals noch das Rückgrat gebrochen hatte. Jede angegriffene, vorübergehend betäubte Muskelfaser meldete sich mit Macht zurück. Nicht wo es weh tat, sondern wo nicht, war die Frage. Ich erinnerte mich, daß ich in den Baum gefallen und durch die Äste gekracht war. Ich fühlte mich in Stücke gerissen und gestaucht zugleich. Super.

Nach einer Weile hörte ich Jiks Stimme wieder.»Er lebt«, sagte er,»aber das ist auch so ziemlich alles.«

«Man kann hier unmöglich vom Balkon fallen. Unsere Brüstungen sind mehr als halbhoch. «Die Stimme vom Empfang, besorgt und aufgebracht. Schlechte Reklame für ein Motel, wenn da jemand vom Balkon fiel.

«Nur keine… Panik«, sagte ich. Es klang etwas krächzend.

«Todd!«Sarah kniete sich mit blassem Gesicht vor mich hin.

«Wenn ihr mir… Zeit laßt«, sagte ich,»hole ich… den Cinzano. «Wieviel Zeit? Eine Million Jahre reichten sicher.

«Du Saukerl«, Jik stand zu meinen Füßen und schaute auf mich herunter,»du hast uns vielleicht einen Schreck eingejagt. «Er hielt einen abgebrochenen Ast in der Hand.

«Entschuldigung.«

«Gut, dann steh auf.«

«Ja… gleich.«

«Soll ich den Krankenwagen abbestellen?«fragte die Empfangsdame hoffnungsvoll.

«Nein«, sagte ich.»Ich glaube, ich blute.«

Das Krankenhaus von Alice Springs tat auch sonntags alles, was man von einem Stützpunkt fliegender Ärzte nur erwarten konnte. Sie untersuchten und röntgten und nähten und legten mir eine Auflistung vor.

— gebrochenes Schulterblatt (links)

— zwei gebrochene Rippen (links, Lunge unverletzt)

— schwere Prellung an der linken Kopfseite (keine Fraktur)

— vier Rißwunden an Rumpf, Oberschenkel, linkem Bein

(genäht)

— verschiedene kleinere Fleischwunden

— Abschürfungen und Quetschungen an der gesamten linken

Körperhälfte.

«Vielen Dank«, sagte ich seufzend.

«Danken Sie dem Baum. Ohne den hätte es schlimm für Sie ausgesehen.«

Sie empfahlen mir, den Rest des Tages und über Nacht zu bleiben. Das sei besser, meinten sie etwas zu bedeutungsvoll.

«In Ordnung«, fügte ich mich.»Sind meine Freunde noch da?«

Meine Freunde waren im Wartezimmer. Sie stritten auf Teufel komm raus über den aussichtsreichsten Starter im Melbourne Cup.

«Newshound packt das…«

«Einpacken kann der…«

«Heiland«, sagte Jik, als ich steifen Schrittes hereinkam.»Er ist wieder auf den Beinen.«

«Ja. «Ich hockte mich vorsichtig auf eine Sessellehne und kam mir fast wie eine Mumie vor, vom Hals an abwärts eingewickelt, den linken Arm unterm Verband fixiert.

«Lacht nicht«, sagte ich.

«Nur ein Verrückter kann von dem Balkon fallen«, meinte Jik.

«Mhm«, stimmte ich zu.»Man hat mich runtergeworfen.«

Sie sperrten den Mund auf wie Fische auf dem Trocknen. Ich schilderte ihnen den genauen Hergang.

«Wer waren die zwei?«fragte Jik.

«Keine Ahnung. Ich hatte sie noch nie gesehen. Sie haben sich nicht vorgestellt.«

«Du mußt zur Polizei gehen«, sagte Sarah bestimmt.

«Ja«, erwiderte ich.»Aber… ich weiß nicht, wie man so etwas hier anzeigt, und ich kenne eure Polizei nicht. Könntet ihr vielleicht… hier im Krankenhaus Bescheid sagen und ordnungsgemäß und ohne Trara die Sache bei der Polizei melden?«

«Ordnungsgemäß und ohne Trara«, meinte Sarah,»wie sich das gehört, wenn jemand vom Balkon geschmissen wird.«

«Vorher haben sie mir noch den Zimmerschlüssel abgenommen«, sagte ich.»Könnt ihr mal nachsehen, ob meine Brieftasche noch da ist?«

Sie starrten mich an, da sie eine unangenehme Ahnung beschlich.

Ich nickte.»Ja, und das Bild.«

Zwei Polizisten kamen, ließen mich erzählen, machten sich Notizen und verschwanden wieder. Ganz unverbindlich. In Alice sei so etwas noch nie passiert. Das müßten Fremde gewesen sein. Die Stadt habe einen ständigen Zustrom von Besuchern, darunter seien naturgemäß auch einige Gewalttäter. Meinem Eindruck nach hätten sie wesentlich mehr Wirbel gemacht, wenn ich zu Tode gekommen wäre. Ihre Zurückhaltung war mir nur recht.

Als Sarah und Jik wiederkamen, lag ich in dem Bett, das man mir zugewiesen hatte, und fühlte mich hundsmiserabel. Ich fror bis ins Mark. Die Reaktion des Organismus auf die erlittenen Verletzungen, kurz, der Schock.

«Sie haben beides mitgenommen«, sagte Jik.»Das Bild und die Brieftasche.«

«Und die Galerie ist geschlossen«, ergänzte Sarah.»Die Frau von der Boutique gegenüber hat gesehen, daß Harley heute früher Schluß gemacht hat, aber sie weiß nicht genau, wann. Er geht hinten raus, weil da sein Wagen steht.«

«Die Polizei war auch im Motel«, übernahm wieder Jik.»Wir haben ihnen zwar gesagt, daß das Bild weg ist, aber sie werden sich deswegen kein Bein ausreißen, wenn du ihnen nicht die ganze Geschichte erzählst.«

«Ich überlege es mir.«

«Und was machen wir jetzt?«fragte Sarah.

«Nun… es bringt nichts, noch länger hierzubleiben. Morgen fliegen wir nach Melbourne zurück.«

«Gott sei Dank«, sagte sie strahlend.»Ich dachte schon, wir müßten uns den Melbourne Cup entgehen lassen.«

Trotz einer Menge Tabletten und hingebungsvoller Betreuung verbrachte ich eine äußerst unangenehme, schlaflose Nacht. Ich konnte mich nicht richtig hinlegen. Nach dem Schüttelfrost war mir fieberheiß. Pochende Schmerzen an einem Dutzend Stellen. Bei der kleinsten Bewegung knirschten meine Gelenke. Wie ein Motor mit Kolbenfresser. Kein Wunder, daß die Ärzte mir empfohlen hatten, dazubleiben.