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Nun ja… ich schloß für ein Weilchen die Augen und wünschte mir, ich wäre nicht immer noch so zittrig.

Das Krankenhaus hatte ich mit der Einwilligung eines Arztes verlassen, der meinte, wenn ich gehen wolle, könne er mich zwar nicht halten, aber ein weiterer Tag Ruhe wäre besser für mich.

«Dann verpasse ich den Cup«, wandte ich ein.

«Sie sind ja verrückt.«

«Mag sein… aber könnten Sie es so einrichten, daß das Krankenhaus auf Anfrage sagt, es gehe mir >den Umständen entsprechend< oder >allmählich bessere, nur auf keinen Fall, daß ich schon weg bin?«

«Wozu denn das?«

«Die Schläger, die mich hier reingebracht haben, sollen lieber glauben, ich liege noch flach. Noch ein paar Tage, wenn’s geht. Bis ich über alle Berge bin.«

«Aber die vergreifen sich doch nicht noch mal an Ihnen.«

«Man weiß nie?«

Er zuckte die Achseln.»Heißt das, Sie sind nervös?«

«Könnte man sagen.«

«Okay. Es kann ja nichts schaden. Ein paar Tage also, wenn es Sie beruhigt.«

«Und ob mich das beruhigt«, sagte ich dankbar.

«Was haben Sie denn da?«Er wies auf Jiks Einkäufe, die noch auf dem Bett lagen.

«Das versteht mein Freund unter angemessener Reisebekleidung.«

«Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«

«Er ist Maler«, sagte ich, als würde das jede Extravaganz erklären.

Eine Stunde später brachte mir der Arzt einen Schein zur Unterschrift, nachdem Jiks Kreditkarte wieder einmal den Rest erledigt hatte, und bekam bei meinem Anblick einen Lachanfall. Ich war mühsam in die Klamotten geschlüpft und probierte gerade den Hut an.

«Wollen Sie in dem Aufzug zum Flughafen?«fragte er ungläubig.

«Selbstverständlich.«

«Und wie?«

«Mit dem Taxi oder so.«

«Es ist besser, wenn ich Sie fahre«, meinte er seufzend.»Dann kann ich Sie wieder mit zurücknehmen, falls es Ihnen zu schlecht geht.«

Er fuhr vorsichtig, hatte aber auch seinen Spaß dabei.»Jemand, der sich traut, so herumzulaufen, braucht vor zwei

Schlägern keine Angst zu haben. «Er setzte mich direkt am Eingang zum Flughafen ab und fuhr lachend davon.

Sarahs Stimme riß mich aus den Gedanken.

«Todd?«

Ich schlug die Augen auf. Sie war nach hinten gekommen und stand neben mir auf dem Gang.

«Geht’s dir gut?«

«Mhm.«

Sie musterte mich besorgt und ging weiter zu den Toiletten. Als sie zurückkam, hatte ich meine Gedanken halbwegs sortiert und hielt sie mit einer Handbewegung auf.»Sarah… man ist euch zum Flughafen gefolgt. Sehr wahrscheinlich werdet ihr auch in Melbourne beschattet. Sag Jik, er soll ein Taxi nehmen, den Verfolger ausmachen, ihn abschütteln und mit einem anderen Taxi wieder zum Flughafen kommen, um den Mietwagen abzuholen. Okay?«

«Ist er… der Verfolger… hier im Flugzeug?«Sie war sichtlich beunruhigt.

«Nein. Er hat von Alice aus telefoniert.«

«Gut.«

Sie ging wieder nach vorn. Die Maschine landete in Adelaide. Reisende stiegen aus und ein, und weiter ging es mit dem einstündigen Flug nach Melbourne. Auf halber Strecke kam Jik nach hinten, um das gewisse Örtchen aufzusuchen.

Auch er blieb auf dem Rückweg zu seinem Platz kurz bei mir stehen.

«Hier sind die Autoschlüssel«, sagte er.»Setz dich rein und warte auf uns. So kannst du schlecht ins Hilton, und allein umziehen kannst du dich auch nicht.«

«Klar kann ich.«

«Still. Ich schüttle die etwaigen Verfolger ab und komme wieder. Du wartest.«

Er ging, ohne sich noch einmal umzudrehen. Ich steckte die Schlüssel in meine Jeans und sann über das Wahre und Gute im Leben nach, um mir die Zeit zu vertreiben.

Bei der Landung hielt ich mich weit hinter Jik und Sarah. In dieser ehrwürdigen Handelsstadt stieß mein Aufzug auf wesentlich mehr Unverständnis, aber das kümmerte mich kein bißchen. Erschöpfung und Sorge sind das beste Mittel gegen peinliche Verlegenheit.

Jik und Sarah gingen mit ihrem Handgepäck schnurstracks zum Ausgang und zum Taxistand. Am Abend vor dem Cup wimmelte es auf dem Flughafen von frisch angekommenen Besuchern, aber ich sah nur einen einzigen, der sich ausschließlich für meine davoneilenden Freunde interessierte.

Ich mußte lächeln. Jung und wieselflink schlängelte er sich durch die Menge und stieß eine Frau mit Kind aus dem Weg, um das Taxi hinter Jik zu ergattern. Wahrscheinlich hatten sie ihn geschickt, weil er Jik vom Sehen kannte. Er hatte ihm im Arts Centre Terpentin in die Augen geschüttet.

Soll uns recht sein, dachte ich. Der Junge war nicht der Hellste, also würde Jik ihn relativ leicht abschütteln können. Ich latschte noch eine Zeitlang herum, als wüßte ich nichts mit mir anzufangen, doch da ich niemand Verdächtigen mehr entdecken konnte, wagte ich mich schließlich hinaus auf den Parkplatz.

Der Abend war kalt nach Alice Springs. Ich schloß den Wagen auf, setzte mich nach hinten, nahm den Gipfelstürmerhut ab und wartete auf Jik.

Sie blieben fast zwei Stunden fort, und in der langen Zeit wurde mir das Sitzen so beschwerlich, daß ich anfing, vor mich hin zu schimpfen.

«Entschuldige«, sagte Sarah atemlos, als sie die Wagentür öffnete und sich auf den Vordersitz fallen ließ.

«Es war verdammt schwer, den kleinen Mistkerl loszuwerden«, sagte Jik, der sich zu mir nach hinten setzte.»Alles in Ordnung?«

«Mir ist kalt, ich habe Hunger und bin schlecht gelaunt.«

«Wenn’s weiter nichts ist«, meinte er vergnügt.»Wie eine Klette hat der an uns geklebt. Der Junge aus dem Arts Centre.«

«Ja, ich habe ihn gesehen.«

«Wir sind zum Victoria Royal gefahren und wollten auf der anderen Seite gleich wieder raus und mit dem nächsten Taxi weiter, aber weil er uns nachkam, sind wir in die Bar und haben was getrunken, während er am Bücherstand in der Halle herumhing.«

«Er sollte nach Möglichkeit nicht merken, daß wir ihn entdeckt hatten«, sagte Sarah.»Also haben wir umdisponiert, sind raus und haben ein Taxi zum Naughty Ninety genommen, dem einzigen wirklich lauten Freß-, Tanz- und Nachtlokal in Melbourne.«

«Da war es gestopft voll«, sagte Jik.»Ich mußte zehn Dollar für einen Tisch hinblättern. Für unseren Zweck aber ideal. Lauter dunkle Winkel und psychedelisches Geflimmer. Wir haben was zu trinken bestellt, uns die Speisekarte angesehen, dann sind wir aufs Parkett und haben getanzt.«

«Er stand immer noch im Eingang Schlange für einen Tisch. Wir haben uns durch den Notausgang hinter den Toiletten verdrückt. Da hatten wir beim Reinkommen unsere Taschen verstaut und brauchten sie nur zu holen.«

«Ich glaube, er hat nicht gemerkt, daß wir ihn bewußt abgehängt haben«, sagte Jik.»Da ist ein Riesenandrang heute.«

«Prima.«

Mit Jiks Hilfe verwandelte ich mich vom Alice-SpringsTouristen in einen turfbegeisterten Besucher des Melbourne Cup. Dann fuhr er uns zum Hilton, stellte den Wagen auf dem Parkplatz ab, und wir betraten die Hotelhalle, als wären wir nie fort gewesen.

Niemand achtete auf uns. Alles fieberte dem Rennen entgegen. Leute in Abendkleidung kamen aus dem Ballsaal und unterhielten sich noch angeregt in kleineren Gruppen, bevor sie nach Hause fuhren. Andere kamen vom auswärts genossenen Dinner zurück und bestellten noch einen Schlummertrunk. Die Favoriten des nächsten Tages wurden eifrig erörtert.

Jik holte unsere Zimmerschlüssel an der Rezeption.

«Keine Nachricht«, sagte er.»Und man scheint uns nicht vermißt zu haben.«

«Auch gut.«

«Todd«, sagte Sarah.»Jik und ich lassen uns noch was zu essen kommen. Hast du auch Lust?«

Ich nickte. Wir fuhren mit dem Lift nach oben, gingen auf ihr Zimmer und aßen in vereinter Müdigkeit still zu Abend.