«Strom… Wasser… Fernsehen…«Er zog die Brauen hoch. Mit erwachendem Verständnis blickte er zu mir. Dann riß er die Tür weit auf und bat sie herzlich herein.
«Biete ihnen ein Glas Champagner an«, sagte ich.
«Allmächtiger.«
Danach kamen in rascher Folge der Hausdiener, der Mann mit dem Kaffee und die Krankenschwester. Allen gab ich zehn Dollar von meinem angeblichen Wettgewinn und lud sie zu der Party ein. Als letztes rollte das Zimmermädchen mit seinem kopflastigen Wagen an. Sie nahm die zehn Dollar, gratulierte mir zu meinem Glück und verschwand in dem munteren Getümmel.
Jetzt lag es bei Jik. Ich konnte nichts mehr tun.
Er und Sarah kamen plötzlich wie die Korken aus den goldverkapselten Flaschen auf den Gang geschossen und blieben unschlüssig stehen. Ich packte Sarah am Handgelenk und zog sie zu mir.
«Schieb den Wäschewagen durch die Tür und wirf ihn um«, befahl ich Jik.
Er überlegte nicht lange. Die Schrubber landeten drinnen auf dem Boden, und Jik zog die Tür hinter sich zu.
Sarah und ich rannten bereits zu den Fahrstühlen. So blaß und verstört, wie sie aussah, mußte das, was sich bei ihnen abgespielt hatte, fast zuviel für sie gewesen sein.
Jik stürmte hinter uns her. Es gab sechs Fahrstühle auf der Etage, und man brauchte immer nur Sekunden zu warten, bis einer kam. Diesmal schien es Stunden zu dauern. Die Tür öffnete sich einladend, und schon sprangen wir hinein und drückten wie verrückt auf» Türe schließen«.
Die Tür schloß sich.
Der Lift fuhr sachte und schnell abwärts.
«Wo steht der Wagen?«fragte ich.
«Auf dem Parkplatz.«
«Hol ihn und komm zum Seiteneingang.«
«Gut.«
«Sarah… «
Sie sah mich verschreckt an.
«Meine Malertasche steht unten. Trägst du mir die?«
Sie sah zerstreut auf den leeren Ärmel meiner Jacke, die über der linken Schulter lose herabhing.
«Sarah!«
«Ja… in Ordnung.«
Wir platzten in die Halle, die sich mit heimkehrenden Rennbahnbesuchern gefüllt hatte. Sie unterhielten sich in Gruppen, waren in Bewegung, und man konnte nur schwer den Raum überblicken. Um so besser, dachte ich.
Mein Koffer und die Maltasche standen in der Nähe des Haupteingangs, bewacht von einem jungen Mann in Hausdiener-Uniform.
Ich gab ihm die zehn Dollar.»Vielen Dank«, sagte ich.
«Kein Problem«, meinte er vergnügt.»Soll ich Ihnen ein Taxi rufen?«
Ich schüttelte den Kopf. Sarah nahm die Malertasche, ich den Koffer, und wir gingen zur Tür hinaus.
Wandten uns nach rechts. Legten einen Schritt zu. Wandten uns noch einmal nach rechts und waren dort, wo Jik uns abholen sollte.
«Er ist nicht da!«rief Sarah, der Panik nahe.
«Er kommt schon noch«, sagte ich beruhigend.»Gehen wir ihm ein Stück entgegen.«
Wir gingen. Ich sah mich immer wieder nervös nach Verfolgern um, aber wir waren allein. Jik kam auf zwei Reifen um die Ecke gefegt und schliff ein paar Millimeter Profil, als er neben uns anhielt. Sarah stieg vorn ein, ich zwängte mich mit meinem Koffer auf den Rücksitz. Jik vollführte ein haarsträubendes Wendemanöver und brachte uns mit unerlaubt hoher Geschwindigkeit vom Hilton weg.
«Menschenskind«, lachte er, von übergroßer Anspannung befreit,»wie bist du bloß auf die Idee gekommen?«
«Durch die Marx Brothers.«
Er nickte.»Der reinste Slapstick.«
«Wo fahren wir hin?«fragte Sarah.
«Ist dir schon aufgefallen«, sagte Jik,»daß meine Frau immer das Wesentliche im Auge behält?«
Melbourne zieht sich weit hin.
Wir fuhren aufs Geratewohl nach Nordosten, durch schier endlose Vorstadtsiedlungen mit Läden, Autowerkstätten und kleinen Betrieben, die alle wohlhabend, improvisiert und für meine Begriffe amerikanisch aussahen.
«Wo sind wir?«fragte Jik.
«Box Hill nennt sich das«, sagte ich, denn so stand es in den Schaufenstern zu lesen.
«Soll mir recht sein.«
Wir fuhren noch einige Meilen weiter und hielten an einem modernen Mittelklasse-Motel, dessen Vorplatz mit zahlreichen Wimpeln geflaggt war. Kein Vergleich mit dem Hilton, aber doch Zimmer, die sauberer waren als von der Natur vorgesehen.
Die Einrichtung bestand aus schlichten Liegen, einem dünnen, an den Rändern festgenagelten Teppichviereck, einer Tischlampe, die an einen unverrückbaren Tisch geschraubt war, einem an die Wand geleimten Spiegel und einem am Boden festgeschraubten Drehsessel. Aber die Vorhänge waren hübsch, und aus dem Heißwasserhahn in der Dusche kam heißes Wasser.
«Die wollen nicht, daß man sie beklaut«, sagte Jik.»Vielleicht sollten wir ihnen ein Wandbild malen.«
«Nein!«rief Sarah entsetzt.
«Es gibt ein berühmtes australisches Sprichwort«, sagte Jik.»Wenn es sich bewegt, knall es ab, wenn es wächst, schneid es ab.«
«Was hat denn das damit zu tun?«fragte Sarah.
«Nichts. Ich dachte nur, es könnte Todd gefallen.«
«Herr, gib mir Kraft.«
Genau das versuchten ihr Mann und ich mit unseren bescheidenen Mitteln.
Jik drehte sich auf dem Drehsessel in meinem Zimmer. Sarah setzte sich auf die eine Liege, ich auf die andere. Mein Koffer und die Malertasche standen auf dem Fußboden.
«Ist euch klar, daß wir ohne zu zahlen aus dem Hilton verduftet sind?«fragte Sarah.
«Sind wir nicht«, widersprach Jik.»Solange unsere Klamotten noch da sind, wohnen wir auch dort. Ich rufe nachher an.«
«Aber Todd…«
«Ich habe bezahlt«, sagte ich.»Bevor ihr wiedergekommen seid.«
Sie schien etwas beruhigt.
«Wie hat Greene euch gefunden?«fragte ich.
«Weiß der Geier«, meinte Jik düster.
Sarah staunte.»Woher weißt du, daß Greene da war? Woher hast du überhaupt gewußt, daß außer Jik und mir noch jemand in unserem Zimmer war? Daß wir so in der Bredouille steckten?«
«Von Jik.«
«Unmöglich. Er konnte dich doch gar nicht warnen. Er durfte nur sagen, daß du kommen sollst. Er hat wirklich…«Ihre Stimme wurde zittrig. Sie war den Tränen nah.»Er mußte…«
«Jik hat’s mir gesagt«, erklärte ich nüchtern.»Erstens hat er mich Charles genannt, was er sonst nie tut, daher wußte ich, daß was nicht stimmt. Zweitens war er grob zu mir, und auch wenn du meinst, das sei er immer, auf diese Art ist er es nicht. Und drittens hat er mir den Namen des Mannes gesagt, der euch in der Gewalt hatte und wollte, daß ihr mich nach unten in die böse kleine Falle lockt. Sein Wort dafür war >Chromoxid<, und das ist der Stoff, der grüne Farbe grün macht.«
«Grün!«Die Tränen vergingen ihr.»Ihr seid wirklich unbeschreiblich.«
«Lange Übung«, meinte Jik aufgeräumt.
«Erzählt mir, was los war«, sagte ich.
«Wir sind vor dem letzten Rennen weg, um nicht in den Stoßverkehr zu geraten, und bis zum Hilton lief alles glatt. Ich habe den Wagen geparkt, und wir sind auf unser Zimmer gegangen. Nach kaum einer Minute klopft es an der Tür, ich mache auf, und rums stürmen sie rein…«
«Sie?«
«Drei Mann. Einer war Greene. Wir haben ihn nach deiner Zeichnung sofort erkannt. Der zweite war der Junge aus dem Arts Centre. Der dritte war so ein Schrank mit buschigen Augenbrauen, der mit den Fäusten denkt.«
Geistesabwesend rieb er sich die Herzgegend.
«Hat er dir eine verpaßt?«fragte ich.
«Es ging alles so schnell…«, sagte er, als müßte er sich verteidigen.»Sie sind einfach reingeplatzt, und paff! Im nächsten Moment hatten sie auch schon Sarah gepackt, und sie verdrehten ihr den Arm und sagten, ihr würden sie nicht bloß Terpentin in die Augen schütten, wenn ich dich nicht sofort herbeihole.«
«Waren sie bewaffnet?«
«Sie hatten… ein Feuerzeug. Tut mir leid, Partner, das hört sich bestimmt schwach an, aber der Schrank drückte ihr die Luft ab, und der Junge hielt ihr ein Stichflammen produzierendes Monstrum von Feuerzeug ans Gesicht… und ich war etwas angeschlagen, und Greene sagte, sie würden sie rösten, wenn ich dich nicht hole… und gegen alle drei kam ich ja nicht an…«