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«Fahr mit ihm segeln«, sagte ich.»Auf dem Meer ist er immer glücklich.«

«Dir ist das ganz egal, oder?«

Ich sah ihr in die kummervollen Augen.»Ihr seid mir alles andere als egal.«

«Dann gnade Gott denjenigen, die du haßt.«

Und mir, dachte ich, gnade Gott, wenn ich die Frau meines ältesten Freundes noch lieber gewinne. Ich wandte den Blick von ihr und sah aus dem Fenster. Gegen Zuneigung war nichts zu sagen. Mehr als Zuneigung wäre fatal.

Jik kam mit zufriedener Miene wieder.»Alles gewickelt. Und es hieß, für dich, Todd, sei vor ein paar Minuten ein Brief abgegeben worden. Sie wollten eine Nachsendeadresse haben.«

«Was hast du ihnen gesagt?«

«Du würdest selbst anrufen.«

«Gut… machen wir uns auf den Weg.«

«Wohin?«

«Nach Neuseeland, meinst du nicht?«

«Das sollte weit genug sein«, sagte Jik trocken.

Er fuhr zum Flughafen, der voller Leute war, die vom Cup nach Hause wollten.

«Wenn Wexford und Greene uns suchen«, sagte Sarah,»dann haben sie doch bestimmt den Flughafen im Visier.«

Sonst müßten wir eine Fährte legen, dachte ich im stillen — und auch Jik, den ich eingeweiht hatte, sprach es nicht aus.

«In der Öffentlichkeit können sie nichts machen«, sagte er beschwichtigend.

Wir kauften unsere Tickets und stellten fest, daß wir entweder gegen Mittag direkt oder in knapp einer halben Stunde über Sydney nach Auckland fliegen konnten.

«Über Sydney«, meinte Sarah entschieden, als schöpfe sie Kraft aus der Vorstellung, daheim zwischenzulanden.

Ich schüttelte den Kopf.»Auckland direkt. Schauen wir mal, ob es im Restaurant noch Frühstück gibt.«

Wir drängten uns an der betont auf Wand- und Armbanduhr blickenden Bedienung vorbei und bestellten einen Berg Eier mit Speck.

«Was wollen wir in Neuseeland?«fragte Sarah.

«Mit dem Besitzer eines Bildes sprechen und ihm raten, eine Zusatzversicherung abzuschließen.«

«Und das soll der Grund sein?«

«Ein sehr guter«, sagte ich.

«Ich sehe nicht ein, warum wir so weit reisen müssen, wenn Jik sagt, ihr habt in der Galerie genug gefunden, um die ganze Sache auffliegen zu lassen.«

«Hm…«, sagte ich.»Weil wir sie nicht auffliegen lassen wollen. Der Laden soll intakt sein, wenn wir ihn der Polizei übergeben.«

Sie musterte mein Gesicht.»Du sprichst in Rätseln.«

«Nicht auf der Leinwand«, warf Jik ein.

Nach dem Frühstück schlenderten wir durch die Geschäfte auf dem Flughafen, kauften einmal mehr Zahnputzzeug und dergleichen für Jik und Sarah und eine weitere Flugtasche. Keine Spur von Wexford, Greene, dem Jungen, dem Schrank, Renbo oder unserem Beschatter aus Alice Springs. Wenn sie uns hier entdeckt hatten, war uns das entgangen.

«Ich werde mal im Hilton anrufen«, sagte ich.

Jik nickte. Ich telefonierte in Sicht- und Hörweite von ihm und Sarah.

«Sie hatten um eine Nachsendeadresse gebeten«, sagte ich der Frau am Empfang.»Leider habe ich noch keine. Ich bin auf dem Weg nach Neuseeland. In ein paar Stunden fliege ich nach Auckland.«

Sie fragte, was mit dem Brief geschehen solle.

«Ehm… würden Sie ihn öffnen und mir vorlesen?«

Aber gern, sagte sie. Der Brief war von Hudson Taylor, der bedauerte, mich auf der Rennbahn nicht gesehen zu haben, und sich erbot, mir sein Weingut zu zeigen, falls ich Interesse hätte, so etwas in Australien zu besichtigen.

Vielen Dank, sagte ich. Nichts zu danken, sagte die Empfangsdame. Ich bat sie, falls nach mir gefragt würde, mein Reiseziel anzugeben. Aber gern, selbstverständlich.

In der nächsten Stunde rief Jik die Autovermietung an, um die Rechnung zu begleichen und Bescheid zu sagen, daß der Wagen auf dem Flughafenparkplatz abgestellt sei, und ich gab meinen Koffer bei der Air New Zealand auf. Pässe waren kein Problem, da der Reiseverkehr zwischen Australien und Neuseeland ebenso frei war wie zwischen England und Irland.

Von Wexford und Greene immer noch keine Spur. Wir saßen in der Abflughalle, und jeder hing seinen Gedanken nach.

Wieder entdeckte ich den Beobachter erst, als unser Flug aufgerufen wurde. Wieder lief es mir kalt über den Rücken. Ich war blind gewesen. Blind und blöd.

Nicht Wexford, nicht Greene, weder Renbo noch der Junge noch irgendein ruppiger Kraftmensch. Ein hübsches Tageskleid, hübsche Frisur, unauffällige Handtasche, einfache Schuhe. Ein ruhiges, konzentriertes Gesicht. Ich bemerkte sie, weil sie Sarah anstarrte. Sie stand vor der Abflughalle und schaute hinein. Die Frau, die mich bei Yarra River Fine Arts empfangen, mir einen Katalog in die Hand gedrückt und mich nachher auch hinausgelassen hatte.

Als fühlte sie sich beobachtet, richtete sie plötzlich den Blick auf mein Gesicht. Ich sah mit Pokermiene sofort weg und hoffte, sie wußte jetzt nicht, daß ich sie gesehen, oder zumindest nicht, daß ich sie erkannt hatte.

Jik, Sarah und ich standen auf und zogen mit allen anderen zum Ausgang. In den Scheiben spiegelte sich die Frau: Regungslos sah sie uns nach. Ohne mich umzudrehen, ging ich hinaus zum Flugzeug.

Mrs. Norman Updike stand in der Tür, schüttelte den Kopf und sagte, ihr Mann werde nicht vor sechs zu Hause sein.

Sie war dünn, hatte ein verkniffenes Gesicht und redete mit stark neuseeländischem Einschlag. Wenn wir ihren Mann sprechen wollten, müßten wir noch einmal herkommen.

Sie musterte uns: Jik mit seinem verwegenen blonden Bart, Sarah mit ihrem etwas verknitterten hellen Safarikleid und mich mit dem Arm in der Schlinge unterm Hemd, die Jacke lose über der Schulter. Ein Trio, das man so leicht nicht vergaß. Mit steil herabgezogenen Mundwinkeln beobachtete sie unseren Rückmarsch zur Straße.

«Eine Seele von Mensch«, meinte Jik leise.

Wir fuhren mit dem am Flughafen gemieteten Wagen davon.

«Wohin jetzt?«fragte Jik.

«Ich brauche was zum Anziehen. «Sarahs Machtwort.

Die Läden waren in der Queen Street, wie sich herausstellte, und noch eine halbe Stunde geöffnet. Jik und ich blieben im Auto, warteten und sahen die Welt an uns vorbeiziehen.

«Das ist jetzt die Zeit, wo all die Vöglein aus ihren Bürokäfigen kommen«, sagte Jik gutgelaunt.

«Na und?«

«Ich zähle immer die ohne Büstenhalter.«

«Und dabei bist du verheiratet.«

«Alte Gewohnheiten wird man schwer los.«

Wir zählten acht klare Fälle und ein Vielleicht, bis Sarah zurückkam. Sie trug einen hell olivgrünen Rock mit einer rosa Bluse und erinnerte mich an Pistazieneis.

«So ist es besser«, sagte sie und warf zwei prall gefüllte Tragetüten auf den Rücksitz.»Jetzt können wir.«

Die therapeutische Wirkung der neuen Kleider hielt während unseres ganzen Aufenthalts in Neuseeland an und erstaunte mich maßlos. Sie fühlte sich offenbar sicherer, wenn sie frisch und sauber aussah, und damit besserte sich auch ihre Gemütsverfassung. Baumwollpanzer, dachte ich. Bügelfrei und kugelsicher. Selbstschutz von der Stange.

Ohne Eile kehrten wir zu der Anhöhe über der Bucht zurück und zu der dichtbebauten Vorortstraße, in der Norman Updike wohnte. Das Haus der Updikes war groß, aber eingezwängt zwischen den Nachbarn, und den Grund für das Gedränge erkannte man erst, wenn man hineinging. Wegen der schönen Aussicht nämlich waren so viele Häuser wie irgend möglich hier aufgestellt worden. Die Stadt selbst dehnte sich offenbar meilenweit entlang der zerklüfteten Küste aus, und die Grundstücke erschienen winzig klein.