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Ein langer, dunkel gekleideter Hotelangestellter bat uns, Platz zu nehmen, und lud uns zu Kaffee und Sandwiches ein. Porter sah auf seine Armbanduhr und lud uns ein, unbestimmte Zeit zu warten.

Es war sechs Uhr. Nach zehn Minuten brachte ein Mann mit Hemd und Krawatte ein Funksprechgerät für Porter, der den Ohrknopf ansteckte und körperlosen Stimmen zu lauschen begann.

Das Büro hatte Neonlicht und war funktionell eingerichtet, die Wände tapeziert mit Schautafeln und Dienstplänen. Da es keine Fenster gab, sahen wir nicht, wie es draußen dunkel wurde.

Wir tranken Kaffee und warteten. Porter aß drei Sandwiches auf einmal. Die Zeit verging.

Sieben Uhr.

Sarah sah in dem künstlichen Licht blaß und müde aus. Jik, den Bart auf der Brust, ebenso. Ich dachte über Leben und Tod und gepunktete Fliegen nach.

Um elf Minuten nach sieben drückte Porter die Hand aufs Ohr und blickte konzentriert zur Decke. Als er sich dann wieder entspannte, ließ er uns an der elektrisierenden Nachricht teilhaben.

«Wexford hat genau das getan, was wir erwartet haben, und jetzt läuft die Maschinerie.«

«Welche Maschinerie?«fragte Sarah.

Porter sah durch sie hindurch.»Alles läuft, wie wir es geplant haben«, erklärte er.

«Ach so.«

Er lauschte wieder seinem Funkgerät und wandte sich direkt an mich.»Er hat angebissen.«

«Ist der dumm«, sagte ich.

Porters Gesichtsausdruck kam einem Lächeln nahe.»Alle Gauner sind Dummköpfe, so oder so.«

Es wurde halb acht. Fragend sah ich Porter an. Er schüttelte den Kopf.

«Wir dürfen über Funk nicht zuviel sagen«, meinte er,»weil man nie weiß, wer mithört.«

Genau wie in England, dachte ich. Die Presse konnte vor der Polizei am Schauplatz eines Verbrechens sein, und die Maus konnte von der Falle hören, bevor sie zuschnappte.

Wir warteten. Das Warten zog sich hin. Jik gähnte, und Sarah hatte dunkle Augenringe. Draußen ging das rege, feudale Hotelleben ungestört seinen Gang, freuten sich die angeregt plaudernden Gäste auf den bevorstehenden Renntag, den letzten der Woche.

Das Derby am Samstag, der Cup am Dienstag, das Oaks (ohne uns) am Donnerstag und das International wieder am Samstag. Vorher fuhr kein ernsthafter Freund der Rennbahn nach Hause, wenn es sich vermeiden ließ.

Porter hielt wieder sein Ohr zu und straffte sich.

«Er ist da«, sagte er.

Aus irgendeinem unerfindlichen Grund begann mein Herz im Akkord zu schlagen. Wir waren völlig außer Gefahr, und doch hämmerte es wie eine Dampforgel.

Porter nahm den Ohrknopf ab, stellte das Gerät auf den Schreibtisch und ging hinaus ins Foyer.

«Was tun wir jetzt?«fragte Sarah.

«Wir hören erst mal zu.«

Alle drei gingen wir zur Tür hinüber und hielten sie einen Spaltbreit offen. Wir hörten Leute nach ihren Zimmerschlüsseln fragen, nach Briefen und Nachrichten, nach Mr. und Mrs. Soundso, wie man nach Toorak kam und wie am besten zu Fanny’s.

Dann fuhr mir plötzlich ein Kribbeln in die Fingerspitzen: die Stimme, die ich kannte. Selbstbewußt, nichts Böses ahnend.»Ich möchte ein Paket abholen, das ein Mr. Charles Todd hier am Dienstag zurückgelassen hat. Es soll in der Gepäckaufbewahrung sein. Daß Sie es mir aushändigen dürfen, geht aus diesem Brief von ihm hervor.«

Papier raschelte, als der Brief überreicht wurde. Sarahs Augen waren rund und verblüfft.

«Hast du das geschrieben?«fragte sie leise.

Ich schüttelte den Kopf.»Nein.«

Draußen sagte der Portier:»Danke, Sir, wenn Sie einen Augenblick warten, hole ich Ihnen das Paket.«

Danach war Ebbe. Mein Herz machte viel Krach, aber sonst geschah wenig.

Der Portier kam zurück.»Bitte sehr, Sir. Es sind Gemälde.«

«Ganz recht.«

Man hörte, wie die Leinwände und die Grafikmappe nach vorn getragen wurden.

«Ich bringe sie Ihnen, Sir«, sagte der Portier, plötzlich näher bei uns.»Bitte sehr. «Er ging am Büro vorbei und durch die Schwingtür am Empfang nach vorn.»Schaffen Sie das allein, Sir?«

«Jaja. Vielen Dank. «Jetzt, wo er die Beute in den Händen hielt, hatte er es offenbar eilig.»Danke. Auf Wiedersehen.«

Sarah hatte ein enttäuschtes» Das war alles?«auf den Lippen, als Porters laute Stimme wie eine Axt in den Hilton-Plüschsamt krachte.

«Die Bilder übernehmen wir mal, wenn Sie nichts dagegen haben«, sagte er.»Porter, Stadtpolizei Melbourne.«

Ich öffnete die Tür etwas weiter und sah hinaus. Porter stand breitbeinig in der Halle, groß und kantig, die Hand fordernd ausgestreckt.

Neben ihm zwei Beamte in Zivil. Am Haupteingang zwei in Uniform. Wahrscheinlich waren auch die anderen Ausgänge bewacht. Sie gingen kein Risiko ein.

«Aber Inspektor… ich bin doch nur im Auftrag hier, ehm… für meinen jungen Freund Charles Todd.«

«Und die Gemälde?«

«Fragen Sie mich nicht. Er hat mich nur gebeten, sie für ihn abzuholen.«

Leise trat ich aus dem Büro und ging durch die Schwingtür nach vorn. Ich lehnte mich etwas flatterig gegen die Theke. Er stand keine zwei Meter entfernt, rechts vor mir. Ein Schritt, und ich hätte ihn berühren können. Hoffentlich fand Porter das für seine Zwecke nah genug.

Ein gewisses Unbehagen hatte sich unter den Gästen des Hilton breitgemacht. Sie standen mehr oder minder im Halbkreis und beobachteten das Geschehen aus den Augenwinkeln.

«Mr. Charles Todd hat Sie gebeten, diese Bilder abzuholen?«fragte Porter laut.

«So ist es.«

Plötzlich blickte Porter zu mir.

«Stimmt das?«

«Nein«, sagte ich.

Die Wirkung war so durchschlagend, wie es sich die Polizei von Melbourne nur wünschen konnte, und weitaus stärker, als ich erwartet hatte. Es gab keine höfliche, diskrete Gegenüberstellung mit anschließender höflicher, diskreter Festnahme. Ich hätte an meine Theorie von der Brutalität des Kopfs der Bande denken sollen.

Jetzt blickte ich dem Stier direkt in die Augen. Er begriff, daß er überlistet worden war. Daß er sich durch sein

Erscheinen und durch die dafür gelieferte Begründung verraten hatte. Die Wut schoß wie ein Geiser in ihm hoch, und er sprang mir an die Gurgel.

«Du bist tot!« schrie er. »Du bist tot, du Arsch!«

Durch die Wucht seines Angriffs verlor ich die Balance und schlug mit dem Knie auf, während er mich im Würgegriff hielt, und seine zweihundert Pfund mich halb erdrückten, da es mir nicht gelang, ihn mit den Fäusten abzuwehren. Sein Zorn ergoß sich wie Lava über mich. Weiß der Himmel, was er vorhatte, aber Porters Männer rissen ihn zurück, ehe es zum Schlimmsten kam. Als ich mich hochrappelte, hörte ich die Handschellen klicken.

Er stand dicht vor mir, zitternd, als wäre er kaum zu halten, schwer atmend, zerzaust, mit bitterem Blick. Alles Kultivierte weggefegt in einem Moment unbezähmbarer Wut. Der gewalttätige Kern lag blank.

«Tag, Hudson«, sagte ich.

«Tut mir leid«, meinte Porter obenhin.»Hätte nicht gedacht, daß er wild wird.«

«Daß er es so ausläßt«, korrigierte ich.

«Bitte?«

«Er war immer wild, nur nicht nach außen.«

«Wenn Sie es sagen. Ich sehe den Mann heute zum ersten Mal. «Er nickte Jik, Sarah und mir zu, bevor er seinem entschwindenden Gefangenen nacheilte.

Wir sahen uns ein wenig ratlos an. Die zuerst noch neugierigen Hotelgäste entfernten sich langsam. Matt ließen wir uns auf das nächste blaue Samtsofa sinken, Sarah in der Mitte.

Jik nahm ihre Hand und drückte sie. Sie legte ihre Hand auf meine.

Neun Tage hatte es gedauert.

Ein weiter Weg lag hinter uns.

«Ich weiß nicht, wie es mit euch ist«, sagte Jik,»aber ich könnte ein Bier vertragen.«

«Todd«, sagte Sarah,»erzähle.«

Wir waren oben in meinem Zimmer, sie beide in friedlicher Stimmung, ich in Jiks Morgenmantel, er und ich eingehüllt in eine aseptische Wolke.