Ich gähnte.»Von Hudson?«
«Was sonst? Und schlaf nicht ein, bevor wir ganz im Bilde sind.«
«Tja… ich habe nach ihm — oder jemand wie ihm — gesucht, bevor ich ihn überhaupt kannte.«
«Und wieso?«
«Wegen des Weins«, sagte ich.»Weil Donalds Weinkeller ausgeräumt worden war. Der Weindieb wußte nicht nur, daß der Wein dort im Basement war, hinter einer unauffälligen Tür, die nach Besenkammer aussieht — ich war schon öfter im Haus und hatte keine Ahnung von dem Keller —, sondern muß laut Donald auch mit entsprechend vielen Kisten angerückt sein. Weinkisten fassen gewöhnlich zwölf Flaschen… und Donald wurden mindestens zweitausend Flaschen gestohlen. Die wollen erst mal bewegt sein. Das dauert, und Zeit ist für Einbrecher immer ein Risiko. Außerdem waren es besondere Weine. Ein kleines Vermögen wert, sagte Donald. Weine, die als Kapitalanlage gehandelt werden und die, falls sie überhaupt jemand trinkt, schließlich einen Wochenlohn pro Flasche kosten. Jedenfalls mußte der Wein fachmännisch behandelt und gehandelt werden… und da Donald Weinhändler ist und Wein ihn auch nach Australien geführt hat, habe ich von Anfang an nach jemand gesucht, der Donald kennt, weiß, daß er einen Munnings gekauft hat, und etwas von gutem Wein und Weinhandel versteht. Prompt stieß ich auf Hudson Taylor, auf den das alles zutraf. Aber es schien zu simpel… weil der äußere Eindruck dagegen sprach.«»Elegant und freundlich«, nickte Sarah.
«Und reich«, ergänzte Jik.
«Geldoman wahrscheinlich«, sagte ich, schlug die Bettdecke zurück und betrachtete sehnsüchtig die kühlen, weißen Laken.
«Bitte?«
«Geldoman. Das Wort habe ich mir gerade ausgedacht für Leute, die hemmungslos hinter Knete her sind.«
«Von denen wimmelt es«, lachte Jik.
Ich schüttelte den Kopf.»Trinken tut jeder, aber bei Alkoholikern ist es eine Sucht. Geldomanen sind süchtig. Sie kriegen einfach nie genug. Wieviel sie auch haben, sie wollen immer mehr. Und ich rede hier nicht von uns Normalverbrauchern, sondern von wirklich Verrückten. Geld, Geld, Geld. Wie eine Droge. Geldomanen tun dafür alles… Entführung, Mord, Banken und Datenbanken ausrauben, ihre Großmutter verkaufen… ganz egal.«
Ich saß mit ausgestreckten Beinen auf dem Bett und fühlte mich alles andere als fit. Zu viele blaue Flecke, die schmerzten, zu viele Schnittwunden, die brannten. Sicher auch bei Jik. Die Steine hatten es in sich gehabt.
«Geldomanie«, dozierte Jik wie vor einer müden Studentenschaft,»ist eine weitverbreitete Krankheit mit einem Syndrom, das jeder kennt, der schon mal einen Anflug von Habgier verspürt hat, also wirklich jeder.«
«Mach weiter mit Hudson«, sagte Sarah.
«Hudson hatte das nötige Organisationstalent… Als ich herkam, wußte ich zwar nicht, daß die Organisation so groß war, aber daß Organisation dahintersteckte, wußte ich. Das Ding lief international. So was geht nicht mit links. Da gehört schon allerhand dazu.«
Jik riß eine Dose Bier auf und verzog das Gesicht vor Schmerz, als er sie mir herüberreichte.
«Aber er überzeugte mich, daß ich bei ihm falsch lag«, sagte ich und trank einen Schluck.»Weil er so vorsichtig war. Er hat getan, als müßte er den Namen der Galerie, wo Donald sein Bild gekauft hat, erst nachschauen. Wobei er mich gar nicht als Bedrohung ansah, sondern eben nur als Donalds Cousin. Bis er dann mit Wexford sprach.«
«Auf der Rennbahn«, sagte Sarah.»Du meintest, jetzt sei alles zu spät.«
«Mhm… weil ich dachte, jetzt hat er Wexford erzählt, daß ich Donalds Cousin bin, aber umgekehrt hat Wexford ihm da natürlich auch erzählt, daß ich Greene bei Maisies abgebranntem Haus in Sussex gesehen und mir in seiner Galerie dann das Original von Maisies verbranntem Bild angeschaut hatte.«
«Allmächtiger«, sagte Jik.»Kein Wunder, daß wir nach Alice Springs verduftet sind.«
«Ja, aber da hatte ich Hudson eigentlich nicht in Verdacht. Ich war hinter einem brutalen Kerl her, der Leute hat, die für ihn Gewalt gebrauchen. Hudson hatte nichts Brutales an sich. «Ich schwieg.»Nur einmal bekam der Lack einen ganz kleinen Riß, und zwar, als beim Pferderennen seine Wette platzte. Da hat er sein Fernglas so fest gepackt, daß die Knöchel weiß hervortraten. Aber man hält ja nicht gleich jemand für einen Schwerverbrecher, bloß weil er sich über eine verlorene Wette aufregt.«
Jik grinste.»Sonst wäre ich auch verdächtig.«
«Doppelt und dreifach«, sagte Sarah.
«Im Krankenhaus in Alice Springs habe ich darüber nachgedacht… In der kurzen Zeit zwischen dem Kauf von Renbos Bild in der Galerie und meinem Flug vom Balkon konnten die Schläger nicht von Melbourne nach Alice gekommen sein, sehr wohl aber von Adelaide aus, und in Adelaide saß Hudson… aber das schien mir viel zu dünn.«
«Sie könnten auch schon vorher in Alice gewesen sein«, gab Jik zu bedenken.
«Könnten sie, aber wozu?«Ich gähnte.»Dann habt ihr mir am Abend nach dem Cup erzählt, Hudson hätte sich ausdrücklich nach mir erkundigt… und ich habe mich gefragt, woher er euch kennt.«
«Das hat mich auch gewundert«, fiel Sarah ein,»aber was war schon dabei? So wie wir ihn von der Tribüne aus gesehen hatten, konnte er uns ja irgendwo mit dir gesehen haben.«
«Der Junge kannte euch«, sagte ich.»Und er war auf der Rennbahn, denn er ist euch mit Greene zum Hilton gefolgt. Der Junge wird Greene auf euch hingewiesen haben.«
«Und der wiederum Wexford, und Wexford Hudson?«fragte Jik.
«Sehr wahrscheinlich.«
«Und da wußten sie inzwischen«, sagte er,»daß sie dir dringend den Mund stopfen mußten und daß sie schon mal eine Gelegenheit dazu gehabt hatten, ohne sie zu nutzen… Ich wäre zu gern dabeigewesen, als sie in der Galerie unseren Einbruch entdeckt haben. «Er lachte leise und hob die Bierdose an, um die letzten Tropfen aufzufangen.
«Am Morgen danach«, sagte ich,»wurde ein Brief von Hudson im Hilton abgegeben. Woher wußte er, daß wir dort wohnen?«
Sie starrten mich an.»Wahrscheinlich von Greene«, sagte Jik.»Von uns bestimmt nicht. Wir haben es keinem erzählt. Da waren wir vorsichtig.«
«Ich auch«, sagte ich.»Der Brief war eine Einladung zur Weinbergbesichtigung. Nun… hätte ich nicht so an ihm gezweifelt, wäre ich vielleicht darauf eingegangen. Er war ein Bekannter von Donald… und Weingüter sind schon interessant. Von seinem Standpunkt aus lohnte es sich jedenfalls, das zu versuchen.«
«Heiland!«
«Als wir am Abend nach dem Cup in dem Motel hinter Box Hill waren, habe ich die Polizei in England angerufen und mit dem Mann gesprochen, der Donalds Fall bearbeitet, einem Inspektor Frost. Ich bat ihn, Donald ein paar Fragen zu stellen… und heute morgen, außerhalb von Wellington, habe ich die Antworten bekommen.«
«Heute morgen scheint einige Lichtjahre weit weg zu sein«, meinte Sarah.
«Mhm…«
«Was für Fragen und was für Antworten?«wollte Jik wissen.
«Gefragt hatte ich, ob Donald Hudson von dem Wein in seinem Keller erzählt habe, ob er auch Wexford von dem Wein im Keller erzählt habe und ob der Vorschlag, sie sollten sich den Munnings im Arts Centre ansehen, von Hudson gekommen sei. Und die Antworten waren: >Ja, natürliche, >Nein, wie käme ich dazu?< und >Ja<.«
Schweigend dachten sie darüber nach. Jik ging an den Kühlschrank und holte noch eine Dose Foster’s aus dem Getränkefach.
«Und dann?«fragte Sarah.
«Der Polizei Melbourne genügte das nicht als Beweis, aber wenn sich Hudson einwandfrei mit der Galerie in Verbindung bringen ließ, war der Fall klar. Also haben sie Hudson die Bilder und die anderen Sachen, die wir aus der Galerie gestohlen hatten, unter die Nase gehalten, und schon kam er, um sie abzuholen.«
«Wie denn unter die Nase gehalten?«
«Sie ließen Wexford wie zufällig Bruchstücke aus einem fingierten Bericht hören, in dem es um nicht abgeholtes Gepäck in verschiedenen Hotels ging, darunter auch die Bilder im Hilton. Nachdem wir dann hier angekommen waren, gaben sie ihm Gelegenheit, >ungestört< zu telefonieren, und er rief Hudson unter der Adresse an, die er während der Rennwoche immer bewohnt, und gab ihm Bescheid. Prompt stellte sich Hudson eine Vollmacht von mir aus und kam angedüst, um das belastende Material zu entfernen.«»So ein Irrsinn.«